1 ...6 7 8 10 11 12 ...17 „Sei nicht traurig“, versuchte sie ihn zu trösten. „Ich möchte, dass du dich auch über mein Glück freuen kannst.“
Er fühlte sich ertappt und wollte das Gespräch auf die Reise, von der er eben zurückgekehrt war und auf seine Berichterstattung beim Pharao bringen. Doch sie hörte ihm nur mit halbem Ohr zu.
„Du musst mir nicht ausweichen“, mahnte sie ihn. „Vor mir brauchst du deine Gefühle nicht zu verstecken. Wir kennen uns doch gut genug. Lass uns immer offen gegeneinander sein.“
Er dankte ihr mit einem Händedruck. Doch dann bat sie ihn selber, von seiner Reise zu erzählen. Vor allem interessierte sie, welche Nachrichten die Unterhändler aus Hattuscha zurückgebracht hatten.
„Ich werde selber noch mit den beiden reden. Ich möchte wissen, was für ein Mensch dieser Suppiluliuma ist. Ich will genau wissen, was in unserem Reich vorgeht und wie wir zu unsern Nachbarn stehen und sie zu uns. Ich fürchte, Amenhotep lässt sich zu sehr vom Sohn des Hapu beeinflussen. Das gefällt mir nicht.“
„Ich denke, dass er sich auf ihn verlassen kann“, versuchte Eje ihre Bedenken zu zerstreuen. „Huy ist ein weiser Mann mit großer Erfahrung. Es gibt kaum ein Gebiet, in dem er sich nicht auskennt. Ich glaube, ihm kann man in der Politik sowohl vertrauen wie in der Theologie. So sicher wie seine Bauten sind, so unfehlbar scheinen auch seine Gedanken und Urteile zu sein.“
„Du magst ja Recht haben“, antwortete Teje. „Du vergisst aber, dass er auch ein großer Magier ist. Das ist mir manchmal unheimlich. Natürlich brauchen wir die Magie, aber zuweilen denke ich, Amenhotep erwarte zu viel davon. Vielleicht steht er zu sehr unter seinem Einfluss.“
Eje konnte ein feines Lächeln nicht unterdrücken. Sie ist reifer als Amenhotep, dachte er. Traut sie seiner Jugend keine eigenen Meinungen zu? Oder ist sie eifersüchtig, weil er mehr auf Huys als auf ihren Rat hört? Auf jeden Fall hatte er schon lange bemerkt, dass sie ehrgeizig war. Und dass sie sich nach Suppiluliuma erkundigt hatte, zeigte ihm, dass sie nicht nur die Rolle als fügsame Gemahlin an der Seite des Pharaos spielen wollte.
„Nein, ich glaube nicht, dass Pharao zu stark unter Huys Einfluss steht“, beruhigte er Teje. „Und wenn es so wäre, würde der Sohn des Hapu seinen Einfluss gewiss nicht missbrauchen. Huy ist nicht ein Mensch, der nur in der Welt der Magie lebt. Als Architekt und Mathematiker ist er auch ein Mensch der Realität, der genau weiß, wann man sich auf das eigene Wissen, den eigenen Verstand verlassen muss und wann es nötig ist, die Magie zu gebrauchen.“
„Ich hoffe, du hast Recht“, sagte sie. Doch es klang ein wenig ungläubig.
Eje sah, dass Teje dem Berater des Königs nicht wohl gesinnt war und am liebsten so wenig wie möglich mit ihm zu tun haben wollte, so dass er nicht weiter darüber mit ihr diskutieren wollte und sich verabschiedete.
„Du bist ein guter Freund“, sagte sie. „Ich brauche dich. Komm, wann immer du willst.“ Und sie hielt ihm die Wange hin. Doch diesmal hielt er Distanz und küsste sie nur auf die Stirne.
Am fünften Tag des Monats Khoiak gebar Teje ihren ersten Sohn. Er erhielt den Namen Thutmes.
Pharaos Reisen in den Süden
Amenhotep freute sich über die Geburt seines Sohnes. Aber ein Pharao hat nicht viel Zeit, um sich seiner Gemahlin und den Kindern zu widmen. Die Staatsgeschäfte nehmen normalerweise viel Zeit in Anspruch. Doch Amenhotep hatte vorzügliche Berater, vor allem den Sohn des Hapu, aber auch ein Heer von bewährten Schreibern, die schon unter seinem Vater gedient hatten. Ihnen konnte er ohne schlechtes Gewissen die Geschäfte anvertrauen. Zudem herrschte Friede, und weder im Norden noch im Süden drohte den Beiden Ländern unmittelbare Gefahr. Auch wusste er seinen Sohn und die kleine Tochter, die bereits gehen gelernt hatte und zu plaudern anfing, bei ihrer Mutter Teje und der Amme in guten Händen. Deshalb benutzte er die Gelegenheit, um zu einer Flussfahrt in den Süden aufzubrechen.
Er hatte Großes vor. Nicht nur wollte er zusammen mit dem Sohn des Hapu die Arbeiten an seinem Grab im Westen von Theben begutachten, er wollte noch weiter in den Süden ziehen in Tejes ursprüngliche Heimat. Dort hatte er vor, zu Ehren seiner Göttlichen Gemahlin einen Tempel zu bauen.
Er ließ auf seiner königlichen Barke alles Notwendige für die Reise vorbereiten. Unentbehrlicher Begleiter, auf den er keinesfalls verzichten wollte, war Amenhotep, der Sohn des Hapu, war er doch der Leiter aller königlichen Bauten.
An einem frühen Morgen, als alles bereit war, gingen sie an Bord, Pharao mit seinen zwei Lieblingshunden und mit seiner Leibwache, Amenhotep, der Sohn des Hapu, Juja und eine ganze Gefolgschaft, darunter Schreiber, Sandalen- und Fächerträger und Diener. Mit dabei war auch Chunes. Er war Oberst unter dem Befehl von Eje und Sohn des Gouverneurs von Wawat. Im weiteren Aku, ein hoher Beamter und Sohn eines nubischen Fürsten. Aku gehörte ehemals den „Kindern des Keb“ an. Er war unter Thutmosis IV. nach Ägypten deportiert und in den Keb aufgenommen worden. Solche Deportationen von nubischen Fürstensöhnen hatten den Zweck, ihre Väter zur Loyalität gegenüber dem Pharao zu zwingen. Keiner der nubischen Fürsten würde es wagen, gegen den Pharao zu rebellieren, wenn ihre Söhne dafür büßen müssten. So war eine relative Ruhe in Nubien gewährleistet. Und solange sich alle loyal verhielten, ging es ihren Söhnen nicht schlecht. Aku und viele andere, die wie er nach der Zeit im Keb in Ägypten blieben, waren der Beweis, dass die Kinder des Keb eine gute, wenn auch strenge Ausbildung genossen, die sie befähigte, später eine Offiziers- oder Beamtenlaufbahn einzuschlagen.
Viel Volk war entlang des Flusses zusammengekommen. Alle wollten die königliche Barke und die beiden Begleitboote vorbeifahren sehen und hofften, einen Blick auf den Pharao werfen zu können.
Nachdem der Steg eingezogen war, hoben die Boote ab. Die Ruderer steuerten die Schiffe, die zuerst noch leicht mit der Strömung mitgetragen wurden, auf die Mitte des Flusses zu, doch dann, durch die kräftigen Ruderschläge und nachdem die Segel gehisst worden waren, auch durch einen leichten Wind, der von Norden aus dem Delta und weiter vom Meer her wehte, vorangetrieben, glitten sie langsam flussaufwärts.
Es war ein großartiges Schauspiel, wie sich die Boote, eines nach dem andern, vom Ufer lösten und in der Mitte des breiten Flusses hintereinander dahinzogen. Von beiden Seiten schallten Jubelrufe. Der Anblick des königlichen Bootes war jedes Mal ein überwältigendes Erlebnis. Besonders von der Ostseite aus, bot sich ein prachtvolles Bild. Der wiedergeborene Re sandte seine Strahlen, die vom Gold, mit dem das Schiff beschlagen war, zurückgeworfen wurden. Pharao, im vollen Ornat stand am Bug und winkte den Menschen am Ufer zu. Erst als sie die Stadt hinter sich gelassen hatten, ging er in die Kajüte, wo ihm die Diener die Perücke und das königliche Gewand abnahmen. Hier an Bord wünschte er, sich freier und leichter bewegen zu können.
Die königliche Barke, gefolgt von den Begleitbooten, steuerte, nachdem sie die Stadt und die Menschen an den Ufern zurückgelassen hatte, von der Mitte des Flusses, wo die Strömung am stärksten war, auf die östliche Seite, um schneller voranzukommen.
Die Fahrt auf dem Nil dauerte zehn Tage. Überall wo die königliche Barke mit den beiden Begleitbooten auftauchte, verbreitete sich die Nachricht in Windeseile, und die Leute strömten am Ufer zusammen. Sie wollten ihren Herrscher sehen und den seltenen Anblick nicht verpassen. Dort, wo die Boote jeweils am Abend anlegten, fielen die Menschen zu Boden, um so, wie es sich gehörte, dem König ihre Ehrerbietung zu erweisen.
In Theben wurden Amenhotep und seine Begleiter vom Wesir des Südens, Ramose, empfangen. Als Wesir war Ramose nicht nur für die Verwaltung von Oberägypten, für die Schatzkammer und die Scheune verantwortlich, ihm oblag auch die Oberaufsicht über den Bau des Königsgrabes.
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