1 ...8 9 10 12 13 14 ...31 „Aber wie kann das denn geschehen? Jetzt sehen Sie bestimmt Gespenster!“, wehrte ich mich gegen eine solche Unterstellung. „Das geschieht unter Umständen ganz schnell, wenn das Weibchen merkt, dass es ein sexuelles Interesse bei einem Männchen weckt. Und wenn das Männchen noch ein Aussehen und eine Aura hat, die seinen geheimen Sehnsüchten völlig entsprechen, so kann es in irgendeiner Region seines Unterbewusstseins oder gar Bewusstseins klick machen und der Typ ist als Prototyp ihrer Partnersuche gespeichert. Wenn dann das Pioniermodell nicht für es erreichbar ist, so wird es ein Nachbau sein. So ist nun mal des Weibchens Psyche strukturiert.“
„Sie machen mir Angst. Bei dieser Struktur kann man sich ja schuldig machen, wenn man ohne Tarnkappe bloß nach draußen geht!“, bemerkte ich. „So schlimm ist es auch wieder nicht mit dieser Prägung. Das menschliche Bewusstsein hat durchaus mehrere Speicherplätze, in denen auch mehrere Prototypen oder bestimmte prototypische Eigenschaften gespeichert werden können, auf deren Vorhandensein bei einem interessanten Kandidaten dann im Entscheidungsfall meistens unbewusst geachtet wird. Die ersten Prototypen sind für die geschlechtliche Partnerwahl übrigens der anders geschlechtliche Elternteil.“
Mir ging in diesem Zusammenhang ein Licht auf. „Dann ist nach Ihrer Meinung für mich auch meine Mutter mein libidinöser Prototyp gewesen. Und weil sie nach Aussehen und Wesen noch ein Kind war, rührt meine Vorliebe für minderjährige Mädchen daher?“, fragte ich. „Kann sein!“, antwortete Frau Schayani. „Aber so einfach ist die Sache nicht. Denn es gibt genug Männer, deren Mütter noch Kinder waren, als sie geboren wurden, und dennoch hatten diese Männer nicht das geringste Interesse an Sex mit minderjährigen Mädchen.
Bei Ihnen kommt noch ein wesentlicher Faktor dazu. Ihre Mutter hat Sie nicht hundertprozentig als ihr Wunschkind angenommen. Das geht aus Ihrer Schilderung bei der letzten Sitzung hervor. Sie waren ihr zu widerspenstig und lieber hätte sie auch ein Mädchen gehabt. Sie fühlten sich also von ihr ungeliebt. Sie wollten aber von ihr geliebt werden. Jedes Kind will von seiner Mutter geliebt werden. Und weil Sie nicht vorbehaltlos von ihr geliebt worden sind, so wollten Sie sich diese Liebe entweder ertrotzen oder mit irgendwelchen besonderen Leistungen verdienen oder sie mit erotischen Mitteln erobern. Vielleicht denken Sie einmal darüber nach, ob Sie sich an solche Verhaltensweisen aus Ihrer Kindheit und Jugend erinnern können?“
„Diese Analyse erscheint mir sehr plausibel“, antwortete ich, „mein trotziges Verhalten meinen Eltern gegenüber ist bereits erwiesen, aber auch meine Bemühungen, etwas Besonderes zu leisten, sind sehr zahlreich gewesen. Ich habe schon als Zehnjähriger mit meinen Pferden an Jagdrennen und Springturnieren teilgenommen und ich habe mich tollkühn über die Hindernisse geworfen, so dass ich zweimal aus dem Sattel geschleudert wurde und wie ein Vogel über das Hindernis flog, während mein Pferd auf der anderen Seite stehenblieb, dann aber gemächlich um das Hindernis herumging und sich einige Meter von mir entfernt aufstellte, während ich mich mühselig aufrappelte, zu ihm hinhumpelte, wieder aufsaß, zurückritt und das Hindernis beim zweiten Versuch gemeinsam mit meinem Pferd überwand. Meine tollkühne Reitweise war bald bekannt, und es kamen zu unseren ländlichen Turnieren nicht wenige Zuschauer, nur um mich zu sehen.
Ich ritt aber nur für meine Mutter, die es aber meistens vorzog, zu Hause zu bleiben und mit ihren Hunden und Puppen zu spielen. Immerhin nahm sie es mit einem gewissen Stolz zur Kenntnis, wenn ich ein Rennen gewann und in der lokalen Presse bereits als der neue Alexander gefeiert wurde, der ja auch mit seinem Pferd Bucephalos reiterische und militärische Großtaten vollbracht hat. Es waren übrigens nicht wenige Siege, die ich als kindlicher Jockey nach Hause ritt. Dabei profitierte ich ebenso sehr von meinem Mut wie auch von meinen guten Pferden und meinem geringen Gewicht. Trotz meiner Erfolge und meiner zunehmenden lokalen Bekanntheit konnte ich meine Mutter nicht als meinen Fan gewinnen, und so versandete mein Interesse an diesem Sport, als ich in das Internat kam und mich dort mit gelegentlichen Ausritten und den bekannten Kutschfahrten begnügte.
Einen verzweifelten Versuch wollte ich aber dennoch machen, um die Bewunderung und Angst meiner Mutter zu erregen. Ich kündigte an, mit meinem Pferd von der Neckarbrücke in Heidelberg in den Fluss zu springen. Mein Vater machte zwar einen lahmen Versuch, mich davon abzuhalten, aber meine Mutter äußerte sich gar nicht zu dieser selbstmörderischen Heldentat. Wahrscheinlich war ihr das Risiko, das ich damit in Kauf nahm, nicht im Geringsten bewusst, und auch mein alternder und unsportlicher Vater konnte sich kein klares Urteil über das Risiko dieses Vorhabens bilden. Immerhin hörte er auf die Ratschläge seiner urteilsfähigeren Freunde und riet mir von dem Unternehmen ab. Aber auch er ergriff keine Maßnahme, indem er den Pferdestall abgeschlossen hätte, um mich von meinem Vorhaben abzubringen.
Also machte ich meine Ankündigung wahr und sprang vor Tausenden von Zuschauern, die die Gelegenheit wahrnahmen, auf das Gelingen oder Scheitern des Unternehmens Wetten abzuschließen, von der Brücke und kam selber unverletzt und auch mit unverletztem Pferd wieder an Land.
Es wurde übrigens von jetzt an eine Struktur meines Handelns, übertriebene Risiken in Kauf zu nehmen und mit fortschreitenden Jahren auf Jahrmärkten und Messeveranstaltungen in unseren Landkreisen gegen körperlich weit überlegene Seeleute und Maurer zu boxen und nicht wenige von ihnen dank meiner Schnelligkeit und daraus folgenden Schnellkraft auf die Bretter zu befördern, deren Härte ich allerdings durch die überlegene Strategie und Technik einiger inkognito auftretenden Boxsportler ebenso schmerzlich zu spüren bekam wie sie.
Durch diese Verhaltensweisen wurde ich zu einem Lieblingsobjekt der Skandalmedien, so dass auch meine Mutter im fernen Frankreich dauernd über meine Eskapaden auf dem Laufenden blieb. Glauben Sie, dass ich die nach meinen Begriffen fahnenflüchtige Mutter mit meinen Aktionen erreichen wollte, sie gleichsam zurückerobern wollte?“ „Das kann gut sein. Wenn ich richtig über Ihr Leben informiert bin, so war die erste mehrjährige Geliebte in Ihrer Sammlung eine Frau, eine Witwe im Alter Ihrer Mutter!“
„Sie meinen Christina von Schmedeshusen?“ „Richtig, so war ihr Name.“ „Ja, ihre Vermutung ist richtig.“ „Ich hatte sie kennen gelernt, weil eine ihrer minderjährigen Töchter ebenfalls unser Internat besuchte und ich eigentlich diese Tochter als Nachfolgerin von Annette ausersehen hatte. Ich besuchte mit dieser Tochter Christine auf ihrem Hof und blieb einige Wochen dort, um ihr dabei zu helfen, ihre wenig einträgliche Landwirtschaft in einen Reiterhof umzuwandeln. Die Tochter, die zwei Klassen unter mir war, musste nach einigen Tagen wieder ins Internat zurück, und somit gab es, wie sich bald zeigte, in der Person der Mutter für mich eine viel attraktivere Alternative zur Tochter.
Es entwickelte sich wirklich eine Beziehung, in der wir beide uns alle Freiheiten gaben, die aber in ihrer Grundsubstanz nie in Frage gestellt wurde. Es war eine vertrauensvolle solidarische Freundschaft. Wir konnten uns beide unsere Probleme in aller Offenheit mitteilen und fanden jedes Mal in dem jeweiligen Partner einen guten Ratgeber und engagierten Helfer. Das Sexuelle spielte gar nicht so eine große Rolle in dieser Beziehung. Es war wirklich so eine Beziehung, wie sie zwischen einer guten Mutter und ihrem Sohn der Normalfall sein sollte. Ich habe das damals gar nicht erkannt und dachte, diese Beziehung sei eine Art Fortsetzung der Ehe, die ich bisher mit Annette geführt hatte. Leider ist Christine wenige Jahre, nachdem ich sie kennen gelernt hatte, nach einem Reitunfall gestorben.“
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