„Jo-se- phi -ne!“
„Ich schlag dich noch“, flüsterte Josie ihrer Schwester zu. „Zwei hab ich auch schon.“
„Phh! Fünf zu zwei für mich!“, zischte Horri zurück.
„Um die Scheuerleins geht es doch gar nicht“, erklärte ihr Vater. „Wir möchten eben in den Golfclub aufgenommen werden. Das gäbe sehr schöne geschäftliche Möglichkeiten für mich – und für Mama auch interessante Kontakte. Und da Scheuerleins nun mal im Golfclub sind… wie sollen wir denn sonst diese Aufnahmesperre umgehen?“
Josie seufzte. „Jemand Besseres ist nicht im Golfclub? Jemand, den man vielleicht tatsächlich freiwillig kennen möchte?“
„Collnhausens“, schlug ihre Mutter vor.
Horri kicherte. „Tessas Alte? Na, viel Spaß! Ich finde die schon ein bisschen seltsam. Letzte Woche war ich bei Tessa, um ein bisschen Kurvendiskussion in ihren kleinen Hohlkopf zu stopfen – und ich sag euch!“
„Ja, dann sag doch!“, reagierte Josie gereizt. „Jetzt wird es ja vielleicht mal interessant! Wie sind denn die Collnhausens so drauf? Vielleicht kann Papa sie ja erpressen, damit sie euch in den Golfclub reinlassen?“
„Jo-se- phi -ne!“ Das war Papa.
Josie wandte sich zu Horri. „Ich finde, das zählt doppelt. Vier zu fünf. Und jetzt pack mal aus.“
„Ach, sie hat mindestens drei hysterische Anfälle bekommen, die durchs ganze Haus geschallt sind, einmal, weil sie ihre – wie war das? – maronenfarbenen Wildleder-Louboutins nicht finden konnte, dann, weil sie einen Altersflecken auf ihrer linken Hand entdeckt hat und schließlich, weil irgendwas nicht perfekt geputzt war. Die reinste Furie. Und er war knurrig und unhöflich und hat sich dann mit dem Sohn gestritten. Worüber, habe ich nicht mitgekriegt, aber es wurde ordentlich mit Türen geknallt und gebrüllt und Chris ist dann mit hochrotem Gesicht raus und mit diesem affigen TT vom Hof gebraust, dass es nur so gestaubt hat. Tessas Zimmer ist ja genau über dem Portal .“ Das letzte Wort mit gespitztem Mündchen.
„Schade, Erpressung fällt flach. Zicke sein ist nicht strafbar – und wahrscheinlich ist das sowieso schon allgemein bekannt.“
„Frau von Collnhausen ist eine sehr verdienstvolle Frau!“ Mama war entrüstet. „Sie kümmert sich um die Waldstettener Kinderstiftung und um die Ausstellungen im Bürgerhaus. Und sie hat die Adventskonzerte in St. Severin angeregt. Wisst ihr noch, letztes Jahr?“
„Was macht denn die Kinderstiftung?“, wollte Josie wissen. „Das klingt ja wenigstens ganz vernünftig.“
„Sie möchte dafür sorgen, dass sie Kinder in der Grundschule ein ordentliches Frühstück bekommen. Auch hier gibt es Eltern, die ihre Kinder ohne Frühstück in die Schule schicken, stellt euch nur vor! Dafür möchte sie irgendwann im Mai einen Ball veranstalten, um Spenden zu sammeln.“
„Verstehe ich nicht. Mit dem Geld, das so ein Ball kostet, könnte man die Kids doch bestimmt monatelang füttern?“
„Ach, Josie!“
„Gilt nicht“, murmelte Horri.
„Wenn man einen solchen Ball gibt, kommen alle Leute, die sich Spenden leisten können. Die Karten kosten, glaube ich, hundertfünfzig Euro pro Stück – und wenn etwa hundert Leute kommen, sind das doch rund fünfzehntausend Euro.“
„Abzüglich der Ballkosten.“ Josie ließ sich nicht beirren. „Ich finde das keine gute Kosten-Nutzen-Relation.“
„Wo Josie Recht hat, hat sie Recht“, warf ihr Vater ein. „Man erwartet wahrscheinlich exorbitante Spenden von uns, damit sich die ganze Sache irgendwie lohnt. Naja, vielleicht kann man auf so einem Ball den einen oder anderen Kontakt knüpfen.“
„Christens kommen bestimmt“, vermutete die Mutter, „und vielleicht auch Petersens. Nathalie Petersen ist ja ebenfalls sehr an Kunst interessiert – obwohl ich finde, sie hat nicht das angemessene Auftreten. Vielleicht ist sie einfach noch zu jung…“
„Vier Karten sind sechshundert Euro – nicht tragisch“, meinte ihr Vater nachdenklich. „Es ist eben einfach eine gesellschaftliche Verpflichtung…“
„Wieso vier? Wollt ihr Letti und Michi mitnehmen? Muss Letti sich nicht irgendwie schonen oder so?"
„Sie ist schwanger, nicht krank“, entgegnete ihre Mutter und bedeutete Elli, abzuräumen. „Aber Michael kann die Karten für seine Frau und sich wohl selbst finanzieren. Die beiden Karten sind für euch. Es ist ja wohl eine soziale Pflicht, so einen Ball zu besuchen!“
Josie stöhnte. „ Kann ich nicht einfach einen Hunderter abdrücken und daheimbleiben?“
„Nein, das kannst du nicht. Und du hast am siebten Mai auch noch nichts vor, jetzt ist mir das Datum nämlich wieder eingefallen.“
„Und wenn doch?“
„Dann sag das gefälligst ab! Und ich erwarte von euch beiden, dass ihr uns Ehre macht. Korrekte Kleidung und gutes Benehmen. Und keine sozialkritischen Ausfälligkeiten! Denkt doch einmal an euren Vater und mich, wir wollen hier schließlich anerkannt werden!“
„Man könnte meinen, die Waldstettener mobben euch“, murrte Josie. „Na gut, ich gehe mit. Aber ein neues Abendkleid kaufe ich mir nicht, das dunkelblaue wird´s ja wohl tun.“
„Mit anständigem Schmuck, ja. Horri, was wirst du tragen?“
Horri grinste ihre Mutter an. „Da brauche ich wohl ein neues Kleid. Aus dem rosa Ding bin ich bestimmt rausgewachsen, und das cremefarbene hat einen Rotweinfleck. Ich kann ja mit Tessa shoppen gehen.“
„Ich denke, Tessa ist so doof?“, wandte Josie ein.
„In der Schule, ja, aber reiten und Klamotten kaufen kann sie.“
„Die ideale Waldstettenerin“, murmelte Josie, aber leider zu leise – ihre Mutter konnte sie nicht so tadeln, dass sie mit Horri gleichziehen konnte. Wenn Horri siegreich blieb, hatte Josie keine Chance, ihre fünf Euro zurückzubekommen. Auch egal.
Ihre Mutter hob die Tafel auf und man scharte sich nebenan um den (kalten) Kamin, um zu plaudern. Josie konnte wieder Boden gutmachen, denn ihre Mutter war von den Windsors fasziniert und Josie konnte als Historikerin doch das eine oder andere historische Detail beisteuern, auch wenn ihr Thema eher das Mittelalter war. Wie standesgemäß Queen Mum vor ihrer Ehe gewesen war, wusste sie allerdings auch nicht – nur, dass sie die Tochter eines schottischen Grafen (oder so ähnlich) gewesen war.
Mamas Gedanken kreisten schon arg um das Gesellschaftliche. Die Krönung für sie wäre wahrscheinlich, in Ascot in die königliche Loge gebeten zu werden… Josie hätte sich bedankt, sie wusste nicht einmal, wie man die Queen korrekt anredete. Oder musste sie die gewöhnlichen Leute anreden? Und worüber sollte man reden? Und was interessierten sie Pferderennen?
Josie war schon ein unnatürlicher Teenager gewesen, der sich nur mäßig für Pferde interessierte und nicht besonders gut reiten konnte. Letti hatte sich früher sogar auf Turnieren herumgetrieben und Horri ritt ebenfalls ausgezeichnet und liebte ihre Lady in Black, die auch wirklich ein reizendes Tier war. Irgendwo gab es ein Foto – Letti auf ihrem Feuervogel, daneben Horri, ganz klein, strahlend auf einem dicken kurzbeinigen Pony – und sie selbst, in Reitklamotten auf dem Koppelzaun sitzend und ein Buch lesend. Total typisch!
Ihr Vater unterhielt sich leise mit Horri, aber Josie konnte nicht viel verstehen, außer dass es immer noch um die Reitbeteiligung für Tessa Collnhausen ging.
Josie fand, man müsste die Eltern fragen, vielleicht war das Reitverbot ja eine pädagogische Aktion ( Tu du erst mal mehr für die Schule! )?
Janne war schlecht gelaunt, kein Wunder, fand Josie. Wenn man seine Hochzeit so legte, dass man – da mitten im Semester – nicht einfach verreisen konnte, war das natürlich ärgerlich.
„Heute ist der neunte“, versuchte sie zu begütigen, „schau mal, es sind doch nur noch zwei Monate und ein paar Zerquetschte, dann könnt ihr euch in die Südsee davonmachen oder wohin auch immer.“
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