Der Markt ist mit bezahlbaren 4-Jahreszeiten-Zelte nicht übersättigt. Natürlich, wenn man ein grenzenloses Budget hat, steigt auch die Auswahl. Ich testete die Zelte zweier Lieferanten, deren Preise im dreistelligen oberen Mittelfeld angesiedelt waren.
Nebst den oben erwähnten Eigenschaften war für mich das Gewicht und die Einfachheit des Aufbaus ausschlaggebend. Mit Tränen in den Augen retournierte ich das Exemplar von Salewa. Es war eine wunderschöne Behausung, mit einer beeindruckenden Stabilität, ein bezauberndes Design, kurz gesagt, ein Traumhaus. Ohne Handschuhe brauchte ich zwanzig Minuten für den Aufbau. Auf einem Campingplatz ist dies nicht weiter tragisch. Mit dem Bier nebenstehend, während sich in der Grillstätte eine hübsche Glut bildet und die werte Begleitung das Fleisch mariniert. Zieht einem die Kälte um die Ohren, bei jedem Schritt versinkt man eine Stiefelhöhe tief im Boden und das prächtige Weiss von oben bedeckt langsam die Ausrüstung, sind 20 Minuten eine entsetzlich lange Zeit. Das Marmot Miwok 2P wird nie einen Schönheitspreis gewinnen. Das muss es auch nicht. Innert vier Minuten stand es zum Einzug bereit. Aufgebaut mit Handschuhen.
Was noch fehlte waren die Schneeheringe. Etwas breiter, etwas länger. In betörendem rot gehalten und so leicht, dass man sie aufgrund ihres Gewichts mit geschlossenen Augen nicht von einer Gänsefeder unterscheiden könnte.
Rückblickend hätte ich mir besser einen 410er-Firstnagel zugelegt, aber dies sind die Erfahrungen, welche den Reiz des Abenteuers ausmachen. Zwölf Stück von diesem wertvollen Utensil trug ich mit. So konnte ich auch die letzte Schlaufe und Leine im Boden verankern.
Verpackt habe ich sie in zwei Bündel à 6 Stück, gehalten von einem Klettband, welches ich an einem Hering befestigte. Ich habe begonnen stets einige Klettverschlüsse mitzuführen. Sie sind universell einsetzbar, man muss nichts verknoten und nicht mit starren Fingern kleine Schlaufen durch passgenaue Laschen ziehen. Wobei ich einräumen möchte, man kann es mit dem Verstauen auch übertreiben. Irgendwann kommt der Punkt, an welchem man einfach alles oben in den Rucksack stopft. Sei es, weil einem der Schnee in den Nacken fällt oder man langsam am Boden anfriert, bisweilen muss es einfach schnell gehen.
Als nächstes musste in neuer Schlafsack her. Einer, welcher den Temperaturen gewachsen war. Wir dürfen nicht vergessen, es ist nicht nur eine Frage des Komforts. Irgendwie haben die meisten von uns auch das Ziel, morgens wieder aufzuwachen. Bisher sträubte ich mich stets etwas gegen Daunenschlafsäcke. Dem Reiz, eine tote, nasse Gans durch die Landschaft zu tragen konnte ich nichts abgewinnen.
Nun ist es jedoch so, dass man bei den Temperaturen in der Nähe des Polarkreises um das abgelegte Federkleid der lieben Gans nicht herumkommt.
Ich nehme euch gleich die Illusion, anhand der Werte den perfekten Schlafsack finden zu wollen. Es ist ein Ratgeber, im Endeffekt muss man die Erfahrung selber machen. Das Gute daran, ihr macht die Erfahrung einmal, danach wisst ihr, wie ihr euer Outdoor-Schlafzimmer ausstattet.
Der Händler eures Vertrauens wird euch, unauffällig auf das Preisschild schielend, vielleicht folgende Temperaturen an den Kopf werfen. Den Komfortbereich (T-comf), den unteren Grenzbereich (T-lim) und den extremen Bereich (T-ext). Wenn er sich ganz wichtig machen will, führt er noch den oberen Grenzbereich (T-max) ins Feld, welcher in etwa so relevant ist, wie die Farbe des Verpackungsbeutels. T-max vermittelt die unverzichtbare Information, wann der normale Mensch zu schwitzen beginnt. Also dieser normale Mensch, welcher einfach den Reissverschluss auf zippt, wenn es im Schlafsack zu warm wird.
Der T-comf gibt den Wert an, bei welchem die normale Frau nicht friert und komfortabel die Nacht verbringt. Bevor nun die Genderbewegung dieses Teufelsbuch verbrannt; Dies ist nichts sexistisches, man braucht nun mal einen Referenzwert und darauf bezieht sich diese Norm. Sprich 25 Jahre, 60 Kilogramm und 160 Zentimeter Körpergrösse. Beim Mann sind es übrigens 25 Jahre, 70 Kilogramm und 173 Zentimeter Körperlänge. Doch beim Mann stossen solche Normwerte für gewöhnlich nicht auf mediales Echo, irgendwie verkraften Männer auch die Duschgel-Werbung mit dem muskelbepackten Frauentraum besser.
Was das Frieren anbelangt, dies ist nicht etwa eine Schwäche der Frau, man beachte zum Beispiel englische Teens während dem Feiern im Freien. Halbnackt bei Unternull. Für die übrigen Vertreter des Homo Sapiens gilt der Fakt, dass der weibliche Körper naturgemäss etwas weniger Muskeln und mehr Fett als der männliche Körper aufweist. Nun ist es so, dass Fett wohl ein wenig isoliert, allerdings kann es keine Wärme erzeugen. Dies können nur Muskeln. Wir kennen dies vom umgangssprachlichen Bibbern. Kleine Muskelkontraktionen versuchen Wärme zur erzeugen. Das Zittern ist die letzte Reaktion des Körpers auf Kälte. In erster Linie haben wir die Gänsehaut, ein Urreflex, welcher das Ziel hat, das Fell aufzustellen und eine Isolationsschicht zu bilden. Nur haben wir nicht mehr allzu viel Fell. Deshalb beginnt der Körper die Muskeln um die Blutgefässe zu bewegen. Er schmeisst unsere Extremitäten wie Hände und Füsse der Kälte zum Frass vor, reduziert die Durchblutung und schützt die inneren Organe sowie das Rückenmark. Zudem stellt er die Schweissproduktion ein. Die sommerliche Kühlung ist hier nicht von Nöten. Erst nach diesem Prozess beginnen wir wirklich zu zittern.
Zurück zum Schlafsack. Relevant sollte der Komfortwert sein. Dieser "garantiert" eine angenehme Nacht. Beim T-lim schläft der Mann gerade noch irgendwie, beim T-ext geht es um das nackte Überleben. Hätte ich dieses Buch mal früher gelesen.
Ich entschied mich für einen Mumienschlafsack von Nordisk, T-comf -4 Grad, T-lim -10 Grad und T-ext -30 Grad. Empfohlen für eine Körpergrösse von 185 Zentimeter. So gern man sich auch im Schlafsack bewegt, hier sollte man nicht zu grosszügig sein. Jeder Freiraum im Schlafsack will erwärmt werden. Von Mumienschlafsäcken bin ich gar kein Freund. So eingezwängt schlafe ich sehr schlecht. Zieht man erst noch die Kapuze zusammen, geht auch der letzte Komfort flöten. Aber es sagte ja niemand, dass dies hier ein Club-Urlaub werden würde.
Schlafsack, Zelt, was braucht man noch?
Wäre ich nicht vorgängig in Finnland gewesen, hätte ich wohl eine schwere Daunenjacke hochgeschleppt. Ich baute auf eine leichte Jacke mit Windstopp-Eigenschaft und intelligent verteilter Isolierung. Ist ein Drittel so dick und halb so schwer wie die Bekleidung, welche mancher Büroangestellter für die 5 Minuten Wartezeit an der Bushaltestelle trägt. Des weiteren musste für die Dekoration der Kapuze auch kein Nerz sein Fell lassen.
Für das Beinkleid fiel die Wahl auf eine Gore-Tex-Hose. Also Power-Tex, wie das bei Salewa heisst, doch im Aufbauprinzip dasselbe. Theoretisch geht die Feuchtigkeit raus, das Wasser bleibt trotzdem draussen. Windstopper, dies ist schon noch wichtig. Eine Dura-Stretch-Hose. Liegt doch ziemlich eng an. Mag seltsam anmuten, wenn man dies in etwa mit Skihosen vergleicht, welche doch schon sehr flauschig isoliert sind. Doch sobald man sich bewegt, weiss man es zu schätzen. Der Schweiss wird sofort nach aussen geleitet, ja, man öffnet sogar die seitliche Belüftung, dann trennt einem nur noch ein feines Netz von der Umwelt.
Die Temperaturen variierten von -5 bis -20 Grad. Die genaue Messung schenkte ich mir. Meine Armbanduhr, welche mich diesbezüglich hätte informieren können, war am Handgelenk, was die Temperaturmessung dann doch ein wenig verfälschte.
Obwohl die Hosen über einen Steigeisen- und Schneeschuhbeständigen Abschluss verfügten, wollte ich nicht auf die Schneegamaschen verzichten. Diese schützen nicht nur das Beinkleid vor Beschädigungen und das Schuhwerk vor eintretender Nässe, sie haben durchaus auch eine isolierende Eigenschaft. So isolierend, wie ein Plastikbeutel um die Füsse eben ist. Nach diversen Schichten Imprägnierung scheint mir der Vergleich durchaus angemessen.
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