Das warme, stumpfe Licht der Kerzen tauchte die Kneipe in einen matten Schimmer. Schatten umspielten Carinas Gesicht. »Angelika besuchte mich, ich hatte sie vorher nie gesehen. Das ist die Mutter von Maximilian, Jeremias’ Sohn. Sie erzählte mir, Jeremias hätte sie damals geschlagen, und war pathologisch eifersüchtig. Sie hatte ihn aus der Wohnung geschmissen. Er hat ein paar Tage später die Tür eingetreten, überall Lügen über sie verbreitet. Er hat ihr eine geknallt, ist ins Treppenaus gelaufen, hat bei den Nachbarn geklingelt, gerufen, sie sei durchgedreht. Sie schmeiße mit Aschenbechern nach ihm, schlage ihn und Max. Und alle haben ihm geglaubt! Er war dabei ruhig und entspannt, sie aufgebracht und ein bisschen hysterisch durch die Situation. Das ist seine Masche.«
»Wie, die Nachbarn haben ihm das abgenommen?«
»Jeremias ist charismatisch. Er ist extrem aufmerksam und behilflich, versteht sich mit jedem. Frauen fahren sofort auf ihn ab. Er ist hübsch, sehr gepflegt, ein Goldschatz. Und er kann ziemlich überzeugend auftreten! Er lügt glaubhafter als ein Schauspieler! Der schaltet von einer Sekunde zur nächsten um. Erst ist er wütend, rastet aus. Klack. Unmittelbar darauf ist er ruhig und liebenswürdig.«
Lauras Gesichtsausdruck wandelte zusehends von Traurigkeit in fassungsloses Erstaunen. Sie kaute intensiv auf dem Strohhalm ihres Drinks, als Carina fortfuhr.
»Ich konnte das nie fassen. Er tobt wie ein Irrer, schreit, schmeißt etwas kaputt. Das Telefon klingelt. Er meldet sich und spricht ganz normal mit dem Anrufer, freundlich, von einer Sekunde auf die andere. So macht er auch die Tür auf. Niemand würde dir glauben, wenn du sagst, der Mann habe vor drei Sekunden getobt und seine Frau geschlagen, Geschirr zerdeppert!«
»Bist du sicher, dass er nicht krank ist?«
»Jeremias hat eine Spur Schizophrenes, so könnte man es vielleicht bezeichnen. Angelika sagte, nachdem sie ihn rausgeschmissen hatte, wurde sie systematisch fertiggemacht. Sein Vater war bei ihrem Arbeitgeber, hat sich als Kripobeamter vorgestellt, er suche Angelika wegen Betrugs. Kündigung. Nächster Job. Hier hat er das Gleiche gemacht. Bei ihrem Vermieter hat er geklingelt, behauptet, sie gehe auf den Strich, betreibe das Gewerbe in der Wohnung, sei drogensüchtig. Rausgeflogen. Jeremias ist mit Max in der alten Bude geblieben, der Mietvertrag lief aber auf sie. Der Vermieter hat mit rückwirkendem Datum den Vertrag auf Jeremias umgeschrieben. Der Vater schmiss Angelikas Sachen aus dem Fenster in den Hof, zerrte sie aus der Wohnung, schubste sie die Treppe hinunter. Damit war sie ausgezogen. Sie hatte weder die Kraft noch die Intelligenz sich zu wehren, sie war damals gerade 22 Jahre alt. Das Gleiche hat die Familie bei Gericht und in der Schule mit ihr gemacht. Überall erzählten sie, sie sei eine Schlampe, so überzeugend, dass es jeder glaubte. Angelika wurde das Sorgerecht für Max entzogen und sie konnte sich nirgendwo mehr blicken lassen. Mir drohten sie, mich fertigzumachen. Das haben sie bei mir jedoch nicht probiert. Der Alte weiß, dass ich ihn anzeige und gegen ihn vorgehe. Aber auf meiner wer-kenntwen- Seite sind alle Freunde von einem Unbekannten angeschrieben worden mit ähnlichen Geschichten über mich. Ich nahm mein Profil heraus. Ich bekam komische Anrufe und mein Arbeitgeber erhielt einen anonymen Brief, ich würde ihn betrügen und schwarz nebenher arbeiten. Der Anwalt von Jeremias und seinem Vater beballerte mich mit diversen Schreiben. Ich sollte die geliehene Maklerprovision an den Vater zurückzahlen. Der Vater zahlte damals dem Makler Jeremias’ Anteil, ich übernahm dafür die Mietsicherheit. Habe mich natürlich nicht darauf eingelassen, dem Anwalt nur geschrieben, er möge mir Schriftstücke in Kopie zusenden, aus denen hervorgeht, dass der Vater mir die Provision ausgelegt hatte. Keine Antwort. Daraufhin gab es einen Rechtsstreit in puncto Mietvertrag, danach über den Strom. Zum Schluss drohte er mich wegen Verleumdung anzuzeigen, obwohl ich gar nichts gemacht hatte. Jede Woche passierte etwas anderes! Ich wollte einfach nur noch weg!«
»Das kann ich verstehen.« Laura nahm Carina in den Arm.
»Nach dem Gespräch mit Angelika, die mir ja von Jeremias und seinem Papa als drogenabhängige Nutte dargestellt wurde, bekam ich Angst. Ich hatte ein paarmal mit Moritz telefoniert, er kam her, damit ich nicht allein war. Dann waren wir irgendwie wieder zusammen, als wären wir nie getrennt gewesen. Mein Arbeitsvertrag lief aus, das Haus war sowieso zu teuer und zu groß für mich, die Hälfte der Möbel hatte Jeremias mitgenommen. Es erdrückte mich so leer, verdreckt mit Erinnerungen. Und schon zog ich weg aus München, wollte nur noch vergessen.«
Carina schluckte, konnte die Tränen nicht halten, sie rollten ihr über die Wangen. Laura drückte ihr die Hände.
Der Kellner kam vorbei und Laura bestellte Cocktails.
»Einen Zombie auf den Zombie!« Sie hob ihr Glas, strich mit der anderen Hand Carina über den Arm.
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