Ein Roman von Hiroki Jäger
© dead soft verlag, Mettingen 2020
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Cover: Irene Repp
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1. Auflage
ISBN 978-3-96089-403-2
ISBN 978-3-96089-404-9 (epub)
Er kann sie alle haben – und das weiß er auch.
Als Tänzer und Sänger des Hamburger Clubs ‚MakeMeMoan‘ gibt Aleksei vor, das Singleleben und seinen Ruf des unnahbaren Herzensbrechers zu genießen.
Erst mit Serik, dem neuen Security des Clubs, trifft Aleksei auf einen Mann, an dem sein Charme abzuprallen scheint.
Serik ist ernst und distanziert. Trotzdem geht er Aleksei unter die Haut, der zum ersten Mal ernsthaftes Interesse an jemandem hat.
Mit der Zeit steht jedoch nicht nur Alekseis Herz auf dem Spiel. Auch Seriks Seele hat Narben, die sich bemerkbar machen, je näher sich die beiden kommen.
Aleksei
Joseph seufzt wohlig meinen Namen und rollt sich von mir herunter. »Das, was ich über dich gehört habe, war eine absolute Untertreibung.« Der Typ schnauft, als würde er gleich einen Herzinfarkt bekommen, während ich neben ihm liege und mich frage, wann er endlich gehen wird.
»Ach ja?« Die Haare zwirbele ich mir um die Fingerspitze, ehe ich sie mir hinter das Ohr lege. Auf einer Skala von eins bis zehn war sein erbärmlicher Versuch, mich zum Höhepunkt zu bringen, eine Eins. Er hat andauernd gefragt, ob ich komme, bis ich gar nicht mehr abschalten konnte. Dazu der penetrante Alkohol-Mundgeruch und mir wurde der letzte Spaß geraubt.
»Du bist so schön«, brummt er, rückt an mich heran und küsst meine Schultern. Sein Bart kratzt über gereizte Haut und ich verziehe das Gesicht.
»Ich kann es kaum glauben. Deine Augen sind wie geschmolzene Milchschokolade und deine Haare sind so hell und weich. Ich habe noch niemanden gesehen, der an dich rankommt, du bist so … Wow. Kein Wunder, dass ich dich nie vergessen konnte.«
Was redet der da?
Anstatt aufzustehen, kuschelt er sich an mich und bereitet mir damit eine eisige Gänsehaut. Ich rümpfe die Nase und schiebe ihn von mir weg. Was will der denn jetzt? Sehe ich so aus, als wäre ich im Kuschelmodus? Auf keinen Fall. Der soll sich bloß verziehen. Das sage ich ihm vielleicht ein wenig zu deutlich.
»Nimm deinen Muskelarsch und verpiss dich.«
»Was? Was ist los?« Sein Brustkorb bebt, während er nach Luft schnappt. Aus seinen hellen Augen starrt er mich entsetzt an.
Ich trete die Decke vom Bett herunter und stehe auf. Auf dem Boden liegen noch die Klamotten, die wir uns vor wenigen Minuten wild vom Körper gerissen haben. Ich beachte sie nicht weiter, gehe zur Tür hinüber und ziehe diese auf.
»Na los, verschwinde!«
Das Licht des Clubs lässt mein Zimmer in bunten Farben flackern. Der Typ ist grün, rot und blau, ehe er merkt, dass ich es ernst meine. Jede Sekunde, in der er nur starrt, fühlt sich an wie eine halbe Ewigkeit. Beim Aufspringen reißt er meine Pflanzen vom Fensterbrett herunter.
»Also haben alle recht?«, schreit er. »Du bist so eingebildet, dabei hast du neben deinem Aussehen gar nichts. Nur ein hübsches Gesicht für einen verdorbenen Charakter!« Er fischt sich seine Hose von der umgekippten Gitarre.
Was denkt er sich dabei? Erst demoliert er meine geliebten Pflanzen und nun präsentiert er mir sein wahres Gesicht? Mir wird flau im Magen, trotzdem starre ich ihm direkt in die Augen, in denen es zu brodeln scheint, und beiße die Zähne zusammen.
»Es war ein Fehler, den Männern nicht zu glauben, die mich vor dir gewarnt haben«, sagt er und zieht sich das Hemd über seinen Sixpack.
»Und?« Mit erhobener Augenbraue verschränke ich die Arme vor der Brust. »Was hast du erwartet?« Meine Mundwinkel zucken, während ich mir ein lautes Lachen verkneife. »Ich wollte geilen Sex und den habe ich nicht bekommen. Was soll ich jetzt machen? Das noch mal ertragen? Wofür? Eine weitere grottige Erfahrun…«
»Schlampe!« Er stampft auf mich zu, aber ich weiche nicht zurück. Näher und noch näher. Mir prallt sein Alkoholgeruch ins Gesicht, was mich schwer schlucken lässt. Widerlich.
Die Hand wirft er in die Luft und ich kann nicht mehr ausweichen, stoße mit der Schulter gegen die Wand und kriege eine Backpfeife ab. Autsch. Die hat gesessen. Meine Wange brennt und kribbelt, während mir die Tränen in die Augen schießen.
Spinnt der?
Er bemängelt meine Oberflächlichkeit, aber bei sich legt er ebenso viel Wert auf sein Erscheinungsbild. Er hat Bräunungscreme am Hemdkragen und so viel Gel in den Haaren, damit selbst jetzt noch jede Haarsträhne perfekt in Form liegt. Allerdings sieht er nur aus wie eine billige Kopie des verführerischen Gotts des Donners: Thor. Ja, ich mag kraftstrotzende Männer, nur haben diese öfter den Drang, ihre Muskeln zu zeigen und ihre Fäuste sprechen zu lassen.
»Tschüss, Süßer«, zische ich.
Ausgiebig betrachtet Joseph mich. Seine Blicke gleiten an mir hoch und herunter, ehe sie an meinen Lippen hängen bleiben. Seinen Mund presst er zu einer harten Linie zusammen, was mir unangenehmes Herzrasen bereitet.
»Warum bist du nur so ein eingebildetes Stück Scheiße? Spiel nicht schwer zu haben. Du willst mich doch. Ich weiß das.« Seine Blicke scheinen mich in eine Ecke drängen zu wollen. Ebenso wie seine Haltung. Er will mich berühren, mich an der Wand einkesseln, aber ich hebe die Hand schützend hoch.
Es ist eindeutig, dass er mich begehrt und dennoch hasst. Kann ich es ihm verübeln? Nein. Ich weiß, wie ich auf Männer wirke. Es ist die milchweiße nackte Haut, die schemenhaft von den Partylichtern beleuchtet wird und mein Engelsgesicht. Außerdem habe ich beeindruckende, dunkle Augen, und Lippen, von denen jeder gerne kosten würde.
Zumindest höre ich das andauernd. Diese Beschreibungen und dass ich zu schön bin, um wahr zu sein. Es beschert mir Sexpartner und Orgasmen. Meistens jedenfalls.
»Ist noch etwas?«, frage ich und tippe mit dem Fuß auf der Stelle. »Ich frier mir meinen Arsch ab, wenn du dich nicht endlich verziehst.« Wie lange will der in meiner Zimmertür stehen?
Josephs Atem bringt mein Gesicht zum Kribbeln. Den Mund öffnet er leicht, als ob er mich küssen will, doch ich weiche zurück. Die Faust landet neben mir im Türrahmen und ich zucke zusammen. Mein Nacken prickelt und mein Magen rumort nun lautstark. Der soll bloß nicht auf die Idee kommen, mich mit Gewalt willig zu machen! Wenn er aufdringlich wird, ziehe ich ihm meine Gitarre über den Kopf. Das heißt, wenn ich aus meiner Schockstarre erwache. Ich halte die Luft an und kralle die Finger in meine Ellenbogen, als er die geballten Hände hebt und kraftlos wieder fallen lässt.
»Ich dachte, du wärst anders«, flüstert er und streichelt mir mit dem Rücken des Zeigefingers über die Wange. »Alle sagen, du frisst jeden Mann lieblos und servierst ihn danach ab. Aber vorhin, da hast du mich angesehen, als wärst du so allein auf der Welt. Ich wollte dir die Einsamkeit nehmen.«
»Das hast du aber nicht, tut mir leid.«
Will er einziehen? Soll ich in der Zwischenzeit den Mietvertrag aufsetzen? Das nächste Mal schnappe ich mir keinen, der derart stolz auf sein Gemächt ist. Joseph hat mir direkt seine Umrisse in der engen Hose präsentiert und ich war neugierig. Das war ein überaus überzeugendes Argument für Sex. Okay, ich muss zugeben, es war auch erregend, wie er mich angestarrt hat und manchmal denke ich, dass es da mehr gibt, das ich gerne hätte, nur …
Es ist lächerlich, Glück bei Sexpartnern zu suchen, trotzdem glaube ich, kurz davor zu sein, es zu finden. Wozu sollten sonst die ganzen One-Night-Stands gut sein? Verschwende ich am Ende noch meine Zeit?
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