„Morgen“, sagte ich angeschlagen.
„Morgen? Es ist fünfzehn Uhr. Bist du etwa gerade erst aufgestanden?“
„Wie du siehst. Und du? Warum ist es hier so düster?“, fragte ich leise.
Alina stand auf und drückte auf den Lichtschalter. „Was ist denn gestern in dich gefahren und wo hast du überhaupt gesteckt?“
Meine Freundin gab zunächst keine Antwort. Sie musste lachen und verdrehte die Augen. „Ich habe noch einen Umweg über ein paar Kneipen nach Hause genommen. Emma, du siehst hundsmiserabel aus“, amüsierte sie sich.
„Und was zum Teufel, findest du daran so lächerlich?“, fuhr ich sie an.
„Eigentlich gar nichts. Nur …, es ist halt ungewöhnlich, dich so verkatert zu sehen“, stellte sie schadenfroh fest.
Sie brachte mir eine braune, heiße Plörre, die meine Lebensgeister wecken sollte.
Ich konnte keinen Kaffee trinken und löste stattdessen ein weiteres Aspirin in Wasser auf.
Nachdem die Wirkung der Tablette endlich eingesetzt hatte, schaute ich meine Freundin nachdenklich an. Dann sprach ich ohne Punkt und Komma über den Abend mit Christian und über die Gefühle, die förmlich Besitz von mir ergriffen hatten. Eigentlich wollte ich lediglich Alinas Rat, der mir viel bedeutete.
Sie hörte mir aufmerksam zu, schien aber sehr skeptisch zu sein, denn sie schaute mich tiefgründig an.
„Emma?“
„Ja, Alina?“
„Das Ganze hört sich nach sehr starken Gefühlen an. Du hast dich doch nicht ernsthaft in diesen Kerl verliebt?“
„Und wenn doch?“
„Der taugt nichts.“
„Ach, sag bloß! Du musst es ja wissen!“, sagte ich gereizt.
Alina schüttelte nur mit dem Kopf.
„Es ist nicht so …“
Ich ließ sie nicht ausreden.
„Was? “, hakte ich nach.
„Nichts.“
„Los, sag schon, warum reagierst du auf Christian so gereizt? Kennst du ihn etwa? Ist er dir schon mal über den Weg gelaufen?“
„Quatsch.“
Ruckartig hielt ich für einen Augenblick inne, denn bei dieser Antwort war ich mir nicht sicher, ob sie die Wahrheit gesagt hatte.
„Du … du wirst mich doch nicht im Stich lassen und unsere Wohngemeinschaft aufgeben?“
„Wieso sollte ich das tun?“
„Ich meine, wenn du in ihm deinen Traumprinzen siehst?“
„Alina! Hast du gestern auf deiner Kneipentour irgendwelche Drogen genommen? Glaubst du allen Ernstes ich würde unsere tolle Wohngemeinschaft für einen Mann aufgeben, den ich gerade erst kennengelernt habe?“
„War auch nur so ein Gedanke. Schließlich hast du dich die halbe Nacht mit ihm herumgetrieben.“
Nicht nur durch ihren abfälligen Tonfall, sondern auch bei dem Wort „herumgetrieben“ löste sie eine Abwehrhaltung bei mir aus. „Wir haben uns nicht herumgetrieben!“
„So fängt es immer an oder glaubst du, ich bin von gestern? Und wenn ich ehrlich sein soll, werde ich es auf keinen Fall zulassen, dass dieser Typ unsere WG entzweit“, keifte sie mich an. „Er ist wirklich keine Gefahr“, versuchte ich sie zu besänftigen.
Ich schaute meine Freundin an und fragte sie in einem neckenden Ton:
„Kann es sein, dass du eifersüchtig bist?“
„Nein. Doch nicht auf so einen großkotzigen Möchtegern!“
Alina runzelte die Stirn.
„Darüber hinaus halte ich ihn für einen Gauner, einen Parasiten“, schimpfte sie aufgebracht. Sie war laut geworden, als hätte ich mit meiner Eifersuchtstheorie den Nagel auf den Kopf getroffen.
„Schrei doch nicht so! Können wir uns nicht wie zivilisierte Menschen unterhalten?“
„Du kannst mich mal kreuzweise“, fauchte Alina mit einem wutverzerrten Gesicht, ziemlich beunruhigend.
Ihre Reaktion konnte ich nicht verstehen, zumal sie Christian lediglich nur ganz kurz an diesem Freitagabend begegnet war.
Oder doch nicht? Warum tickt sie denn so aus?
Ich betrachtete die in Falten gelegte Stirn meiner Freundin, die schnellen Schrittes den Raum verließ. Keine Minute später nach ihrem Ausraster nahm ich einen lauten Knall wahr und begriff, dass sie das Haus verlassen hatte. Sie hatte die Tür so heftig hinter sich zu geschmissen, dass das Bild im Treppenhaus zu Boden fiel und das Glas in tausend Einzelteile zerbrach. Wie vor den Kopf geschlagen saß ich einfach nur da und verstand gar nichts mehr. Normalerweise hätte ich ihre anmaßenden Worte nicht einfach so im Raum stehen lassen.
Aber es war in diesem Augenblick nichts normal.
Seit dieser Meinungsverschiedenheit herrschte schlechte Stimmung zwischen Alina und mir. Nicht, dass das noch niemals vorgekommen war, denn immerhin kannten wir uns schon fünf Jahre. Aber …. ich spürte, dass unsere Freundschaft durch die Begegnung mit Christian einen Knacks bekommen hatte.
Ich wurde nachdenklich, denn die Abwehrhaltung meiner Freundin war neu für mich. Sie hatte zu keinem Zeitpunkt unseres Zusammenlebens jemals so ein Verhalten an den Tag gelegt.
Und wieder hatte sie mich alleine zurückgelassen.
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