1 ...6 7 8 10 11 12 ...20 Viertel vor zehn traf Jeremias im Tennisclub ein. Er stellte sich an die Bar. Der Raum blieb menschenleer. Jeremias rief ein forsches Hallo, es antwortete niemand. Die Tür des Ladens stand offen. Eine Frau bespannte Tennisschläger.
»Hi! Ich suche eine Dame namens Gabriela!«
»Hallo, guten Tag, das bin ich!« Sie reichte ihm die Hand mit kräftigem Händedruck. »Sie sind Herr Reimar, Stefan, wenn ich darf, auf Teneriffa nennt man sich beim Vornamen.«
»Natürlich, warum nicht, ist meine Partnerin da?«
»Nein, ich denke, sie wird jeden Augenblick eintreffen!« Gabriela lächelte freundlich. »Die Dame heißt Laura, ich kenne sie noch nicht.«
»Ich würde gern einen Kaffee trinken, ist die Bar nicht besetzt?«, fragte Jeremias.
»Eigentlich schon, aber es gibt immer etwas anderes zu tun, Moment!« Die beiden verließen den Laden.
Laura kam die Treppe vom Parkplatz herunter.
»Guten Morgen!«, strahlte sie, »ich bin hier verabredet zu einem Blind Date!«
Jeremias ging auf sie zu. »Dann bin ich der Herr, den Sie suchen! Kommen Sie hierher!« Er winkte ihr. »Stefan ist mein Name, du musst Laura sein. Wir stärken uns erst mal mit einem Kaffee, der Sport kann noch zehn Minuten warten!«
»Laura!« Sie reichte Jeremias charmant die Hand. »Ich freue mich, dich kennenzulernen, ich trinke lieber einen Tee. Ich mag den Kaffee auf der Insel nicht sonderlich!«
»Kein Problem!« Jeremias wollte etwas sagen, aber Gabriela kam herein.
»Einen Café solo, einen Tee, schwarz, mit Zitrone oder Milch? Deutschen Kaffee kochen wir ebenfalls!«
»Bitte mit Milch, Darjeeling, wenn Sie haben! Danke, deutschen Kaffee mag ich auch nicht, ich mag nur italienischen.« Laura wandte sich an Jeremias. »Spielst du schon lange Tennis?«
»Soweit man das spielen nennen kann, was ich betreibe, seit meinem neunten Lebensjahr. Ich bin nie weit gekommen, dazu mangelt es mir an Ausdauer! Hin und wieder spiele ich aus Langeweile, Gelegenheit oder weil ich meine, zu dick zu werden!«, lachte Jeremias.
»Mir fehlt schlicht das Talent, ich hätte gern mehr gemacht. Mit zwölf hat man mir bereits gesagt, Sport sei nicht meine Sache, um eine Laufbahn aufzubauen.«
»Du lässt dich wohl schnell von sogenannten Fachleuten in die Gleise schieben?«, fragte Jeremias.
Laura schaute an sich herunter. »Was hätte ich machen sollen, einen auf Eisprinzessin?«
»Na, vielleicht Judo, Mannschaftssport!«, meinte Jeremias.
Das Gespräch wurde durch Gabriela unterbrochen, die Tee und Kaffee brachte.
»Eventuell versteifte ich mich damals zu sehr auf Mädchensport: rhythmische Gymnastik, Ballett, Turnen, Tennis.«
»Womit hast du stattdessen Karriere gemacht, Laura?«
»Was heißt Karriere, ich verdiene mein Geld damit.« Jeremias nippte am heißen Kaffee. »Ich will nicht aufdringlich wirken, was bist du von Beruf?«
»Ich schreibe Kinderbücher, in keinerlei Hinsicht karriereheiß.« Verstohlen blickte sie immer wieder in Jeremias’ Gesicht. Das Blau seiner Augen schien außerplanetarisch. Noch nie hatte sie bei einem Menschen solch ein blumenhaftes Blau wahrgenommen.
»Das ist doch ansehnlich! Ich bin unkreativ, ein simpler Datenkaufmann, Angestellter in einer größeren Firma. Jeden Tag dasselbe, Zahlen eintippen, mehr nicht! Buchhaltung, Statistik, das Übliche.«
»Aufregend klingt das wahrhaftig nicht«, lachte Laura, »aber irgendetwas brauchen wir, um zu überleben!»
Die beiden gingen hinaus zu den Umkleiden.
Jeremias musste sich beim Spielen sehr zurücknehmen. Laura parierte nicht nur mäßig, sie spielte elementar schlecht. Er bemühte sich, die Bälle platziert zu setzen, bloß nicht zu kräftig und schon gar nicht auf die Rückhand zu zielen. Er kam sich vor wie der Trainer einer Sechsjährigen. Vorsichtig schlug er Ball für Ball. Als Laura ungeschickt einem einfachen Ball hinterherhastete, ihn gerade noch mit dem Rahmen des Schlägers erreichte, überkam Jeremias innerlich das boshafte Gefühl, sie abschießen zu müssen. Zwei feste Bälle auf die Brüste und einen ins Gesicht, er grinste Laura an. Die Wut kroch in ihm hoch, der er nicht immer ganz Herr wurde. Seine Finger krampften sich um das Racket, er spannte seinen Rücken an, konzentrierte sich auf seine Armkraft, die Lippen wurden schmal und dünn. Wie konnte man bei diesem stümperhaften Können nach einem Partner suchen! Sie sollte Trainerstunden nehmen! Die Kerle bekamen Geld dafür, sich mit derartigen Idioten zu beschäftigen! Der Schläger fühlte sich wie sein verlängerter Arm an, jetzt entschieden zuschlagen, den Ball in die Fratze!
Tief atmete Jeremias ein und aus. Langsam entspannte sich sein Leib, er hatte etwas anderes vor. Es zwang ihn niemand, weiter mit Laura zu spielen. Solch günstige Gelegenheit kam so schnell nicht wieder. Sie kannte ihn nicht und vielleicht erfuhr er mehr über Julian und Carina, die Sache war nicht vergessen!
Nach einem Bad im Pool trafen sich die beiden an der Theke zu einem Drink. Laura hatte zwei Campari-Soda bestellt. Was sonst, dachte Jeremias, verdrehte die Augen. Sah er aus, als bevorzuge er Campari-Soda? Wie mochten bloß ihre Bücher aussehen? Ein bisschen ungeschickt war jeder, doch diese Dame schien das lebende Fettnäpfchen zu sein! Jeremias betrachtete Laura. Heute trug sie eins von diesen Schlauchkleidern, das ihre unvorteilhaften Stellen voll zur Geltung brachte. Ihre hübsche Brust war völlig abgequetscht, der Bauch zur Kugel geformt, dazu die Farbe Kanariengelb, auffälliger ging es nicht! Ihr blasser Teint stach dadurch heraus, ihre schläfrigen Lider waren betont durch hellblauen Lidschatten. Sie wirkten wie Garagentore, die jeden Augenblick herunterzufallen drohten.
»Ein tolles Spiel! Du bist eine harte Gegnerin!«, log Jeremias.
»Danke, es hat nicht ganz gereicht, dich zu schlagen!«, lächelte sie.
»Fast! Vielleicht das nächste Mal!« Jeremias prostete ihr zu.
Laura schaute zur Uhr.
»Hast du es eilig?«, fragte Jeremias.
»Im Gegenteil! Mein Mann ist mit meiner Schwägerin und meinem Schwager zum Tauchen, sie kommen nicht vor heute Nachmittag zurück. Ich wollte mir ein Taxi nehmen und ein wenig in der Stadt bummeln.« Sie grinste verstohlen und sog an ihrem Glas.
»Mir etwas zum Anziehen kaufen und eine Handtasche.«
»Allein ist Shopping langweilig. Ich gehe gern shoppen, darf ich dich begleiten? Mir geht es ähnlich, meine Frau ist erst gar nicht mitgekommen, sie ist Fotomodell, ständig unterwegs. Ich musste ohne sie fahren!«, lachte Jeremias. »Sie kommt möglicherweise die letzte Woche dazu.«
Laura war begeistert, eine Unterstützung beim Einkaufen. Genau damit hatte Jeremias gerechnet. Gemeinsam fuhren sie nach Puerto und trödelten durch die Geschäfte.
***
Ziemlich ausgelaugt kamen die drei Taucher nach Hause. Laura war noch nicht zurück. Sie legten sich ins Bett. Gegen fünf wurden sie geweckt.
»Aufstehen, ihr Schlafmützen, ihr wollt doch nicht den ganzen Tag verpennen!«
Julian gähnte und schaute müde um die Ecke. Er rieb sich die Augen. »Liebling, bist du das? Ist das neu?«
»Ja, habe ich heute gekauft, gefällt es dir?«, fragte Laura und drehte sich tippelnd um sich selbst.
»Du siehst fantastisch aus!« Julian schien entzückt, träge setzte er sich auf und streckte sich.
Carina begutachtete Laura bewundernd. Sie trug einen Rock, der diesmal nicht zu kurz war, eng geschnitten zu den Knien, hinten geschlitzt, in Pudermarine, eine Farbe, die ihr ausgesprochen gut stand. Dazu kleidete sie ein cremefarbenes locker fallendes T-Shirt, im Nacken mit Schlitz und einem kleinen Knopf versehen. Sportlich elegant, völlig ohne ihren üblichen Schnickschnack. Keine aufdringliche Farbe, figurbetonend, die Schwächen verdeckend, die Vorteile unterstreichend. Carina konnte es nicht fassen.
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