Die Wärme der Decke schien überhaupt nichts zu bringen, was aber vielleicht daran lag, dass ich nicht richtig fror, sondern noch immer Angst und Panik verspürte. Dabei war es doch nur ein Traum gewesen. Ein Albtraum, mehr auch nicht …
Am nächsten Morgen fühlte ich mich wie gerädert. Mir war, als hätte ich gar nicht geschlafen und genau so sah ich auch aus. Tiefe schwarze Ränder umrahmten meine Augen und ich vermied es, öfters an irgendwelchen Spiegeln vorbei zu laufen.
Als Sue auftauchte, war es perfekt. Sie schlug bei meinem Anblick die Hände vors Gesicht und unterdrückte ein erschrecktes Keuchen und nach ein paar Minuten schaffte sie es nicht mehr, sich zurückzuhalten.
»Was hast du denn gemacht? Du siehst schrecklich aus!«
»Danke.«
»So ist es nicht gemeint, aber du siehst wirklich aus, als hättest du gar nicht geschlafen! Was ist denn bloß passiert?«
Ich setzte mich neben sie auf die Couch.
»Wenn ich ehrlich bin, dann fühle ich mich auch so, als hätte ich nicht geschlafen.«
»Was? So schlimm? Was ist denn los?«
Ich sah sie an und strich mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht.
»Ich hatte einen Albtraum.«
»Von Danny?«
Manchmal fragte ich mich wirklich, wozu ich noch auf ihre Fragen reagierte. Sie schien meine Gedanken ja förmlich zu erraten und selbst auf ihre Frage zu antworten. Bevor ich nur ein Wort sagen konnte, sprach sie auch schon weiter.
»Das hab ich mir schon gedacht. Im Moment machst du aber auch viel mit, Süße, da ist es nicht verwunderlich, dass du auch davon träumst.«
»Ja, kann sein, aber dieser Traum war wirklich komisch«, sagte ich nachdenklich, denn er wollte mir einfach nicht aus dem Kopf gehen.
»Wie meinst du das?«
Ich hob beide Schultern kurz an, um sie sofort wieder fallen zu lassen.
»Ich weiß nicht genau, aber ich konnte mich gar nicht mehr beruhigen. Und obwohl es in meinem Zimmer immer warm ist, war es plötzlich eisig kalt.«
»Hmm, das hast du dir sicher bloß eingebildet, meinst du nicht?«
»Ja, das glaube ich auch. Na ja, vielleicht ist es auch eine Nebenwirkung auf die Tabletten …«
»Was? Die Träume?«
»Nein, ich meine dieses Kältegefühl.«
Sie wiegte den Kopf.
»Das hört sich ziemlich logisch an. Du solltest diese Dinger wirklich lieber absetzen.«
Als ich nicht antwortete, wurde ihre Stimme ernster.
»Ana, bitte, ich will nicht zusehen, wie diese Dinger dich wirklich noch abhängig machen. Bitte, setz die Tabletten ab.«
»Sue!«, ermahnte ich meine Freundin ebenso ernst, »das sind nur Beruhigungstabletten und kein Betäubungsmittel. Im Moment brauche ich sie einfach …«
»Egal, spätestens nächste Woche wirst du diese Dinger nicht mehr nehmen. Hast du verstanden?«
Ich überlegte kurz, ihr zu widersprechen, ließ es jedoch schließlich sein und gab nickend nach. Mir war eingefallen, warum meine Freundin auf jegliche Art von Tabletten nicht gut zu sprechen war und sie darauf beharrte, dass ich sie absetzte. Vor einigen Jahren hatte ihre Mutter eine schwere depressive Phase gehabt, in der sie alle möglichen Tabletten in sich hineingestopft hatte. Sue hatte zwar versucht, ihr die Tabletten auszureden, aber da war es schon zu spät gewesen. Ein ganzes Jahr hatte ihre Mutter letztendlich in einer speziellen Klinik verbracht und seitdem hatte meine Freundin eine panische Angst, dass es ihren Freunden ähnlich ergehen könnte, wenn diese zu viele Tabletten schluckten. Sie sah mich noch immer mit besorgtem Blick an, fast so, als genügte ihr ein einfaches Nicken als Bestätigung nicht.
»Ist ja gut. Ich werde sie nur noch diese Woche nehmen, in Ordnung?«
Ein zufriedener Ausdruck legte sich auf ihr Gesicht und sie nickte.
»In Ordnung.«
Auch ich lächelte, so gut es ging, und war froh, diese Diskussion schnell beendet zu haben. Normalerweise hätte es ewig gedauert, ihr klar zu machen, dass ich mich daran hielt. Ich seufzte und legte meinen Kopf schief, als das Telefon mich plötzlich wieder aufschrecken ließ. Ich sprang blitzschnell auf und nahm den Hörer in die Hand. Und noch bevor ich mich melden konnte, hörte ich schon eine männliche Stimme.
»Spreche ich mit Ana Summers?«
Ich schluckte.
»Ja, was möchten Sie?«
Der Mann am anderen Ende der Leitung schien zu schlucken.
»Miss Summers, hier spricht Dr. Hepburn.«
Ein unangenehmes Gefühl machte sich in mir breit, als mir klar wurde, dass es etwas Neues geben musste.
»Wie geht es ihm? Ist er etwa endlich aufgewacht?«
Ein Seufzen drang durch den Hörer und bestärkte das ungute Gefühl in mir noch weiter. Er war also nicht aufgewacht.
»Es tut mir leid, Ihnen das jetzt mitteilen zu müssen, aber …«
»Was? Was ist mit ihm?«, unterbrach ich ihn panisch.
»Heute Nacht hat er aufgehört zu atmen.«
Mir blieb das Herz stehen. Was hatte er gerade gesagt? Dass mein Freund aufgehört hatte zu atmen? Hatte ich das richtig gehört?
Der Arzt sprach in beruhigendem Ton weiter.
»Wir haben ihn noch intubiert und versucht, es zu verhindern, aber wir konnten leider nichts mehr für ihn tun. Es tut mir wirklich leid, Ihnen keine bessere Nachricht geben zu können.«
Es war wie ein Schlag in die Magengegend. Alles in mir verkrampfte sich, und ich spürte, wie meine Beine schwächer wurden und drohten, unter meinem Gewicht nachzugeben. War das ein Scherz? Ein alberner, schlechter Scherz? Das konnte, nein, es durfte einfach nicht wahr sein!
Mein Herz schlug so schnell, dass es mir schwerfiel zu atmen, und meine ganze Haut anfing zu brennen. Es war ein schreckliches Gefühl.
»Das meinen Sie nicht ernst? Das kann doch nicht ihr Ernst sein?«, schrie ich, in der Hoffnung, er würde seine Worte rückgängig machen. Aber er nahm die Worte natürlich nicht zurück.
»Es tut mir leid, Ihnen das mitteilen zu müssen. Wenn sie möchten, können sie ihn aber gerne heute noch einmal sehen …«
Ich ließ das Telefon fallen. Es schlug auf dem Boden auf und fiel augenblicklich auseinander.
»… Ha… Hallo …«, rauschte es noch aus dem Telefon, doch ich ging wie in Trance daran vorbei.
»Ana? Alles ok?«
Ohne weiter auf ihre Worte zu achten, ging ich geradewegs zur Treppe, schaffte es aber nicht, auch nur ein Bein zu heben. Am Ansatz brach ich zusammen und vergrub mein Gesicht in meinen Händen.
Sue kam zu mir und setzte sich vorsichtig neben mich.
»Ana, wer war denn dran? Ist irgendetwas passiert? Was ist denn los?«
Meine Kehle war wie zugeschnürt, und ich hatte das Gefühl zu ersticken. Alles in mir verkrampfte sich und ich fing an zu weinen.
»Ana, bitte sprich mit mir! Was ist denn bloß passiert? Wer war da dran?«, fragte sie, fast schon verzweifelt, als ich ihr noch immer nicht geantwortet hatte.
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