1 ...6 7 8 10 11 12 ...15 „Ja, wenn jeder etwas mitbringt, das wäre wohl das Beste... Könnten Sie wieder diesen Super-Garnelensalat machen? Der ist einfach toll.“ Leonie versuchte, nicht geschmeichelt dreinzuschauen, und versprach den Salat.
„Und versuchen Sie, Frau Weiters ein bisschen Vernunft beizubringen“, bat sie die beiden, die schon im Gehen waren, „damit sie sich von ihrem Zahnarzt nicht völlig über den Tisch ziehen lässt.“Sie vertiefte sich wieder in den mickrigen Prospekt. Hatte Petersen nicht was von Expansion gesagt? Nein, Tiefenbacher... Füller und so – im gleichen Design? Bei Füllern gab es drei Möglichkeiten – poppig (Zielgruppe: Schüler unter sechzehn, rosa Herzchen oder Fußballer...), traditionsfixiert (ältere Herren und Leute, die ab und an eine wichtige Unterschrift leisten mussten) und spacig, aus gebürstetem Edelstahl (Managertypen jeden Alters und Geschlechts). Wenn man natürlich das Poppige mit dem Edelstyle verbinden könnte – niemand war so markengeil wie Teenager, deshalb ja die dauernden Debatten über Schuluniformen - das brächte Umsatz. Vielleicht mehrere Linien. Oder das Poppige bei den Finelinern, damit schrieben die Schüler doch sowieso am liebsten. Und für Erwachsene schöne Sets – Füller, Kugelschreiber, Druckbleistift, dünner Marker... und ja keine eigenständige Patronenform, das schreckte bloß ab. Die Standardform war das Beste. Überhaupt, gute Tinte in interessanten Farben – und wirklich gute Kuliminen, die nicht schmierten – oder wollte Veit das nicht selbst produzieren? Sie notierte sich die Fragen in ihren Filofax auf einer neuen Seite und schrieb groß VEIT darüber.Halb fünf – sollte sie da noch anrufen? Ach, warum nicht?Bei Veit schien die Linke nicht zu wissen, was die Rechte tat, jedenfalls dauerte es etwas, bis sie zu Patrick Veit durchgestellt wurde, der am Telefon recht sympathisch klang, aber reagierte, als habe er von XAM! und dem entsprechenden Auftrag noch nie gehört. Na, vielleicht wollte er nur solche Dinge nicht am Telefon besprechen? Oder er war nicht der, mit dem Petersen gesprochen hatte. Hatte der nicht Marius geheißen? Gab´s da eine Doppelspitze? Egal, am Montag würde sie es ja sehen. Dieser Patrick bat sie jedenfalls am Montag um Viertel nach acht zu sich und erklärte auch, wie er zu finden war. Damit war das Problem auch abgehakt.
Leonie stellte aus älteren Kampagnen einen netten kleinen Ordner zusammen, der ihre bisherigen Erfolge widerspiegelte, und fand dann, dass es für heute reichte – draußen war es ohnehin schon verdächtig ruhig.
Tatsächlich, als sie nachschaute, war niemand mehr da – aber natürlich hatten sie wieder mal das Licht angelassen. Das beschrieb diese Bande ziemlich gut, fand sie und musste grinsen. Rasch löschte sie die Lichter und klemmte sich ihre Tasche und ihre frisch zusammen gestellte Mappe unter den Arm, dann schloss sie alles ab und verzog sich auch ins Wochenende. Auf dem Parkplatz standen nur noch vier Wagen außer ihrem eigenen – ein großer dunkler BMW, der wahrscheinlich Petersen gehörte, ein schrottreifer Polo der allerersten Generation (der musste älter sein als sie selbst, überlegte sie), ein VW-Bus, der sie an Zurück in die Zukunft erinnerte und ein gesichtsloser silberner Japaner.Wem die anderen Wagen wohl gehörten? Sie schloss ihren Golf auf und stieg ein. Vielleicht sollte sie bei Veit vorbeifahren, damit sie am Montagmorgen nicht kostbare Zeit damit vertrödelte, den Laden zu suchen. Heisenbergweg... das konnte nicht allzu weit weg sein, nachdem die XP im Max-Planck-Weg residierte. Eigenartig, dass die Zollinger MiniCity nicht nach irgendwelchen Wirtschaftsgrößen benannt war, wenigstens Friedrich List oder Alfred Krupp, sondern nach Wissenschaftlern, die mit der kommerziellen Umsetzung ihrer Erkenntnisse nicht viel am Hut gehabt hatten, soweit sie wusste.Sie studierte den Plan: Wenn sie den Max-Planck-Weg bis zur nächsten Ecke fuhr und dann die Einsteinstraße nahm (die örtliche Hauptstraße) und die nächste wieder links fuhr, dann musste sie doch eigentlich im Heisenbergweg landen... Dann war Veit ja genau hinter ihnen? Sie hätte zu Fuß gehen können, einfach über den Parkplatz und am Gebäude vorbei! Gut zu wissen, falls bei Veit die Parkplätze knapp waren.Eigenartig, fand sie, als sie zweimal links abgebogen war und das Gebäude der Veit KG aufmerksam studierte: hochmodern, richtig spacig, verspiegelt und auf Säulen, die das Erdgeschoss ersetzten. Schick. Aber wie passte das zu der sonst eher altmodischen Produktpalette? Besser Palettchen , dachte sie sich abfällig. Veit musste erst kürzlich hierher gezogen sein; wenn sein Vater so verbissen an diesen Bleistiften Marke Fünfziger Jahre festgehalten hatte, hätte er dieses Gebäude sicher scheußlich gefunden. Sie gab Gas und schlug den Weg nach Hause ein.Fünfziger Jahre... man könnte Bleistifte zu verschiedenen Epochen gestalten... Retrolook perfekt... und diese historischen Anzeigen gefielen ihr immer noch. Vielleicht geteilt... links einer im Vatermörder oder mit Gelkopf, in einem richtig alten Büro – und rechts jemand von heute, schicker Anzug, Handy, fetter Vertrag, Unterschrift mit Veit-Füller... Damals wie heute: Gute Tradition .
Der Slogan war gar nicht schlecht, fand sie und hielt bei der erstbesten Gelegenheit an, um ihn zu notieren. Bis Montag musste sie eine Fülle von Ideen haben, um ihrem Ruf gerecht zu werden!
Nach einem kurzen Umweg zum Supermarkt und zur Reinigung kam sie endlich zu Hause an, bepackt mit Tasche, Ordner, zwei Kostümen in Folie und drei Tüten voller Lebensmittel inklusive Duschgel und Reinigungsspray.
Na, dann an die Arbeit! Schließlich wollte sie ja das Wochenende über in Ruhe ein paar Konzepte für Veit skizzieren und ansonsten nett spazieren gehen, mit Lena und Rieke telefonieren, falls es sich ergab, vielleicht diesen Gruselkrimi fertig lesen, in dem die Gliedmaßen verschwundener schöner Frauen nur so herumkullerten, und sich ein langes, heißes Ölbad gönnen. Der Gedanke Eigentlich muss ich noch putzen und waschen würde da nur stören.
Sie sortierte rasch die Schmutzwäsche durch und stopfte eine Ladung in Blautönen in die Maschine, gab zwei Tabs und einen Schuss Weichspüler dazu, knallte die Tür zu und schaltete die Maschine ein, dann verräumte sie ihre Einkäufe, hängte die Kostüme in den Schrank, zog ihr Bett ab, raste mit dem Staubtuch durch alle drei Zimmer, schaltete bei der Gelegenheit gleich den Rechner ein, holte den Staubsauger hervor, sammelte eine abgelaufene Fernsehzeitschrift und die Tageszeitungen der letzten Woche ein und warf sie in den Altpapierkorb, holte die fertige Wäsche aus der Maschine und hängte sie auf, ärgerte sich, weil sie jetzt um das Gestell herumsaugen musste, stopfte Bettwäsche und Handtücher in die Maschine, legte Decke und Kissen in die Abendsonne auf dem Balkon, saugte die Matratze ab und gleich den Schlafzimmerboden, ging Müll und Altpapier entsorgen, saugte Wohnzimmer und Arbeitszimmer durch (wie schön das Ahornparkett glänzte, wenn die Staubmäuse verschwunden waren!), stopfte die zweite Wäscheladung in den Trockner und füllte die Waschmaschine zum dritten Mal, räumte den Flur auf und putzte ihn, stellte den Staubsauger in die Abstellkammer zurück, holte das Bettzeug wieder herein und bezog es frisch (weicher Baumwollsatin in zarten Blau-, Türkis- und Lavendeltönen, ihr liebster Bezug), versprühte etwas Jasminduft im Schlafzimmer, putzte im Bad Becken, Wanne, Dusche und Toilette und wischte über die zartgelben Kacheln, hängte neue Handtücher auf, räumte die Spülmaschine ein, wischte alle Arbeitsflächen und schließlich auch den Küchenfußboden und sah sich schließlich etwas atemlos um. Nicht schlecht, knapp zwei Stunden. Wenn die Wäsche nicht immer so lange dauern würde, könnte sie noch schneller fertig werden.
Immerhin, jetzt kam die Maschine jaulend zum Stehen; sie räumte sie schnell aus und schaltete dafür die Spülmaschine ein.
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