Unser geschicktes Einlaufen war auf den dort stationierten englischen Kriegsschiffen bemerkt worden. Sofort kamen mehrere Offiziere an Bord, die unseren Kapitän in Anerkennung des brillanten Manövers herzlich beglückwünschten und sich in den schmeichelhaftesten Lobeserhebungen ergingen.
Unser Kapitän dankte in der liebenswürdigsten Weise, lehnte aber, indem er mich als den eigentlichen Urheber vorstellte, jedes Lob als unverdient ab.
„Well Sir“, begann sofort der älteste jener Herren, mir die Hand reichend, „that was well done!“
Ich erwiderte den Druck der Hand und meinte, dass unser Manöver wohl kaum eine so ehrende Auszeichnung verdiene. Einen Moment schien die Aufmerksamkeit des freundlichen Offiziers auf eine andere Betrachtung gerichtet, wozu vielleicht meine fremdartige Aussprache oder meine vom englischen Typus abweichende Gesichtsbildung Veranlassung gab:
„Aber Sie sind doch Engländer“, meinte jetzt der etwas betroffene Frager in Ermangelung eines geschickten Überganges, „ein solches Manöver kennt man bei keiner anderen Nation!“
„Dennoch bin ich kein Engländer.“
„Nein! Kein Engländer? Nun, dann sind Sie es jedenfalls wert, einer zu sein!“ Ein solcher Ausspruch galt zu jener Zeit als das größte Kompliment...
Nachdem wir unsere Passagiere und mannigfaltige Ladung vorschriftsmäßig gelöscht,... nahmen wir Ballast ein und richteten unseren Kurs, Fracht suchend, nach Madras. Leider herrschte hier zu jener Zeit eine große Geschäftslosigkeit, die eine zahllose Anzahl von Schiffen ebenfalls zur Untätigkeit zwang...
Unser Kapitän war kein Freund von langem Ausharren. Abermals wurde der Kurs verändert und dann nach Penang in der Malakkastraße gesegelt. Das Glück war uns hier günstiger. Wir erhielten eine volle Ladung Zucker für London und kamen jetzt in die Stimmung, die landschaftlichen Reize aufmerksamer zu betrachten. Time is money, sagt der Engländer und wir Deutschen huldigen dieser merkantilischen Regel in der zarteren Form: Erst das Geschäft, dann das Vergnügen. – Penang, die hervorragendste Stadt auf der Insel Prince of Wales übt selbst auf den an Naturschönheiten gewöhnten Beschauer einen angenehmen Eindruck, allein dem monatelang zwischen Himmel und Wasser geschaukelten Seemanne gewährt die pittoreske, mit üppiger Vegetation gesegnete, farbenschimmernde Umrahmung einen besonders erquickenden Anblick. Der sogenannte Government-Hill, welcher die terrassenartig erbaute Stadt krönt, bietet bei einer regelmäßigen frischen Brise einen gesunden und zugleich angenehmen Aufenthalt. Während in der tief gelegenen Stadt am Tage meist eine unerträgliche Hitze und nachts eine empfindsame Kälte herrscht, erfreut man sich hier oben einer regelmäßigen, dem italienischen Klima ähnlichen Temperatur und genießt außerdem eine über die Malakkastraße hinausreichende, entzückende Fernsicht...
Der Aufenthalt in dem fruchtreichen Penang war mit der völligen Übernahme unserer Ladung beendet. Die NORWOOD wandte sich wieder heimwärts. Wochenlang von einer prachtvollen Fahrt begünstigt, wurde sie auf der Höhe von Mauritius von einem jener heftigen Orkane heimgesucht, die unter den Schiffen eine grausame Zerstörung anrichten, welche der hervorragendsten Insel des Indischen Ozeans nicht zur besonderen Empfehlung gereicht. Fast scheint es, als ob die wütenden Stürme den Zweck verfolgten, die finanzielle Lage der Insel zu verbessern, indem sie die beschädigten Schiffe zum Anlaufen und Ausbessern zwingen. Auch die NORWOOD hatte vieles opfern müssen und war zu einem mehrwöchentlichen Aufenthalte zwecks Anschaffung neuer Masten und sonstiger von der See verschlungener Gegenstände verurteilt.
Besonders Angenehmes wüsste ich von Mauritius nicht zu berichten, unzählige Ratten spazieren hier mit einer Dreistigkeit herum, als wären sie ganz allein Herren der Insel, weder die einheimische Bevölkerung, noch die eingewanderten indischen Kulis erschweren die Existenz dieses hässlichen Ungeziefers, auch von den massenhaft auftretenden Insekten, Skorpionen und Tausendfüßlern hat man keine sehr angenehme Unterhaltung zu gewärtigen; nur die Jagd auf wilde Schweine und Ziegen, welche zu Tausenden in den nahen Bergen hausen, bietet eine angenehme, dabei recht lohnende Abwechslung.
Übrigens besitzt die Insel einen sehr fruchtbaren Boden, welcher seinen Bewohnern meist eine reiche Zuckerernte liefert; aber es fehlt der zum größten Teile aus Malaien, Madagassen, Ungern, Chinesen und Singalesen bestehenden Bevölkerung ein energisches Streben, wodurch Mauritius sehr leicht zu einer größeren Bedeutung, höheren Kultur und ansehnlicherem Reichtum gelangen könnte.
Wind und Wetter waren beim Antritt unserer Weiterreise so vorzüglich, dass wir die unliebsame Verzögerung sehr bald wieder ausgleichen konnten und doch wenigstens eine ziemlich gute Reise verzeichnen durften. Die Zweckmäßigkeit unseres Anlaufens von St. Helena habe ich nie recht begreifen können, es scheint die Annahme begründet, dass jeder englische Kapitän zu jener Zeit es als eine patriotische Pflicht erachtete, die Insel zu betreten, welche einst dem gewaltigen Korsen zum Aufenthalt angewiesen war. Hier oben in der Meierei Longwood, die ich mit dem Kapitän selbstverständlich besuchte, war das große Irrlicht erloschen.
Eine eigenartige Empfindung hatte sich meiner bemächtigt; unwillkürlich musste ich an mein teures Vaterland denken, das jahrelang unter den Krallen des Eroberers geblutet, an all das Elend, das die Kriegsfackel auf deutschen Boden geschleudert – aber auch an die glorreiche Erhebung unseres Volkes, das die Henkersketten gewaltsam gesprengt hatte...
Ohne weiteren Unfall wurde Englands Vorratskammer, das mächtige London, erreicht. Noch bevor unsere Ladung gelöscht, erhielt ich die Mitteilung, dass die NORWOOD abermals von der englischen Regierung gechartert und demnächst eine Fracht zu befördern habe, wie sie erfreulicherweise nur sehr selten am Markt ist. Dreihundert Verbrecher sollten ihrem Verbannungsorte Freemantle in S. W. Australien zugeführt werden; die NORWOOD hatte den Vorzug erhalten, diese unbehagliche Expedition auszuführen. Voraussichtlich verging eine längere Zeit, bevor unser Fahrzeug in der Verfassung war, diese geschlossene Gesellschaft an Bord empfangen zu können.
Die Ausführung der geplanten Sicherheitsmaßregeln war zwar meiner Beaufsichtigung unterstellt, aber sie gewährte mir angenehmerweise noch so viele freie Zeit, um meine längst gehegte Absicht, das englische Kapitänsdiplom zu erlangen, jetzt ausführen zu können. Wohlweislich hatte ich bei jeder Gelegenheit danach gestrebt, mir die für meinen Beruf erforderlichen Kenntnisse anzueignen. Mein ganzes Sehnen und Trachten galt nur dieser Bestrebung und der väterlichen Mahnung: Begnüge dich nicht mit dem Erreichten, suche die höchste Stufe, welcher deiner Lebensaufgabe beschieden ist, zu ersteigen. Nach Beendigung des ziemlich umfangreichen Examens empfing ich mein Diplom, das zu jener Zeit von jedem Seefahrer hoch geschätzt wurde, und das ich im Urtext dem geehrten Leser hiermit unterbreite. Das auf Pergamentpapier ausgeführte Schriftstück lautet:
By the Lords of the Committee of Privy Council for Trade.
Certificate of Competency
as
Master,
to Alfred Friedrich Tetens
Whereas it has been reported to us that you have been found duly qualified to fulfil the duties of Master in the Merchant Service we do hereby in pursuance of the Merchant Shipping Act 1854 grant you this Certificate of Competency.
Given under the Seal of the Board of Trade, this twenty seventh day of December 1861.
By order of the Board
Registered
Alex. Johnson W. H. Walker
Entered at the General Register and Record Office of Seamen
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