„Sie wird’s probieren, aber ob das klappt?“
„Nie!“, sagte die Schmalhans, „völlig unvereinbare Persönlichkeiten. Und die Sternzeichen, Löwe und – Sandra ist doch Krebs, oder? – keine Chance.“
„Hab ich ihr auch gesagt, aber – learning by doing , nicht?“
Ich feixte in meine Unterlagen und aß mein Gesundheitsbrot. Vielleicht konnte er sich gar nicht gegen sie wehren und blieb an ihr kleben? Mir würde das Grinsen nie mehr vergehen!
Nein, die Weiß war nach einer Viertelstunde wieder da, muffigster Laune.
„Der hat schon eine, sie sitzen im Salads und reden.“
„Was haben Sie denn erwartet?“, fragte ich. „Männer in dem Alter haben immer schon eine, wer sollte denn sonst die Hemden bügeln?“
„Aber ich will jetzt auch mal einen!“, maulte die Weiß.
„Wozu denn?“, fragten die Jonas und ich im Chor. „Für den Alltag ja wohl kaum, und das bisschen Sex...“, fuhr ich fort.
„Sagen Sie das nicht“, wandte die Hilz ein und musterte uns mit glitzernden Augen. „Sex ist schon verdammt wichtig.“
„Wie lange hast du diesen Macker jetzt schon?“, fragte die Jonas.
„Sieben Monate, warum?“
„Weil es erwiesen ist, dass die Kerle schnell erlahmen. Plötzlich sind sie total im Stress und müde und haben öfter Kopfweh als Ehefrauen vor hundert Jahren. Das geht bestimmt nicht ewig so.“
„Sprichst du da aus Erfahrung?“, schoss die Hilz zurück, und die Jonas wurde fleckig dunkelrot. „Werd nicht persönlich! Das sind seriöse Untersuchungen, und wenn du mit einem eine Zukunft planst, bloß weil er dir den Hengst macht, dann bist du schön blöd.“
„Lass das mal meine Sorge sein“, fauchte die Hilz, packte einen Korb Briefe und verließ das Zimmer. Die Jonas lächelte versonnen – weil die Hilz ihr einen Gang abgenommen hatte oder weil sie wusste, dass sie Recht hatte?
Sandra Weiß sah verwirrt von einer zur anderen, sagte aber nichts.
Mäßig arbeitsame Stille trat nun ein, erst unterbrochen, als Florian Ingeler kam und wir beide uns in die Besprechungsecke zurückzogen und die Liste der ersten Themen und eine Auswahl verschiedener möglicher Autoren durchgingen. Wer sollte sie ansprechen/anschreiben? Wie konnte man die neue Reihe publik machen? Welche Themen konnten langfristig noch interessant sein? Wie sollte die Reihe äußerlich gestaltet werden? Wir sprachen fast zwei Stunden lang, und Florian – wir duzten uns schon nach einer Stunde, obwohl ich damit sonst nicht so schnell bei der Hand war – war ein netter Kerl. Etwas jung noch, wirklich erst siebenundzwanzig, ein Bürschlein, aber nett. Und lustig, er sah die Arbeitsbedingungen hier mit Humor. Den brauchte man auch!
Wir redeten, planten, lachten und verabredeten uns für nächsten Mittwoch zum Mittagessen – bis dahin wollte er schon einiges in die Wege geleitet haben. Erst als ich Florian zur Tür begleitete und ihm „Mach´s gut“, nachrief, bemerkte ich die allgemein giftigen Blicke. Neid bei Sandra Weiß, klar. Die Jonas hielt mich jetzt wohl für eine Verräterin, weil ich mit einem Mann gescherzt hatte. Der Schmalhans schien das alles ziemlich egal zu sein, aber was passte Pechstein denn jetzt wieder nicht?
„Wenn wir zu laut verhandelt haben, tut es mir Leid“, entschuldigte ich mich steif. Er schaute wieder auf seinen Rechner, antwortete aber nicht.
Die Schmalhans wollte nach einiger Zeit wohl die unbehagliche Stimmung etwas aufhellen. Jedenfalls sah sie sich betont munter um. „Was macht ihr denn alle am Wochenende?“
Sandra Weiß wollte in die Disco, was niemanden wirklich überraschte, die Hilz zog sich wahrscheinlich zu einem Achtundvierzigstunden-Marathon mit ihrem Freund ins Bett zurück, die Jonas schnaufte. Sie selbst wollte an einem Workshop zur Farbenlehre teilnehmen und versprach sich davon tiefschürfende Erkenntnisse. Ich gab zu, joggen, Fitness und vielleicht einen Kinobesuch auf dem Programm zu haben – im CineArt gab es eine Margarethe-von-Trotta-Retrospektive. Pechstein, mehrfach zu Äußerungen aufgefordert, guckte, als wollte sie ihn auf eine Verabredung festnageln, und gab schließlich zu, nichts Besonderes vorzuhaben. Das ließ Sandra wieder giftig gucken, wahrscheinlich dachte sie an die Frau im Salads , die sicher Teil von „nichts Besonderem“ war. Mein Gott, sie hatte doch nicht ernsthaft geglaubt, sich diesen Knaben schnappen zu können? Der spielte nun wirklich in einer anderen Liga!
Ich dachte darüber nach, ob ich mir Amore e paura wirklich noch einmal antun wollte, und nahm mir fest vor, die Spannungen im Raum nicht mehr zu beachten; aber dazu waren sie leider zu spannend. Und war ich als Chefin nicht eigentlich verantwortlich für das Betriebsklima? Chefin war leicht übertrieben... Pechstein hatte die gleiche Position. Zwei Redakteure, drei Sachbearbeiterinnen, eine Hilfskraft: Wieso musste ich dafür sorgen, dass alle miteinander auskamen? Das war doch ohnehin unmöglich, und außerdem hatte ich ja wohl mein Bestes getan.
Ich bastelte noch an einigen Memos herum und schickte sie auf den Weg, kontrollierte unauffällig, was die Damen so geschafft hatten (na, üppig war das nicht gerade!), und fand dann, dass das Wochenende angebrochen sei, basta. Dem widersprach nun keiner, und im Handumdrehen stand ich alleine da. Ach nein, Pechstein war auch noch nicht fertig. Ich stand schon da, die Hand am Lichtschalter, als er noch seinen Rechner herunterfuhr.
„Haben Sie Angst, zu spät zu Ihrer Verabredung zu kommen?“, fragte er spöttisch, als er schließlich an mir vorbeiging und ich den Raum in Dunkelheit versenken und abschließen konnte.
„Kaum“, antwortete ich. „Um Viertel nach fünf?“ Außerdem hatte ich heute Abend wirklich gar nichts vor, aber das ging ihn ja wohl nichts an.
„Wer weiß? Die Geschmäcker sind bekanntlich verschieden, nicht nur bei Autolack.“ Er grinste und zeigte so regelmäßige, weiße Zähne, dass ich sofort an die obskure Werbung aus den USA denken musste, wo man sich eine mit irgendwelchem Brei gefüllte Schiene auf die Zähne klemmen musste, und am nächsten Morgen waren sie strahlend weiß. So eine Schiene würde ihm sicher gut stehen... Demzufolge grinste ich so vergnügt zurück, dass sein Lächeln erlosch und er mich misstrauisch beäugte.
„Schönes Wochenende“, wünschte ich nur und eilte an ihm vorbei in die Tiefgarage. Ich saß schon im Auto, als er an mir vorbeitrabte, und ich schoss schon mit aufheulendem Motor zur Rampe, als sein weißer Elefant gerade erst die Scheinwerfer aufleuchten ließ. Ha! Gewonnen!
Im Supermarkt beschloss ich, den Film morgen zu streichen; ich hatte gar keine rechte Lust, und diese Filme waren doch immer recht mühselig. Nach Mitdenken war mir nicht zu Mute. Lieber überlegte ich mir in Ruhe, was ich nach Regensburg mitnehmen wollte, um diesem Pechstein mal zu zeigen, wie man so etwas professionell anging. Ärgerlich auf mich selbst schob ich meinen Wagen durch die Gänge und hätte beinahe eine alte Dame gerammt, die hinter mir herzeterte, obwohl ich mich doch entschuldigt hatte. Wieso konnte mich ein blöder Kollege so beschäftigen? Außerdem wusste ich gar nicht, was er vorher gemacht hatte, vielleicht war er schon auf tausend Kongressen gewesen und verstand vom Kofferpacken mehr als ich? Und obendrein konnte er mich auch nicht leiden und würde keinesfalls beeindruckt sein, egal, welche Kunststücke ich vorführte. Also, wozu der ganze Stress?
Eine Miniflasche Shampoo brauchte ich auf jeden Fall noch – und das neue Fernsehprogramm. Ach ja, und Taschentücher, Balsamico und ein Glas Mixed Pickles. Der Supermarkt war voller Idioten, die ihre Wagen irgendwo stehen ließen, selbst stundenlang unbeweglich im Gang aufgepflanzt ein Regal studierten, auf ein zunehmend gereiztes Darf ich bitte mal? nicht reagierten, aber auf Taub auch noch giftige Blicke um sich warfen. Man sollte sich alles im Internet bestellen und es sich nach Hause liefern lassen, aber da sah man nicht, was sie alles hatten. Und es kostete mehr.
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