Hansjürgen Engel - Pauls Erwachen

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Paul fühlt sich von einer «Albanerbande» verfolgt, von seinem besten Freund hintergangen und vom eigenen Vater als naiven Jungen hingestellt, der endlich seine Kinderträume ablegen solle.
Unter heftigen Seelenqualen leidend, erfährt der Knabe in nächtlicher Kinderzimmer-Einsamkeit eine im Herzen wundersam spürbare Ermutigung, sich auf die Suche nach der Wahrheit hinter den Erscheinungen dieser Welt und den wohlfeilen Erklärungen der Erwachsenen zu machen. Auf seinem Wege trifft er auf einen alten, weisen Mann, der ihn lehrt, die Welt mit anderen Augen zu sehen.
In ihren immer tiefgründiger werdenden Gesprächen geht es zuletzt um die existentiellen Fragen des Lebens, um Sinn und Zweck allen Daseins, weil der Junge sich nicht scheut, unvoreingenommen zu fragen, was ihn bewegt und was er nicht versteht, und der alte Mann ihn auf ebenso gütige wie anschauliche Weise lehrt, was zu hören in dieser geschäftigen Welt selten nur auf offene Bereitschaft trifft.

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Hansjürgen Engel

Pauls Erwachen

Ein junger Mensch auf der Suche nach der Wahrheit hinter den Erscheinungen

Dieses ebook wurde erstellt bei

Inhaltsverzeichnis Titel Hansjürgen Engel Pauls Erwachen Ein junger Mensch auf - фото 1

Inhaltsverzeichnis

Titel Hansjürgen Engel Pauls Erwachen Ein junger Mensch auf der Suche nach der Wahrheit hinter den Erscheinungen Dieses ebook wurde erstellt bei

Einleitung

Der Zusammenprall mit Rudi

Die Angst nagt an der Seele

Der Kampf mit dem Dämon

Ein Geschenk mit Symbolkraft

Harter Kampf auf weichem Rasen

Vaters Botschaft an den Sohn

Der Traum vom Rentier Rudolf

Die Suche beginnt

In der Stube eines alten Mannes

Der Blick ins Universum

Das Festmahl der Tiere

Pauls Filter im Kopf

Blick durch das Oktoskop

Pauls Kopf im Brumm-Stein

Die wunderbare Welt

Impressum neobooks

Einleitung

Pauls Erwachen

Ein junger Mensch auf der Suche nach der Wahrheit hinter den Erscheinungen

Von Hansjürgen Engel

Einleitung

Kann die Wahrheit gefunden werden in dieser Welt? Die Wahrheit hinter all den Erscheinungen, die für wirklich gehalten und dazu erklärt werden. Und wer machte sich je auf, sie zu suchen? Eine Wahrheit, die nicht von dieser Welt ist, und die doch von näher ruft als des Menschen Herz schlägt. Doch der Mensch hört die Wahrheit nicht. Denn die Welt um ihn ist laut und geschäftig. Und sie hat tausend und abertausend eigene Wahrheiten kreiert und begründet und huldigt ihnen in so vielerlei Formen, dass die Leere ihres Inhalts unweigerlich mit der Fülle des Nichts in Verwechslung gerät.

Am ehesten ließe sich eine aufrichtige Suche nach der Wahrheit noch den Kindern zubilligen. Denn Kindern ist offensichtlich, dass sie nicht verstehen, was sie wahrnehmen, und deshalb fragen sie unvoreingenommen, was es bedeutet. Von einem solchen Kind soll hier die Rede sein. Es ist kein Kind, das herausragende Talente besitzt, kein auffälliges Äußeres, es kommt vielmehr aus einem Milieu wie unzählige andere auch und kämpft seinen Kampf in einem an Jahren noch jungen Leben wie alle mit und neben ihm gleichermaßen. Mit einer kleinen Ausnahme vielleicht: Dieses Kind hat tief in seinem Inneren etwas sich regen gespürt, das ihm wundersam und ermutigend zugleich erschienen ist. Diese geistige Regung, von eines Momentes Dauer nur, kaum länger als drei Herzschläge hallen, hat genügt, sich zu öffnen für das Neue und Unerwartete und sich ihm in vollkommener Offenheit anzuvertrauen, äußeren wie inneren Widerständen mutig trotzend, was in dieser Hinsicht vielleicht doch außergewöhnlich zu nennen wäre.

Pauls Kampf mit inneren Mächten

Es kam kein Schlaf. Paul lag unerbittlich seinen Empfindungen ausgeliefert, lauter hässlichen, schmerzhaften und aufwühlenden Gefühlen: dem Hass gegen die Albanerbande, dem Mitleid mit sich selber, der Ratlosigkeit und Sehnsucht nach Trost. Aber Trost kam nicht, stattdessen teuflischer Albdruck auf Herz und Lunge. So hatte er die Angst noch nie an seiner Kehle gefühlt. Er lag fest gebannt auf dem Laken und von Furcht verzehrt. Warum nur, warum? Er fand keine Erklärung. Stattdessen liefen die Ereignisse des Tages noch einmal wie ein bizarrer Film an ihm vorüber. Und das alles im Angesicht seines achten Geburtstages, auf den er sich so sehr gefreut hatte.

Schwül war es gewesen an diesem 5. August. Die Luft lag wie eine Bleiweste über dem Flusstal. Und das Städtchen, in dem der Junge wohnte, wirkte um die Mittagszeit temperamentvoll wie eine Wanderdüne. Allein Paul war aktiv, hyperaktiv. Er wirbelte auf seinem knallroten Fahrrad wie eine Windhose durch die staubtrockenen, menschenleeren Gassen in Richtung Anger, vorbei an den vertrauten Fachwerkhäusern, deren Gebälk stumm Kreuze schlug.

“Seppi, Seppi”, schrie der blondgelockte Junge mit hochrotem Kopf durch die Häuserfurt, schleuderte sein Rad auf das matte Pflaster und stürmte in eines der dreigeschossigen Gebäude. Seppi, der eigentlich Sebastian hieß, den aber selbst die eigenen Eltern nur mit Spitznamen riefen, empfing die Alarmsignale seines Freundes wie Sturmgeläut und eilte mit wehenden Haaren an die Wohnungstür in der zweiten Etage.

“Was ist los?“, brüllte er, auf spitzen Zehen die Stupsnase über die Holzbrüstung schiebend, durch das enge Treppenhaus nach unten, von wo der Wirbelwind mit den kurzen Beinen sich Stufe um Stufe keuchend nach oben drehte.

“Die Albaner, die Albaner...”, doch weiter kam Paul nicht. Außer Puste stand er mit wackligen Knien vor seinem zaunlattendünnen Freund und hechelte wie ein Setter nach erfolgloser Hasenjagd. “Die Albaner planen einen Überfall”, stieß er schließlich stoßweise zwischen den weiß glänzenden Zahnreihen hervor.

“Wie? Überfall? Wo?” Seppi sah seinen besten Kumpel mit fiebernden Augen an; er verstand nur Bahnhof.

“Morgen Nacht, während wir zelten!”, rasselte Paul wie ein überdrehter Wecker, “du weißt doch, bei uns im Garten.”

Seppi dämmerte es. Klar, nach der Geburtstagsparty wollten Paul und er gemeinsam übernachten. Ganz allein in einem Iglu, ohne Begleitschutz spaßdämpfender Aufpasser.

“Woher weißt du das mit den Albanern?”, wisperte Seppi, als beide Jungs auf leisen Sohlen die offen stehende Küchentür passierten, hinter der die Frau des Hauses gerade Putenschnitzel panierte, und am Ende des Flures im Kinderzimmer verschwanden, die Tür lautlos hinter sich ins Schloss ziehend. Pauls Augen wurden groß wie Wagenräder, und die Pupillen schienen ins Zimmer zu springen, als er mit heiserer Stimme von einem geheimnisvollen Zettel an seinem Fahrradlenker erzählte und stockend die mit Filzstift krakelig aufgemalte Botschaft formulierte: “Abreibung! Morgen Nacht! - Die Albaner“.

Die Albaner, das waren drei Brüder, acht, zehn und zwölf Jahre alt, mit ihren Eltern vor Jahren aus dem Kosovo geflüchtet und in dem Städtchen mehr berüchtigt als beliebt. Die Jungen mit rabenschwarzen Haaren und gekrümmter Raubvogelnase riskierten gegenüber den anderen Kindern eine große Klappe, waren zu jeder Schandtat bereit und schienen weder Tod noch Teufel zu fürchten. Jedenfalls sah Paul das so. Und das genügte. Genügte, um trotz extremer Schwüle in Seppis schrägem Dachzimmer kalte Schauer über seinen Rücken zu jagen bei der bildhaften Vorstellung eines nächtlichen Besuches dieser in seiner aufgewühlten Gedankenwelt durchtriebenen Bande.

Denn dass die Zettelbotschaft ernst gemeint war, daran hegte Paul nicht den Zipfel eines Zweifels. Schließlich war er selber es gewesen, der Rudi, den kleinsten der drei Brüder aus dem Land der Skipetaren, in der Schule als “Indianernase” tituliert hatte. Vorangegangen war ein wangenrötender Streit über deutsche und albanische Fußballkunst, und kaum hatte Paul das Schimpfwort über die Lippen gebolzt, da war Rudi ihm auch schon an die Gurgel gesprungen. Allein der beherzte Einsatz der Klassenlehrerin hatte eine wüste Rauferei verhindert.

Rudis Racheschwur hallte nun in Pauls Ohren wider wie das Donnergrollen am Firmament. “Ich hole meine Brüder, und dann machen wir dich fertig.” Dabei lag der Vorfall schon einige Zeit zurück, und Paul hatte ihn mit jedem neuen Tag ein wenig mehr verdrängt. Nun aber war ihm jeder Atemzug schwer von Schicksal.

Er und Seppi saßen nebeneinander auf der Bettkante und schwiegen mit krummen Rücken vor sich hin. Schweißperlen tanzten auf Pauls Stirn, die düsteren Gedanken aktivierten den Denkapparat. Was tun? Das Zeltabenteuer abblasen, mit dem amtlichen Wetterfrosch als Verbündeten? Denn der hatte schwere Gewitter und heftige Regenfälle vorhergesagt. Doch kneifen wollte Paul nicht. Einerseits hatte ihn in den letzten Wochen nichts mehr in freudige Erregung versetzt als die geplante Übernachtung im Freien. Und zudem war er sich sicher, dass die Albaner nicht locker lassen würden. Aufgeschoben wäre nicht aufgehoben. Paul wusste: Der Kampf musste ausgefochten werden; es gab kein Zurück mehr. Doch diese knallharte Gewissheit stählte keineswegs seinen Mut, sie raubte ihm den Atem, und er spürte, wie ihm etwas an die Gurgel ging, das er in dieser Heftigkeit noch nie gefühlt hatte: nackte Angst.

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