Doch die zweite Nachricht erschütterte ihn sichtlich.
Sein Vater wollte zu dem Sterbenden eilen, um ihn nochmals lebend zu sehen. Dabei kam sein Auto von der Straße ab, überschlug sich.
Sein Vater starb noch an der Unfallstelle, jede Rettung kam zu spät. So nahm sein Opa seinen Vater mit ins Grab.
Der Verlust seines Vaters traf Chris knüppelhart und er weinte viele bitterliche Tränen. Für seinen Opa empfand er nur Hass. Nur seinetwegen hatte er nun keinen Vater mehr.
Und es dauerte eine ganze Zeit, bis er den Schmerz überwunden hatte.
Doch dann beschloss er, seinem Vater nicht mehr nachzutrauern, sondern ihn in seinem Herzen zu bewahren.
Mit dieser Einstellung konnte er leben.
Und sich wieder seiner Arbeit und den Frauen widmen.
Douglas und er erhielten einige Auszeichnungen für hervorragende Leistungen im Dienst.
Sie waren überall hoch angesehen, hatten in den eigenen Reihen jedoch nur wenige Neider. Mit ihrer ehrlichen, aber konsequenten Art, hatten sie sich den Respekt vieler Menschen erworben.
Ihren Gegnern auf der illegalen Seite des Lebens machten sie dieses dort verdammt schwer - und auch ihrem Captain, denn manchmal war es eben erforderlich, die Dienstvorschriften gewaltig zu strecken oder auch mal ganz außer Acht zu lassen.
Das brachte ihrem Chef viel Kopfzerbrechen und Schweißausbrüche, er stellte sich jedoch immer wieder schützend vor sie, weil er wusste, warum sie es taten.
Feinde hatten die zwei mehr als genug. Die meisten von ihnen saßen hinter Gittern, doch diejenigen, die auf freiem Fuß waren, machten ihnen öfter das Leben schwer. So hatten beide deutliche Spuren von hinterhältigen Tötungsversuchen ihrer Widersacher am Körper. Nur ihrer hervorragenden Ausbildung hatten sie es zu verdanken, noch am Leben zu sein.
So konnte sie nichts mehr erschüttern, denn sie hatten bereits alles durchgemacht - dachten sie.
Doch im Leben eines jeden Polizisten gibt es irgendwann den Moment, in dem man eine Sache ganz persönlich nimmt.
Und das Leben hatte für sie etwas bereitgestellt. Etwas Furchtbares!
Als die erste grausam zugerichtete Leiche einer jungen Frau, der man offensichtlich die Wirbelsäule aus dem Leib gerissen hatte, gefunden wurde, war für sie dieser Moment gekommen.
Alles deutete zwar zunächst nur auf die Tat eines geistig verwirrten Verehrers hin, doch Chris und Douglas wollten dieser Lösung nicht recht Glauben schenken. Als dann wenig später weitere Opfer gefunden wurden, die gleichermaßen furchtbar zugerichtet waren, bestätigte sich ihr Verdacht.
Dies war kein geistig verwirrter Mensch, dies war ein brandgefährlicher Psychopath, der auf die schlimmste Art seine Opfer verstümmelte, die New York je gesehen hatte. Die Polizisten der ganzen Stadt wurden in die Ermittlungen miteinbezogen. Ebenso die Nationalgarde, sowie Spezialeinheiten der Army und des FBI.
Es war die größte Jagd, die jemals auf einen Menschen veranstaltet wurde. Doch obwohl die Opfer nur in New York gefunden wurden, der Täter also nur im Stadtgebiet agierte, war die Jagd auf ihn unendlich schwierig.
Es gab bei jedem neuen Opfer nicht die geringste Beziehung zu den anderen. Egal ob Mann oder Frau, alt oder jung, schwarz oder weiß. Es traf jeden. Ob in der Nacht oder am helllichten Tag. Nichts und niemand konnte ihn aufhalten.
Als nach einiger Zeit die Wirbelsäulen der ersten Opfer gefunden wurden, stellte man fest, dass ihnen das Knochenmark fehlte.
Niemand konnte sich das erklären und als die Bevölkerung davon informiert wurde, herrschte pures Entsetzen.
Nackte Angst herrschte über der riesigen Metropole. Und die Angst bekam einen Namen:
Henker des Teufels!
Als Douglas zum ersten Mal eines der Opfer mit eigenen Augen sah, wurde ihm schlecht.
Er hatte in seinem Leben schon literweise Blut spritzen sehen, hatte auch schon Eingeweide aus Körpern quillen sehen. Und er hatte schon einigen wenigen Menschen in Notwehr die Köpfe zerschossen.
Aber der Anblick dieses jungen Mannes und der furchtbaren Wunde brachte ihn sichtlich aus seiner sonst so konsequenten Ruhe.
Hier war kein Mensch am Werk gewesen. Hier hatte eine Bestie gewütet!
Grausamer, als man sich dies vorstellen konnte.
Nichts war diesem Monstrum in Menschengestalt heilig.
Er richtete seine Opfer bestialisch und machte sich offensichtlich nicht mal die Mühe, sie vorher zu töten.
Dieses Tier riss ihnen bei lebendigem Leib die Wirbelsäule aus dem Körper.
Douglas war sichtlich mit den Nerven runter.
Hier war etwas geschehen, das seiner Vorstellung vom Leben widersprach.
Etwas, das er nicht akzeptieren konnte.
Ein unbändiger Hass bildete sich in ihm - und Angst.
Es durfte kein weiteres Opfer geben, die Bestie musste gestoppt werden. Egal wie.
Der Polizist in ihm wusste, dass er alles tun musste, um ein weiteres Opfer zu verhindern.
Aber Douglas war auch ein Mensch mit Frau und Kindern.
Und deshalb hatte er Angst.
Schon so viele seiner Kollegen hatten die Jagd nach ihm aufgenommen und einige hatten dabei ihr Leben lassen müssen. Es war ihr Job gewesen, sie starben pflichtbewusst bei seiner Ausübung. Und sie starben grausam.
Douglas wollte noch nicht sterben, doch das hatte ihn bei seiner Arbeit nie gestört.
Er wusste, er war besser, als all die Verbrecher da draußen.
Aber hier versagte sein Selbstbewusstsein.
Irgendwo tief in sich, fragte er sich, ob dieses Monstrum überhaupt zu stoppen war.
Hatten sie es hier mit etwas zu tun, was nicht zu besiegen war?
War es Gottes Wille und Gottes Gesetz?
Er wusste es nicht. Er wusste nur, dass er dieser Bestie nie begegnen wollte.
Die Tatsache, dass sie nicht mit dem Fall betraut waren, weil sich die Army und die Nationalgarde der Sache angenommen hatten und die Polizei nur als lnformationssammler eingesetzt wurde, tröstete ihn dabei nur wenig.
Wenn sie ihren Job vernünftig ausführten, das wusste er, würden sie zwangsläufig sehr nahe an ihn herankommen.
Dazu waren sie einfach zu gut, um ihn nicht aufzuspüren.
Zum ersten Mal in seinem Leben hasste er seinen Job und wünschte sich zu Hause bei seiner Familie.
Zum ersten Mal in seinem Leben wünschte er sich, kein Polizist mehr zu sein.
Doch er wusste, er konnte sich seiner Verantwortung nicht entziehen.
Er war es den Bürgern dieser Stadt, seiner Stadt , wie er New York immer liebevoll nannte, einfach schuldig, seine Pflicht zu erfüllen.
Denn sie erwarteten es von ihm.
Dennoch hatte er furchtbare Angst und er wünschte sich, dass sie dieses Mal nicht im richtigen Moment am richtigen Ort sein würden.
Er betete dafür.
Denn er hatte keine Angst vor dem Tode, hatte sie nie gehabt.
Aber er wollte niemals so sterben.
Als Chris zum ersten Mal eines der Opfer mit eigenen Augen sah, wusste er nicht, ob er heulen oder kotzen sollte.
So verkniff er sich Ersteres und tat Letzteres ausgiebig.
Obwohl er bereits Fotos von den Opfern gesehen hatte, war der wirkliche Anblick dieses blutigen Fleischberges weit schlimmer, als er sich das vorgestellt hatte.
Herr Jesus, welche Macht war hier am Werk gewesen?
Was musste mit einem Menschen geschehen, dass er fähig war, eine solche Bluttat zu begehen?
Nein, nicht Mensch.
Soviel hatte Chris bereits herausgefunden. Was immer sich auch in den Straßen New Yorks versteckte, es war kein Mensch.
Etwas in Menschengestalt, aber ganz sicher kein Mensch.
Nachdem er seinen Magen vollständig entleert hatte, ging es ihm etwas besser.
Er konnte wieder klar denken.
Und er spürte Hass in sich.
Dieses Monstrum musste gestoppt werden. Sofort!
Und sie waren die Richtigen dafür. Egal, ob sie nur Handlanger für das Militär oder die Nationalgarde sein sollten.
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