Nicole Beisel
Vermiss mich nicht
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Inhaltsverzeichnis
Titel Nicole Beisel Vermiss mich nicht Dieses ebook wurde erstellt bei
Vermiss mich nicht Vermiss mich nicht Lilly Jenkins ist 26 Jahre alt und lebt in Nordirland – zumindest sind das die persönlichen Daten, die die Behörde ihr zugeteilt hat seit sie im Krankenhaus erwacht ist. Niemand scheint sie zu kennen oder sie zu vermissen, und auch sie selbst weiß aufgrund eines tätlichen Angriffs nicht mehr, wer sie ist oder zu wem sie gehört. Getrieben von ihrer Einsamkeit knüpft sie neue Kontakte und gewinnt Rachel als ihre beste Freundin. Auch Timothy wird innerhalb kurzer Zeit ein guter Freund und zugleich eine große Unterstützung, und auch er hat Schmerzvolles hinter sich. Seine Ex-Freundin Elizabeth hat ihn von heute auf morgen verlassen und ihn damit zutiefst verletzt. Als er Lilly im Internet kennenlernt, scheint er wieder neuen Lebensmut zu fassen, und dieser wächst, als er sie zum ersten Mal sieht, denn schnell steht fest: Sie beide teilen das gleiche Schicksal. Vermiss mich nicht Von Nicole Beisel Für die Verlorenen und die Vergessenen
Lilly
Timothy
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Lilly
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Lilly
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Elizabeth
Timothy
Elizabeth
Timothy
Elizabeth
Timothy
Impressum neobooks
Lilly Jenkins ist 26 Jahre alt und lebt in Nordirland – zumindest sind das die persönlichen Daten, die die Behörde ihr zugeteilt hat seit sie im Krankenhaus erwacht ist. Niemand scheint sie zu kennen oder sie zu vermissen, und auch sie selbst weiß aufgrund eines tätlichen Angriffs nicht mehr, wer sie ist oder zu wem sie gehört. Getrieben von ihrer Einsamkeit knüpft sie neue Kontakte und gewinnt Rachel als ihre beste Freundin. Auch Timothy wird innerhalb kurzer Zeit ein guter Freund und zugleich eine große Unterstützung, und auch er hat Schmerzvolles hinter sich.
Seine Ex-Freundin Elizabeth hat ihn von heute auf morgen verlassen und ihn damit zutiefst verletzt. Als er Lilly im Internet kennenlernt, scheint er wieder neuen Lebensmut zu fassen, und dieser wächst, als er sie zum ersten Mal sieht, denn schnell steht fest: Sie beide teilen das gleiche Schicksal.
Vermiss mich nicht
Von Nicole Beisel
Für die Verlorenen
und die Vergessenen
Wie ich wurde, wer ich bin
„Hallo, mein Name ist … ähm … Lilly Jenkins, ich bin ungefähr 26 Jahre alt und leide an Amnesie.“
Ich sitze in einem kleinen Raum mit weißen Wänden und einem großen Tisch an der Wand, auf dem Getränke und Kekse bereit stehen. Stühle stehen aneinander gereiht im Kreis, ich schätze, es sind etwa 10 Stück. Ich blicke in fahle Gesichter. Gesichter, die zeigen, dass die Menschen hier in diesem Raum Angst haben. Sie sind unsicher, fühlen sich verloren trotz der vielen Gleichgesinnten, die allesamt das gleiche Schicksal untereinander teilen. Ich selbst fühle mich nicht anders, auch ich komme mir fehl am Platz vor. Es ist der erste Sitzungstag von 25, und niemand von uns weiß, was uns erwartet.
Ich fühle mich unbehaglich, ich kenne niemanden hier im Raum, aber außerhalb dieser vier Wände ist das nicht anders, denn ich kenne noch nicht einmal mich selbst. Und genau deswegen bin ich hier. Ich frage mich, wer all diese Menschen sind, genauso, wie ich mich frage, wer ich wirklich bin. Ich habe keine Antwort hierauf, und auch die restlichen Teilnehmer der Gruppentherapie sind ratlos. Wir alle leiden unter diesem Gedächtnisverlust, der uns alles genommen hat, was wir je hatten. Unser Leben, unsere Familien und Freunde, unsere Erinnerungen und unsere eigene Persönlichkeit – alles einfach weg. Der Gruppenleiter, ein Mann Mitte vierzig, schmal und kurzsichtig, wie es scheint, ist der Einzige, der noch die Fähigkeit hat, sich selbst treu zu bleiben.
Aber nicht alle von uns haben auch tatsächlich alles vergessen. Einige haben noch Familienangehörige, die ihnen helfen, die Vergangenheit wieder zurück zu holen. Andere haben noch ihren ursprünglichen Namen und kennen ihr Geburtsdatum und ihren Wohnort. Manche können sich sogar noch an besondere Familienereignisse oder an ihre eigenen Kinder erinnern.
Ich schaue mich erneut in der Runde um, lausche den Berichten der Betroffenen und spüre Neid in mir aufkommen. Ich beneide diese Menschen um ihre wenigen verbliebenen Erinnerungen, und das, obwohl ich nicht einmal weiß, ob mein bisheriges Leben tatsächlich so lebenswert war. Trotzdem habe ich das Gefühl, etwas sehr wichtiges verloren zu haben: Mich selbst.
In dieser heutigen ersten Sitzung erfahre ich, dass die meisten unter uns nur wenige Jahre älter sind als ich und überwiegend hier aus der Gegend kommen, soweit sie noch davon berichten können. Sie erzählen von den Gründen für ihre Amnesie, die meisten wurden – gemäß den Erzählungen der Ärzte und Familien – Opfer eines Unfalls, aber nur wenige können sich an den eigentlichen Vorfall erinnern.
Auch ich erzähle meine Geschichte, oder zumindest die Geschichte, die mir der behandelnde Arzt im Krankenhaus erzählt hat.
Grund für meine Amnesie ist scheinbar ein fester Schlag auf den Hinterkopf, der mich wohl augenblicklich zu Boden gehen lassen musste. Wer mir das angetan hat, weiß niemand, aber es wird noch immer von einem ungeklärten Verbrechen ausgegangen. In diesem Fall scheine ich die einzige Zeugin zu sein, aber ich kann keinerlei Angaben machen, da ich keine Erinnerung mehr habe an die Zeit vor meinem Krankenhausaufenthalt. Auch dieser schlimme Vorfall an sich könnte für meinen Ausfall mit verantwortlich sein, sagen die Ärzte. Das Gehirn hat wohl die Fähigkeit, Erinnerungen auszuschalten, die ein traumatisches Erlebnis zur Folge hatten. Nun, ein Verlust, den ich nur bedingt bedauere.
Jedenfalls wurde ich gefunden, bekleidet, aber ohne Ausweis, ohne Dokumente, ohne Bewusstsein und – wie sich später herausstellte – ohne Gedächtnis.
Niemand wusste, wer ich war, niemand hat nach mir gesucht und auch heute scheint mich niemand zu vermissen. Keine Eltern, keine Geschwister oder gar Kinder, kein Ehemann, keine Freunde. Ich scheine niemandem zu fehlen, und diese Erkenntnis versetzt mir einen kleinen Stich, obwohl ich ja noch nicht einmal selbst jemanden vermisse.
Traurig und verwirrt zugleich beende ich meinen Bericht, ernte zahlreiche, mitleidige Blicke mit einem Hauch Verständnis in den Augen meiner Mitstreiter. Nach zwei Stunden ist die erste Sitzung um, die nächste folgt am nächsten Donnerstag.
Ich will gerade zur Tür raus, als ich eine Hand an meiner Schulter spüre, sanft, aber mit der bestimmten Bitte, mich umzudrehen. Ich erschrecke kurz über diese Berührung, hatte ich doch fast vergessen, wie sich das anfühlt, obwohl ich selbst tagtäglich irgendwelche Dinge berühre. Dinge, keine Menschen.
„Ja?“ Zwei schüchterne grüne Augen schauen mich unsicher an. Die Haut drumherum ist hell und mit einzelnen Sommersprossen versehen, die Haare kinnlang und von rotbrauner Farbe, die an einen warmen Herbsttag erinnern. Habe ich den Herbst je richtig kennen gelernt? Sicher, ich weiß nur nicht mehr, wann das war.
„Tut mir leid, dass ich dich so überfalle. Lilly, richtig? Hi, ich bin Rachel.“ Ich erwidere ihren sanften Händedruck, ich kenne ihren Namen noch aus der Vorstellungsrunde. Sie ist die Frau, die nach einem Arbeitsunfall wieder bei ihrer Mutter wohnt.
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