Sekunden der Ruhe.
„Ich hab ihn!“ schrie Will. „Ich hab ihn erwischt!“
Der Doc blinzelte John an, dann trat er langsam auf den immer noch vernebelten Eingang in den Zellentrakt zu.
Er hatte ihn fast erreicht, als im Inneren des Korridors ein furchtbarer, gequälter Schrei zu hören war.
Goldstein verharrte in seiner Bewegung, lauschte, hoffte, dass Will gleich wieder irgendetwas sagen würde.
Stattdessen kam wieder das bösartige, tiefe Brüllen aus dem Zellengang und Augenblicke später wurde der Doc von einem großen, schwarzen Etwas, das aus dem Nebel hervorschoss, zu Boden gerissen.
Er schrie erbärmlich, als er auf den Fußboden schlug und darunter begraben wurde.
Unter Gurgelgeräuschen versuchte er sich aufzurappeln, drehte dabei das Etwas um seine eigene Achse und musste entsetzt erkennen, dass es die furchtbar zugerichtete Leiche von Will war.
Im selben Moment ergoss sich ein Schwall Blut aus dem tiefen Loch, das einmal sein Mund gewesen war, in sein Gesicht.
Goldstein schrie erbärmlich, fast irrsinnig. Wild fuchtelte er mit dem Armen und schaffte es schließlich, sich unter Will hervorzuziehen.
Panisch vor Angst wischte er mit seinem Arm über sein Gesicht, um das Blut wieder los zu werden.
Ihm wurde schlagartig übel und er übergab sich sekundenbruchteile später an Ort und Stelle.
Er hustete, wischte sich erneut über den Mund.
Hilfesuchend blickte er zu John, doch der stand völlig steif hinter dem Überwachungspult und weinte immer noch.
Goldstein hatte genug. Er konnte nicht mehr. Er würde jetzt seine Beine in die Hände nehmen und laufen, was das Zeug hielt. Was immer hier noch passieren würde, es war ihm scheißegal.
Er wollte und musste hier raus.
Bevor er unwiderruflich den Verstand verlieren würde.
Goldstein verlor nicht seinen Verstand.
Er verlor sein Leben!
Als die mächtige Gestalt aus dem vernebelten Zellengang hervor spritzte und sich hinter ihn stellte, hatte er seinen Fluchtgedanken gerade zu Ende gefasst.
Ein seltsam zischelndes Geräusch und schwerer Atem in seinem Nacken hielten ihn zurück.
Panisch drehte er sich um.
Als er die monströse Kreatur entdeckte, versuchte er zu schreien, doch dazu kam er nicht.
Die rechte Pranke des Monsters mit ihren messerscharfen, langen Krallen schoss in seinen Rücken, rechts und links neben der Wirbelsäule, zerschnitten seine Haut und sein Fleisch wie Butter.
Die Pranke war riesig, die Krallenspitzen durchbrachen auch noch seine Bauchdecke.
Blut spritzte. Goldstein konnte nicht mehr schreien. Fassungslos schaute er auf seinen Bauch, gab gurgelnde Geräusche von sich.
Seine Augen waren weit aufgerissen, sein Blick erhob sich, suchte John.
Goldstein hob flehend die Arme, seine Hände waren seltsam verkrampft.
Eine Sekunde später schloss das Monstrum seine Kralle und zerquetschte ihm dabei seine inneren Organe.
Ein gewaltiger Blutschwall schoss aus seinem Mund, dickflüssig, dunkel.
Das Monster schloss seine Kralle um seine Wirbelsäule.
Noch einmal öffnete Goldstein seinen Mund, formte einen bestialischen Schrei, dann schoss erneut Blut heraus, als das Wesen hinter ihm seine linke Pranke gegen seinen Rücken presste und die rechte Pranke langsam nach hinten zog und ihm so unter furchtbarem Krachen die Wirbelsäule vom Körper trennte.
Goldstein sackte zusammen, fiel wie ein Kleidungsstück zu Boden, bildete einen blutigen Haufen vor dem Monstrum.
In dem Moment, da das Wesen hinter Goldstein auftauchte, glaubte John, seine Beine würden ihm versagen.
Doch er blieb stehen, wusste selbst nicht mehr, was ihn noch bei Besinnung hielt.
Und dann starb Goldstein, klatschte zu Boden und John hatte den Blick auf das frei, was noch vor einer Stunde Nr. 4 gewesen war.
Es war riesig. An die drei Meter groß.
Es stand auf zwei mächtigen, muskulösen Beinen. Die Füße bildeten gewaltige Pranken, mit je vier langen, messerscharfen Krallen.
Der Oberkörper war massig, verlief von unten nach oben V-förmig, endete in einem riesigen Brustkorb.
Von ihm gingen gut zwei Meter lange, kräftige und scheinbar gelenklose Arme ab, die Hände waren mächtige Pranken mit je vier fast 30 cm langen Krallen.
Der gewaltige Kopf des Monstrums war über eine Art Hals mit dem Rumpf verbunden, entsprang aber nicht, wie beim Menschen, zwischen den Schultern, sondern ragte aus dem Rücken zwischen den Schulterblättern hervor und schmiegte sich an den Körper.
Der Kopf selbst war etwas unförmig, sah auf den ersten Blick aus, wie der eines Hundes. Der Oberkiefer war lang und schmal, der Unterkiefer jedoch war etwas breiter und länger und an den Seiten nach oben gebogen.
Die Nase bestand aus zwei tief in den Oberkiefern eingelassenen Löchern, aus denen der Atem stoßweise und hörbar ausgestoßen wurde.
Die Ohren waren fest am Kopf verankert, waren völlig unbeweglich und schienen große Fortsätze des Schädelknochens zu sein.
Von der Stirn führten zwei weitere, gezackte Knochenplatten parallel zueinander bis zum hinteren Halsansatz.
Tief hinten im Kopf lagen die beiden Augenhöhlen, aus denen die Augen hervorstachen. Der Form eines Footballs gleich, ragten sie weit aus den Höhlen hervor, waren tiefrot gefärbt mit pechschwarzen Pupillen. Sie waren in alle Richtungen beweglich und biegsam, wie kleine Fühler.
Das Maul bestand am Oberkiefer aus feinen Zahnreihen, die im Gegensatz zu den mächtigen, langen und scharfen Reißzähnen des Unterkiefers unscheinbar wirkten.
Die beiden besonders langen vorderen Reißzähne standen vor dem Kiefer hervor.
Die Zunge war lang, dick und schwabbelig und spaltete sich an der Spitze in zwei feine, fangarmähnliche Verjüngungen.
Ein etwa drei Meter langer, dicker, muskulöser Schwanz diente dem Monstrum als drittes Standbein und ähnlich, wie bei Reptilien, als Waffe.
Der gesamte Körper des Wesens war mit einer dunklen, seltsam schimmernden, ledrigen Haut überzogen, die eher einem Panzer glich, denn wie Haut wirkte, aber elastisch genug war, um der Gestalt uneingeschränkte Bewegungsfreiheit zu ermöglichen.
Nur der Brustkorb war nicht bedeckt. Da waren nur mächtige Knochen, ähnlich angeordnet, wie die eines Menschen. Aber da war keine Haut.
Im Inneren des Körpers pulsierte eine wabbelige Masse, drückte rhythmisch gegen die Knochen. Die Masse leuchtete in einen gelb-orangenem Ton, so als würde sie glühen.
Als würde man direkt in das Brodeln der Hölle blicken.
V
Das, was die beiden da vor seinem Fernglas abzogen, musste verdammt guter Sex sein, denn anders konnte Christopher sich die Tatsache nicht erklären, dass er vor ein paar Sekunden mächtig ins Schwitzen gekommen war.
Also lockerte er seinen Schlips und öffnete den obersten Hemdknopf.
Besser fühlte er sich dadurch allerdings nicht, aber es würde auch nicht mehr lange dauern, bis die beiden ihren Höhepunkt erreicht hatten.
Glaubte er!
Das Biest zerbrach Goldsteins Wirbelsäule wie ein Streichholz. Knochen für Knochen wurde abgetrennt, zum Maul geführt. Dort machte sich die klebrige Zunge sofort über das Knochenmark her und schlürfte es genüsslich.
Beim letzten Knochen blickten die Augen des Monstrums nach vorn und entdeckten John.
Ein verächtliches Schnaufen war zu hören.
Dann schien es dem Wachmann, als würde das Wesen lachen.
Es saugte den letzten Knochen aus und warf ihn achtlos zu Boden.
Wieder starrte es auf John. Schien ihn zu mustern.
Plötzlich hob sich der Kopf und ein furchtbar dröhnender Schrei ertönte aus dem weit geöffneten Maul.
Als sich der Kopf wieder senkte, trat das Wesen einen Schritt nach vorn, packte mit seiner linken Pranke den Schreibtisch, hinter dem der Wachmann stand und schob ihn spielend beiseite, während fast gleichzeitig der rechte Arm hervor zuckte, sich um Johns Oberkörper schloss und ihn aus dem Stand heraus zu sich riss.
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