„Sie müssen aber auch meinen Neigungen entgegenkommen“, antwortete ich, „wissen Sie denn, ob ich die Menschen den Katzen, Hunden und Kanarienvögeln vorziehe?“ „Deswegen habe ich ja zwei besonders vertrauenswürdige und ehrenwerte Menschen mitgebracht, den Abt des Klosters Schwepptal und seinen Wirtschaftsleiter Pater Kallmann“, erwiderte sie. „Beide sind bereit, Sie in die Gemeinschaft ihrer Brüder für eine begrenzte Zeit aufzunehmen, und möchten Sie aus diesem Grunde persönlich kennen lernen und auf ihre Eignung für eine zeitweise Mitgliedschaft in ihrem Orden begutachten. Sie können natürlich auch einen reinen Ferienaufenthalt in ihrem Kloster buchen. Aber dann bleiben Sie vom Ordensleben ausgeschlossen und hätten eigentlich keinen Grund, in ein Kloster zu gehen.“
„Keine Angst! Wir verlangen keine asketischen Fähigkeiten und erwarten auch nicht, dass Sie vollständig an unserem Gebetsleben und Tagesrhythmus teilnehmen oder sich als Gärtner in unserem Klostergarten betätigen. Wir wollen nur sicher sein, dass Sie bereit sind, auf die Privilegien Ihrer Geburt und Ihres Vermögens eine Zeit lang zu verzichten und sich als einfacher Bruder in unsere Klostergemeinschaft einzufügen“, erklärte mir der Wirtschaftsleiter, ein rundlicher, fröhlicher Mann, dem man durchaus ansehen konnte, dass er auch den weltlichen Genüssen eines guten Essens oder geistigen Getränks nicht abgeneigt war. Jedenfalls empfand ich sofort Sympathie für diesen geistlichen Manager und beeilte mich sehr, ihm zu versichern, dass ich es als eine große Wohltat empfände, die Haut des Fürsten eine Zeit lang abzustreifen und mich in das härene Gewand eines Klosterbruders zu hüllen, um wenigstens für einige Wochen dem Druck der wirtschaftlichen und gesundheitlichen Probleme zu entfliehen, die in meiner fürstlichen Existenz meine ständigen Begleiter geworden seien.
Darauf erklärte der Abt, ein schlanker, junger, klarer, nüchterner Mann, bei dem Redlichkeit und Sachlichkeit in jedem seiner Worte spürbar waren: „Wir können natürlich keine Wunder wirken, aber wenn Sie bereit sind, ein wenig unseren Lebensrhythmus zu teilen, so können Sie vielleicht doch für eine geraume Zeit Ihre Probleme vergessen und Ihr Denken auf wesentliche und positive geistige und seelische Inhalte richten, die für viele unserer Besucher ein Halt, eine Stütze geworden sind, um dem Ansturm des Alltags mit Gelassenheit und innerer Ruhe standhalten zu können. Vielleicht können Ihnen auch Gespräche mit meinen Mitbrüdern helfen, Ihren weltanschaulichen Standort zu klären und zu stärken, so dass Sie eine geistige Position finden können, die manche Ihrer weltlichen Probleme relativieren mag.“
„Man kann aber auch wirtschaftliche Probleme erörtern“, ergänzte der Wirtschaftsleiter, „so dass auch etwas für die Lösung Ihrer und auch unserer wirtschaftlichen Probleme getan werden kann. Wir können sicher voneinander lernen. Es sei mir in diesem Zusammenhang gestattet, darauf hinzuweisen, dass es mir gelungen ist, die defizitäre Situation der Finanzen unseres Klosters zu beseitigen und seine wirtschaftliche Gesundung zu bewirken, so dass es vielleicht auch Ihnen nützlich sein könnte, meinen Rat in wirtschaftlichen Angelegenheiten zu hören und auch zu befolgen. Es wäre übrigens ein sehr erwünschtes Zeichen Ihrer Freundlichkeit gegenüber unserem Orden, wenn Sie uns nach Ihrer vorübergehenden Mitgliedschaft in unserer Firma erlaubten, Ihren Aufenthalt bei uns publik zu machen und für Werbezwecke zu verwenden, denn Sie wissen, gute Werbung ist heute der halbe Geschäftserfolg.“
Nach diesen Reden der zwei Mönche, die mir gut gefallen hatten, , war ich natürlich bestrebt, meine skeptische Bemerkung zu Beginn unseres Gesprächs sofort rückgängig zu machen und ich verstieg mich tatsächlich zu einer Formulierung wie der, dass mein vorhin geäußertes Misstrauen gegenüber der Gesellschaft von Menschen natürlich nicht für Mönche gelte und dass mir ihre Eröffnungen wie ein Rettungsring erschienen, der einem Ertrinkenden zugeworfen werde, und dass mich ihre Anwesenheit sehr erfreue und ich selbstverständlich bereit sei, ihre Erwartungen, was meine Anpassung an ihren Tagesrhythmus betreffe, soweit es mir möglich sei, zu erfüllen und dass ich es ihnen selbstverständlich freistelle, mit meinem Namen für ihr Kloster und seine Erzeugnisse Reklame zu machen, wenn ich wieder ins Privatleben zurückgekehrt sei.
Darauf erwiderte der Wirtschaftsleiter, dass ihre Mission mit diesem Verhandlungsergebnis eigentlich erfüllt sei und sie mich und mein Schloss wieder verlassen könnten, aber sie hätten sich für diesen Tag frei genommen und hätten also noch Zeit, wenn es mir recht sei, meine Gesellschaft zu genießen und über die offizielle Übereinkunft hinaus auch noch einige privat-persönliche Bande mit mir zu knüpfen, um mir das Gefühl zu geben, meinen Erholungsurlaub bei Freunden zu verbringen, und ihnen natürlich ebenfalls die Freude zu vermitteln, den Besuch eines guten Freundes des Ordens in ihrem Kloster erwarten zu dürfen.
Das würden sie in der Tat gerne bereits zum nächsten freien Termin tun. Der sei in einer Woche. Ich könne, wenn ich wolle, zunächst einen Aufenthalt für drei Wochen buchen und je nach meinen Bedürfnissen und Möglichkeiten diesen Aufenthalt um jeweils eine Woche verlängern. Solange ich bei ihnen sei, gelte natürlich strengste Diskretion und es sei auch nötig, dass ich mich unter fremdem Namen bei ihnen einschreibe, denn auch ihre Klosterbrüder sollten meine wahre Identität nicht wissen. Ich nahm das Angebot und die Bedingung gerne an und ich erklärte mich auch mit ihrer weiteren Anwesenheit sofort einverstanden.
Ich fragte sie, ob es ihnen recht sei, wenn Hubertus sie durch die Räumlichkeiten meines Schlosses führe und ihnen auch in den Schlosspark und die Stallungen Einblick gebe. Sie fanden den Vorschlag ganz gut, meinten aber, dass es für unsere zukünftigen Beziehungen doch förderlicher sei, wenn ich selber die Führung übernehmen könnte und diese auch mit einigen Insiderinformationen für sie lehrreicher und einprägsamer gestalten könne, als dies auch dem besten angestellten Schlossführer möglich sei.
Ich bedauerte, dass ich ihnen ihren Wunsch nicht erfüllen könne, da Frau Dr. Schayani zu mir gekommen sei, um eine psychotherapeutische Sitzung mit mir abzuhalten, und dass ich diese Behandlung bräuchte, um mich seelisch wie körperlich einigermaßen über „Wasser“ halten zu können.
„Eigentlich fällt eine solche Therapie als Seelsorger auch in unser Fach, aber leider haben wir nicht die psychologische und medizinische Ausbildung, um unseren bedürftigen Glaubensbrüdern diesen Dienst zu erweisen. Wenn Sie daher keine Einwände haben, so würden wir gerne als stillschweigende, fachlich interessierte Studenten an dieser Sitzung teilnehmen. Vielleicht ergeben sich dadurch für uns Einsichten und Methoden, die auch wir anwenden können, wenn seelisch kranke oder leidende Menschen unsere Hilfe bei ihren Aufenthalten in unserem Kloster suchen“, bemerkte der Wirtschaftsleiter.
„Dann schließen wir einen Kompromiss – das Einverständnis unseres Patienten vorausgesetzt – und er führt uns durch das Schloss, während er die Erzählung von seiner Brasilienreise mit der damals fünfzehnjährigen Pianistin Carlotta Key fortsetzt“, schlug Frau Schayani vor. Aber ich konnte mich nicht damit einverstanden erklären. „Wenn die Patres schon eine Instruktionsstunde über eine psychotherapeutische Sitzung erleben wollen, so sollten sie auch einer regelrechten beiwohnen, also mit Couch und mit den Reaktionen und Impulsen des Therapeuten“, sagte ich. „Wenn danach noch Zeit ist, so bin ich gerne bereit, die Schlossführung daran anzuschließen.“
Mit diesem Vorschlag konnten sich alle einverstanden erklären, und so bewegte ich mich zu meinem Sofa, Frau Schayani zu ihrem Stuhl und die beiden Patres blieben diskret am Esstisch sitzen und zogen irgendwelche Notizblöcke aus ihren Kutten, um einige für sie interessante Beobachtungen aufzuschreiben.
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