Das halbe Gebäude brannte, ebenso zwei parkende Autos auf der Straße.
Die Explosion hatte ein riesiges Loch in die Fassade gerissen, die Bruchstücke über die ganze Straße verteilt.
Chris musste scharf bremsen, um nicht die Vorderachse zu riskieren.
„Mach Meldung!“ rief er, während er hinausstürzte.
Douglas nahm das Funkgerät. „19 an Zentrale!“
„Zentrale!“, meldete sich eine freundliche Frauenstimme.
„Explosion in der Madison Street. Sieht böse aus. Wir brauchen Verstärkung!“
Chris hastete über die Trümmer, versuchte nicht von den Flammen erfasst zu werden.
Und dann sah er sie.
Wieder furchtbar zugerichtet. Ohne Wirbelsäule. Die Leiche eines Mannes in mittlerem Alter.
Der bestialische Gestank von verbranntem Fleisch lag in der Luft.
Sofort machte er kehrt, hechtete zurück zum Wagen.
„Bestehen Anzeichen dafür, dass er es ist?“, fragte die freundliche Stimme aus dem Lautsprecher in einem sehr bestimmten Ton.
Douglas blickte Chris an.
Dieser nickte.
„Ja, er ist es. Ich wiederhole: Er ist es !“ Douglas nahm den Finger vom Sendeknopf. „Gottverdammte Scheiße!“
Nach einer Sekunde meldete sich die Zentrale wieder. „19. Hier Zentrale. Bleiben sie vor Ort. Weitere Einheiten sind verständigt. Die Nationalgarde und die Army sind auf dem Weg. Ich wiederhole: Bleiben sie vor Ort. Unternehmen sie nichts! “
Douglas grinste breit. „Verstanden Zentrale. Over!“ Er blickte Chris erleichtert an. „Wir sollen hier warten!“
„Gott, wir waren noch nie so nahe dran. Wir müssen...!“
„Wir müssen Garnichts. Wir haben unseren Befehl!“
Im selben Moment ertönte etwa fünfzig Meter weiter der furchtbare Schrei einer Frau.
Chris und Douglas schauten instinktiv in diese Richtung.
Und sie konnten deutlich die Silhouette eines Menschen erkennen, der über einen anderen herfiel.
„Also…!“ sagte Chris. „Komm schon!“ Er rannte los, ohne auf die Antwort seines Partners zu warten.
Douglas war für einen Moment wie gelähmt. Dann wurde er sauer. „Ach Scheiße!“ Wütend warf er das Funkgerät gegen die Konsole. Dann riss er die Tür auf und rannte los, so schnell er konnte.
Gott war wirklich nicht sein bester Freund. Ganz sicher nicht.
Beinahe im Hechtverfahren stürmte er über die Trümmer, achtete nicht auf die gewaltige Hitze, die ihm die Haut versengte und ihm den Schweiß auf sein Gesicht trieb.
Chris war kaum draußen aus der Flammenhölle, als er merkte, dass sein Jackett brannte.
Ohne seinen Lauf zu verlangsamen, riss er es sich vom Leib und griff fast gleichzeitig nach seiner Beretta.
Einen Sekundenbruchteil brauchten seine Augen, um sich wieder an die Dunkelheit zu gewöhnen, dann hatte er die Gestalt ausgemacht.
Die junge Frau stand mit dem Rücken zu der Bestie in Menschengestalt, schrie furchtbar, blickte flehend. Doch der eisenharte Würgegriff der Bestie war erbarmungslos.
Ihre rechte Hand schob sich in den Rücken der jungen Frau, zerriss ihr Kleid.
Chris wusste, er musste schnell handeln.
„Stehenbleiben!“ schrie er und feuerte ohne zu zögern einen Schuss ab.
Das Geschoß traf die Bestie in die linke Schulter, zerfetzte Fleisch.
Ein widerlicher Aufschrei war zu hören. Der Mann strauchelte kurz und sein Blick schoss nach vorn, wo Chris mit seiner Waffe stand und sie auf ihn richtete.
„Wagen sie es ja nicht!“ sagte Chris und wusste doch, wie lächerlich diese Drohung war. Die junge Frau stand direkt vor ihm, verdeckte den Kerl fast vollständig.
Denn was immer sich Chris auch unter der Bestie vorgestellt hatte, es stimmte nicht.
Sie war weder mächtig, noch furchtbar anzuschauen.
Es war ein alter Mann, nur mittelgroß. Er hatte ein eigentlich harmloses Gesicht.
Nichts an ihm war so, wie Chris es sich vorgestellt hatte.
Es schien unglaublich, dass dieser Durchschnittsbürger der Henker des Teufels sein sollte.
Und für einen Moment fragte sich Chris ernsthaft, ob dieser Mann wirklich die Bestie war und nicht vielleicht nur ein Irrer, der in ihrem Kielwasser agierte.
Doch dann sah er die Augen des Mannes.
Blutrot. Funkelnd. Widerlich. Bösartig.
Fast gleichzeitig löste sich ein gewaltiger, tiefer, grollender Schrei aus der Kehle des Mannes.
Als sich ihre Augen dann wieder trafen, bemerkte Chris, dass der Mann grinste.
Augenblicklich drückte er die Frau fester, sodass sie nur noch gurgelnde Geräusche von sich geben konnte.
Ihr Blick auf Chris war nackte Angst und sie streckte hilfesuchend ihre Arme nach ihm aus.
Doch das war das Letzte, was sie tat, denn im selben Moment bohrte sich die rechte Hand des Mannes in ihren Rücken.
Blut schoss in dicken Fäden aus ihrem Mund, floss auf ihr Kleid.
Dann griff der Mann zu und riss ihr mit unbändiger Wucht die Wirbelsäule aus dem Leib.
Das furchtbare Krachen von Knochen war zu hören, das Chris durch Mark und Bein ging.
Fassungslos musste er mit ansehen, wie die Frau, wie ein Kleidungsstück in sich zusammenfiel und zu Boden klatschte.
Chris hatte Mühe, sich auf den Beinen zu halten. Das war fast mehr, als er ertragen konnte.
Wieder ertönte ein Schrei aus der Kehle des Mannes, diesmal leise und irgendwie zufrieden.
Chris zwang sich, zu ihm zu schauen.
In der rechten Hand hielt er die blutige Wirbelsäule, führte sie zu seinem Mund und eine lange, dicke, klebrige Zunge, die an der Spitze geteilt war, leckte über die Knochen.
Dabei grinste der Mann.
Und da wusste Chris endgültig, dass er keinem Irren erlegen war.
Vor ihm stand der Henker des Teufels.
Obwohl Chris sich fragte, ob es nicht sogar der Teufel persönlich war.
Und im selben Moment entlud er das gesamte Magazin seiner Waffe in den Körper der Bestie.
Douglas hörte die Schüsse.
Erst nur einen, wenig später ein ganzes Stakkato.
Und er verfluchte sein Alter.
Douglas rannte, so schnell er konnte, doch im Gegensatz zu Chris traute er sich nicht durch die Flammen.
So musste er einen Umweg nehmen.
Er hoffte inständig, er würde noch rechtzeitig da sein.
Jede Kugel traf, drang tief in den Körper ein und riss klaffende Wunden, brachte die Bestie zum Schwanken.
Aber nicht zu Boden.
Im Gegenteil. Mit jedem Schuss kam das Monstrum näher. Schritt für Schritt.
„Gottverdammt!“ schrie Chris. „Stirb endlich!“
Doch es starb nicht.
Und als das Magazin leer war, sah sich Chris der Bestie in Armlänge gegenüber.
Im selben Moment krachte die rechte Hand des Monstrums mit unbändiger Wucht in sein Gesicht.
Mann, er hatte gar nicht gewusst, wie lang fünfzig Meter sein konnten.
Ziemlich außer Atem erreichte Douglas wieder die Straße und erkannte sofort, dass er keine Zeit zum Verschnaufen hatte.
Ein Mann, etwas kleiner als Chris, stand vor seinem Partner und verpasste ihm einen knallharten Handrückenschlag. Wie ein nasser Sack krachte Chris zu Boden, schrie kurz auf.
Und Douglas nahm seine Beine in die Hand.
Herrgott, der Kerl sah weiß Gott nicht stark aus.
Aber dieser Schlag war schlimmer als ein Vorschlaghammer.
Chris konnte sich nicht wehren.
Seine Beretta hielt er immer noch fest in der Hand, als er zu Boden schlug und sich den Hinterkopf fürchterlich aufschlug.
Er musste schreien.
Als er seine Augen wieder aufschlug, sah er die Bestie über sich. Er konnte den üblen Atem riechen, wieder tief in ihre Augen blicken.
Aber er konnte sich nicht wehren.
Selbst als die Bestie sein Hemd griff und ihn zurück auf die Füße wuchtete, tat er keine Gegenwehr.
Er dachte sich nur, dass es vielleicht doch besser gewesen wäre, auf das Militär zu warten.
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