„Ich nehme an, rot ist unser Ziel und grün zeigt, wie wir hinkommen“, sagte er.
„Die Linien stellen den direkten Weg dar. Allerdings sind wir inzwischen in einem Gebiet, über das mir keine Sprungdaten mehr vorliegen. Ich vermesse die Sonnensysteme per Fernortung und wähle als nächstes Ziel jeweils dasjenige aus, das am sichersten erscheint.“
Granger spürte, wie er rot anlief. „Und das sagst du mir erst jetzt?“, brüllte er los. „Jeder Sprung kann uns ins Unglück führen. Wie kommst du dazu, alleine die Entscheidung zu treffen, wohin es geht?“
„Ein Computer kann das schneller und besser als jeder Mensch.“
„Aber Menschen haben Intuition und Erfahrung. Beides fehlt Blechkisten wie dir. Ich werde ab sofort alle deine Angaben überprüfen, bevor ich die Freigabe für den jeweils nächsten Sprung erteile.“
„Das würde den Flug unnötig verzögern, da du in den entscheidenden Minuten erfahrungsgemäß entweder schläfst oder durch etwas Anderes abgelenkt bist. Meine Programmierung gibt mir volle Entscheidungsfreiheit diesbezüglich, bis wir Onistar erreicht haben. Ich gedenke, von dieser Befugnis weiterhin Gebrauch zu machen. So wie jetzt.“
Die Adausy sprang durch den Hyperraum in das nächste System.
„Frachtschiff geortet!“, meldete die KI.
Granger schreckte hoch und starrte auf die Monitore. Er musste sich den Schlaf aus den Augen wischen, um etwas zu erkennen.
„Wieder ein Trader“, sagte er. „Wir stellen uns tot für den Fall, dass auch diesmal Scarabs in der Nähe sind.“
„Das dürfte nicht nötig sein, wir sind nur noch einen Sprung von Onistar entfernt. Funkanruf, ich schalte durch.“
Das rundliche Gesicht einer etwa fünfzigjährigen Frau erschien auf dem Bildschirm. „ WaggaOne an unbekanntes Raumschiff. Was sind Sie denn für einer? So einen Typ habe ich bisher noch nirgends gesehen. Könnte ein moderner, größerer Frachter sein. Ne, doch nicht, die Energieortung zeigt unpassend starke Triebwerke und ungewöhnliche Signaturen. Tolle Kiste, alles was Recht ist. Möchte wissen, was so etwas kostet. Wo kommen Sie eigentlich her?“
Granger wartete, bis die Frau all das herausgesprudelt hatte, bevor er sich räusperte und antwortete: „Granger Tschad an Bord der Adausy . Mit wem habe ich das Vergnügen?“
„Verflixt, habe ich vor lauter Überraschung vergessen, mich vorzustellen. Miriam Goldner, Eignerin der WaggaOne . Sag Miriam zu mir. Ich fliege die Route zwischen Kanudii und Onistar. Manchmal auch nach Berenga. Ganz normaler Handel, nichts Besonderes. Weiter hinaus will ich gar nicht, von meiner Strecke kann ich leben und …“
Granger unterbrach die Frau und sagte: „Mein Schiff ist ein umgebauter moderner Explorer, den ich für den Fernhandel nutze. Ich komme aus der Perseus-Kolonie.“
Miriam riss die Augen auf. „Das ist doch kaum zu glauben. Wie hast du denn das geschafft? Es heißt, die Kolonie würde von allen möglichen Aliens angegriffen und sei beinahe ausgelöscht. Da sieht man es mal wieder: Man darf sich nicht auf das Gerede der Leute verlassen. Ich nehme an, Onistar ist dein Ziel? Ich schicke dir Infos über die besten Sprungkoordinaten. Man kommt zwischen den Umlaufbahnen des vierten und fünften Planeten heraus, wo sich nicht der kleinste Staubkrümel befindet. Oder weißt du das schon? Na, egal, ich schicke dir die Daten trotzdem. Was für Waren transportierst du denn?“
„Die meisten Container sind leer. Ich wusste nicht, was man auf Onistar gebrauchen kann und will nicht mit unverkäuflicher Ware zurückfliegen.“
„Vernünftig!“, lobte Miriam. „Eigentlich gibt es auf dem Planeten alles, was nötig ist, und den restlichen Bedarf decken wir Trader ohne weiteres ab. Aber sicherlich findest du etwas, das sich in die Gaia-Kolonie exportieren lässt. Du fliegst ja wieder zurück, nehme ich an? Obwohl ... Ich glaube, die Leute auf Onistar sind ein wenig eigen, was Kontakte mit Fremden angeht. Sie wollen vielleicht gar keine Handelsbeziehungen mit Gaia.“
„Das werde ich ja vor Ort herausfinden“, sagte Granger, dem der Gedanke kam, dass es praktisch wäre, eine so redselige Bekannte auf Onistar zu haben. „Danke für die Sprungkoordinaten. Wir können uns ja auf dem Planeten mal treffen, falls du länger dort bist.“
„Klar, ich bleibe ein paar Tage und bin immer in der Nähe des Raumhafens zu finden. Es gibt nette Bars und Restaurants dort. Frag einfach nach Miriam von der WaggaOne . Aber das weißt du ja schon. Bis dann!“
Das Schiff der Traderin sprang und die Adausy folgte wenig später. Im Onistar-System angekommen verschaffte sich Granger einen schnellen Überblick: Nur einer der Planeten hatte eine Umlaufbahn innerhalb der habitablen Zone. In seinem Orbit befanden sich vier Raumschiffe, alles Frachter, sowie die üblichen Satelliten. Aber keine Raumwerft, keine Abwehrforts, keine große Orbitalstation als Andockmöglichkeit für Raumschiffe.
„Ziemlich leer hier“, sagte er laut.
„Im interplanetaren Raum sind derzeit außer der WaggaOne und uns nur zwei weitere Schiffe unterwegs. Es handelt sich um Frachter, die dabei sind, das System zu verlassen. Ihre Sprungvektoren zeigen einwärts .“
„Frag bei der KI der WaggaOne an, wie das normale Prozedere ist. Bei welchen Behörden sich ein Trader anmelden muss, wie man Landeerlaubnis für das Beiboot bekommt und so weiter.“
Nach wenigen Minuten meldete die KI: „Ich habe einen Funkspruch an die Verwaltung des Raumhafens geschickt und unsere Ankunft angekündigt. Man ist überrascht und hat uns einen ungewöhnlich hohen Orbit zugewiesen. Eben kommt die Nachricht, dass es uns untersagt ist, mit dem Beiboot auf dem Planeten zu landen. Man wird ein Shuttle schicken, um die Besatzung der Adausy abzuholen.“
„Ziemlich unfreundlich. Hast du ihnen nicht gesagt, dass ich alleine bin?“
„Sie haben nicht danach gefragt. Ich blende jetzt eine Übersicht der Oberfläche von Onistar ein. Alle Kontinente sind besiedelt, ich schätze die Bevölkerungszahl auf zwei Milliarden. Der technologische Standard entspricht dem auf Gaia vor etwa dreißig Jahren. Es gibt vergleichsweise wenig Industrie, aber große landwirtschaftliche Nutzflächen.“
„Donnerwetter! Das ist nicht, was ich nach den Beschreibungen erwartet hätte.“
„Entweder, der Mann, von dem die Berichte über diese Welt stammen, hat gelogen, oder es ist in der Zwischenzeit viel geschehen. Ich sammle weiter alle Daten, soweit das aus dem Orbit möglich ist.“
Granger horchte auf. „Gibt es Probleme?“, fragte er.
„Ein Teil der Oberfläche ist gegen Ortung geschützt, sogar gegen optische Beobachtung, was technisch extrem aufwendig ist. Er liegt einige Hundert Kilometer von der größten Stadt entfernt. Es könnte sich um das Regierungszentrum handeln oder eine vergleichbare Einrichtung.“
Wenige Stunden später dockte ein vom Planeten kommendes automatisches Shuttle an der Adausy an. Granger stieg um und ließ sich hinunter zum Raumhafen von Onistar bringen.
Kapitel 3
Granger Tschad kannte die Raumhäfen von Dutzenden bewohnter Welten in der Perseus-Kolonie. Deshalb konnte er schon aus einigen Kilometern Höhe einschätzen, was dort unter ihm lag. Diese überdimensionierte Anlage wurde nur wenig genutzt. Der Platz reichte für mehrere große Kampfschiffe, aber es waren nur einige Dutzend Orbitalshuttles zu sehen. Außerdem ein paar Schiffe mittlerer Größe für interplanetaren Verkehr, wie sie für das Einsammeln automatisch abgebauter Rohstoffe von Asteroiden genutzt wurden. Sie waren robust, hatten große Frachträume, eigneten sich aber nicht für interstellare Flüge. Sie verfügten nicht über Hypersprungantriebe.
Onistar war ein typischer Provinzplanet, der einmal Großes vorgehabt hatte. Die Infrastruktur reichte aus für die Zentralwelt eines kleinen Sternenreichs. Doch hier lebten nur zwei Milliarden Menschen, ziemlich isoliert bis auf ein paar Handelsschiffe, die Lebensnotwendiges lieferten. Konnte das so stimmen? Granger hatte ein ungutes Gefühl. Er übersah etwas.
Читать дальше