Hansjürgen Blinn (Hrsg.) - Wilde Küsse

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"… Wilde Küsse" ‒ nur eine von vielen metaphorischen Wendungen für das Begehren aller Liebenden, die geschlechtliche Vereinigung. Auf sie zielen die Gedichte dieses Bandes. Alle streben danach, die einen verhaltener, die anderen deutlicher… Zurückhaltend wirken die dreiunddreißig Gedichte des ersten Teils, der mit «Liebe mich!» überschrieben ist. Hier wird Liebe als Sehnen und Begehren thematisiert. Die oder der Geliebte ist oft fern, unerreichbar, manchmal auch nur ein Traum- oder Wunschbild, nach dem sich die Liebenden verzehren. Ist die Angebetete nah und verweigert sich den Wünschen des Verehrers, so fleht er sie an, bietet Geschenke, bedrängt sie, bestürmt sie, will sie erobern. Wird er Erfolg haben? – Bei der zweiten Gruppe von dreiunddreißig Gedichten, die den Titel «Küss mich!» trägt, ist männliches wie weibliches Begehren noch drängender; die Liebenden verspüren körperliche Qualen, wenn der Wunsch nach Nähe ‒ in diesen Gedichten im leidenschaftlichen Kuss symbolisiert ‒ nicht erfüllt wird oder erfüllt werden kann. Im dritten Teil, der wiederum dreiunddreißig Gedichte enthält, geht es ‒ endlich! ‒ zur Sache. «Nimm mich!», lautet die bezeichnende Überschrift. Die Texte werden nun recht konkret, teilweise überdeutlich. Hier beschränken sich die Protagonisten nicht mehr aufs Sehnen und Begehren. Hier werden Wünsche wahr. Im Ineinanderschmelzen der Liebenden wird die Sehnsucht gestillt, das Begehren erfüllt… ‒ metaphorisch als Sterben oder «kleiner Tod» bezeichnet… «Ich flehe dich um Wunden und um Male / Von deinen Händen, die mich heilig sprechen. / Du sollst das Glied, das du gesaugt, zerbrechen. / Das steif geragt in deine Kathedrale.» (Friedrich Schlegel)

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Hansjürgen Blinn (Hrsg.)

Wilde Küsse

99 Gedichte für Liebende

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Inhaltsverzeichnis Titel Hansjürgen Blinn Hrsg Wilde Küsse 99 Gedichte für - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Hansjürgen Blinn (Hrsg.) Wilde Küsse 99 Gedichte für Liebende Dieses ebook wurde erstellt bei

Liebe mich! Hansjürgen Blinn (Hrsg.) Wilde Küsse 99 Gedichte für Liebende Dieses ebook wurde erstellt bei

Mignon Mignon Nur wer die Sehnsucht kennt, Weiß, was ich leide! Allein und abgetrennt Von aller Freude, Seh ich ans Firmament Nach jener Seite. Ach! der mich liebt und kennt, Ist in der Weite. Es schwindelt mir, es brennt. Mein Eingeweide. Nur wer die Sehnsucht kennt, Weiß, was ich leide! Johann Wolfgang Goethe

Der Flug der Liebe Der Flug der Liebe Wenn ich ein Vöglein wär, Und auch zwei Flüglein hätt’, Flög ich zu dir; Weil es aber nicht kann sein, Bleib ich allhier. Bin ich gleich weit von dir, Bin ich doch im Schlaf bei dir, Und red’ mit dir: Wenn ich erwachen tu, Bin ich allein. Es vergeht keine Stund’ in der Nacht, Da mein Herze nicht erwacht, Und an dich gedenkt, Dass du mir viel tausendmal Dein Herz geschenkt. Johann Gottfried Herder

[Du bist mein Mond] [Du bist mein Mond] Du bist mein Mond, und ich bin deine Erde; Du sagst, du drehest dich um mich. Ich weiß es nicht, ich weiß nur, dass ich werde In meinen Nächten hell durch dich. Du bist mein Mond, und ich bin deine Erde; Sie sagen, du veränderst dich. Allein du änderst nur die Lichtgebärde, Und liebst mich unveränderlich. Du bist mein Mond, und ich bin deine Erde; Nur mein Erdenschatten hindert dich, Die Liebesfackel stets am Sonnenherde Zu zünden in der Nacht für mich. Friedrich Rückert

Die Beiden Die Beiden Sie trug den Becher in der Hand – Ihr Kinn und Mund glich seinem Rand –, So leicht und sicher war ihr Gang, Kein Tropfen aus dem Becher sprang. So leicht und fest war seine Hand: Er ritt auf einem jungen Pferde, Und mit nachlässiger Gebärde Erzwang er, dass es zitternd stand. Jedoch, wenn er aus ihrer Hand Den leichten Becher nehmen sollte, So war es beiden allzu schwer: Denn beide bebten sie so sehr, Dass keine Hand die andre fand Und dunkler Wein am Boden rollte. Hugo von Hofmannsthal

[Dû bist mîn] [Dû bist mîn] Dû bist mîn, ich bin dîn: des solt dû gewis sîn. dû bist bezlozzen in mînem herzen: verlorn ist daz slüzzelîn: dû muost immer drinne sîn. Anonym

Das Rosenband Das Rosenband Im Frühlingsschatten fand ich sie; Da band ich sie mit Rosenbändern: Sie fühlt’ es nicht, und schlummerte. Ich sah sie an; mein Leben hing Mit diesem Blick’ an ihrem Leben: Ich fühlt’ es wohl, und wusst’ es nicht. Doch lispelt’ ich ihr sprachlos zu, Und rauschte mit den Rosenbändern: Da wachte sie vom Schlummer auf. Sie sah mich an; ihr Leben hing Mit diesem Blick’ an meinem Leben, Und um uns ward’s Elysium. Friedrich Gottlieb Klopstock

Mit einem gemalten Band Mit einem gemalten Band Kleine Blumen, kleine Blätter Streuen mir mit leichter Hand Gute junge Frühlingsgötter Tändelnd auf ein luftig Band. Zephyr, nimm’s auf deine Flügel, Schling’s um meiner Liebsten Kleid; Und so tritt sie vor den Spiegel All in ihrer Munterkeit. Sieht mit Rosen sich umgeben, Selbst wie eine Rose jung. Einen Blick, geliebtes Leben! Und ich bin belohnt genung. Fühle, was dies Herz empfindet, Reiche frei mir deine Hand, Und das Band, das uns verbindet, Sei kein schwaches Rosenband! Johann Wolfgang von Goethe

Willst du dein Herz mir schenken Willst du dein Herz mir schenken Willst du dein Herz mir schenken, So fang es heimlich an, Dass unser beider Denken Niemand erraten kann. Die Liebe muss bei beiden Allzeit verschwiegen sein, Drum schließ die größten Freuden In deinem Herzen ein. Behutsam sei und schweige Und traue keiner Wand, Lieb innerlich und zeige Dich außen unbekannt. Kein Argwohn musst du geben, Verstellung nötig ist, Genug, dass du, mein Leben, Der Treu versichert bist. Begehre keine Blicke Von meiner Liebe nicht. Der Neid hat viele Tücke Auf unsern Bund gericht! Du musst die Brust verschließen, Halt deine Neigung ein, Die Lust, die wir genießen, Muss ein Geheimnis sein. Zu frei sein, sich ergehen, Hat oft Gefahr gebracht. Man muss sich wohl verstehen, Weil ein falsch Auge wacht. Du musst den Spruch bedenken, Den ich vorher getan: Willst du dein Herz mir schenken, So fang es heimlich an. Anonym

Willkommen und Abschied Willkommen und Abschied Es schlug mein Herz, geschwind zu Pferde! Es war getan fast eh gedacht; Der Abend wiegte schon die Erde, Und an den Bergen hing die Nacht: Schon stand im Nebelkleid die Eiche, Ein aufgetürmter Riese, da, Wo Finsternis aus dem Gesträuche Mit hundert schwarzen Augen sah. Der Mond von einem Wolkenhügel Sah kläglich aus dem Duft hervor, Die Winde schwangen leise Flügel, Umsausten schauerlich mein Ohr; Die Nacht schuf tausend Ungeheuer; Doch frisch und fröhlich war mein Mut: In meinen Adern welches Feuer! In meinem Herzen welche Glut! Dich sah ich, und die milde Freude Floß von dem süßen Blick auf mich; Ganz war mein Herz an deiner Seite Und jeder Atemzug für dich. Ein rosenfarbnes Frühlingswetter Umgab das liebliche Gesicht, Und Zärtlichkeit für mich – ihr Götter! Ich hofft es, ich verdient es nicht! Doch ach, schon mit der Morgensonne Verengt der Abschied mir das Herz: In deinen Küssen welche Wonne! In deinem Auge welcher Schmerz! Ich ging, du standst und sahst zur Erden, Und sahst mir nach mit nassem Blick: Und doch, welch Glück, geliebt zu werden! Und lieben, Götter, welch ein Glück! Johann Wolfgang von Goethe

[Ich liebe dich] [Ich liebe dich] Ich liebe dich wie mein Leben, Ich liebe dich also sehr; Ich möcht einen Ring dir geben Von Golde und Steinen schwer. Ich möcht alle Blumen pflücken Auf schimmernden Bergeshöhn, Deine liebe Stirne zu schmücken Und deine Locken schön. Ich möcht alle Vögel bringen Aus Wiese, aus Berg und Wald: Die sollten mir klingen und singen Von deiner schönen Gestalt! Georg Weerth

[Du liegst mir so gern im Arme] [Du liegst mir so gern im Arme] Du liegst mir so gern im Arme, Du liegst mir am Herzen so gern! Ich bin dein ganzer Himmel, Du bist mein liebster Stern. Tief unter uns, da wimmelt Das närrische Menschengeschlecht; Sie schreien und wüten und schelten, Und haben alle recht. Sie klingeln mit ihren Kappen Und zanken ohne Grund; Mit ihren Kolben schlagen Sie sich die Köpfe wund. Wie glücklich sind wir beide, Dass wir von ihnen so fern – Du birgst in deinem Himmel Das Haupt, mein liebster Stern! Heinrich Heine

Die Sirene Die Sirene Auf Bergen nicht und nicht im Tal Wohnt Liebesglück, Von Tal und Bergen treibt die Qual Dich bald zurück, Die Heimat weicht, die Ruhe flieht Wie Sehnsucht dich in ihre weiten sanften Kreise zieht. Sehnsucht hat ein Tor erbaut, Drinnen lacht das Lachen, schmachten Süße Blicke, dir entgegen schaut Der Kuss, die Arme nach dir trachten; O komm zum Schloss, auf Bergen nicht und nicht im grünen Tal, O endlich, endlich komm zum trauten Kämmerlein einmal. Rubinen glänzen in dem Saal, Dir winkt das Hochzeitbette, O küsst` ich dich ein einzigmal, O dass ich dich in Armen hätte, Dir in die lieben Augen tief zu sehn, Und Kuss auf Kuss in Wollust zu vergehn. Ludwig Tieck

Die Sehnsucht peitscht Die Sehnsucht peitscht Die Sehnsucht peitscht mit scharfem Dorn, Sie reitet mich wild Und gibt mir den Sporn, Und ob mein Herz streitet, Sie macht mir die Hände zu Hufen aus Horn Und rennt mit mir durch die Wände. Die Sehnsucht, sie ist wie Salz im Meer, Die Zunge wird mir bitter, Und Durst klebt schwer In Gaumen und Brust. Und wie der Schaum auf Wellen lebt, So mir die Sehnsucht am Munde schwebt. Wie Wellen, die sich erdrücken müssen, Erdrücken sich meine verlassenen Lippen In Sehnsucht nach deinen Küssen. Max Dauthendey

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