Alle drei nickten und versuchten, ein möglichst ernst gemeintes Gesicht zu machen, was allerdings keiner von ihnen so richtig gelingen wollte. Schon eine halbe Stunde später schienen die ganzen guten Vorwürfe allerdings wieder über den Haufen geworfen worden zu sein. Sue saß am Boden und kicherte, während sie sich ein viertes Glas einschenkte. Lia hatte zwar nur zwei Gläser Wein intus, aber da sie zuvor nichts gegessen hatte, zeigten die ihre volle Wirkung. Sie war total überdreht und schaffte es einfach nicht, stillzusitzen, genau wie auch Jessy. Und ich bemühte mich, meine Tollpatschigkeit, welche vor allem im angetrunkenen Zustand in mir hervorkam, so gut es ging zu unterdrücken. Ein Glas hatte ich schon umgeschüttet, doch ein zweites Mal hatte ich es, zum Glück, verhindern können.
»Haben wir nicht vorhin gesagt, dass wir es nicht übertreiben?«, fragte ich, leicht lallend.
Sue verdrehte lachend die Augen und es schien, als wäre sie wieder hellwach.
»Das hast du dir bestimmt nur eingebildet, Süße.«
Ich seufzte und nahm das zerbrochene Glas, dann ging ich in die Küche, um es wegzuräumen. Die anderen kicherten derweil noch immer lauthals, und tranken aus ihren Gläsern, ohne davon müde zu werden. Lia machte sich über Jessy lustig, weil die sich beim Trinken verschluckte und losprustete.
»Trinken muss gelernt sein!«
»Du brauchst überhaupt nichts sagen!«, wehrte sich Jessy. »Immerhin warst du diejenige, die vor kurzer Zeit so gelacht hat, dass ich alles direkt ins Gesicht bekommen habe!«
Auch ich musste jetzt lachen, denn ich erinnerte mich nur zu gut daran. Lia hatte sich vor lauter Lachen nicht mehr beherrschen können und das Wasser ausgespuckt, direkt in Jessys Gesicht.
Ich musste kichern, während ich die Scherben in den Müll warf. Als ich wieder aufsah, war mir für einen kurzen Moment schwindelig. Vielleicht hätte ich trotzdem nicht so viel und vor allem so schnell trinken sollen.
Ich rieb mir die Stirn und drehte mich etwas zur Seite, da sah ich ihn plötzlich wieder. Der hübsche dunkelhaarige Fremde stand nur ein paar Meter von mir entfernt und schien den Anderen beim Herumalbern zuzusehen. Er beobachtete sie. Ein hämisches Grinsen lag auf seinen Lippen, welches mir sofort wieder einen Schauer den Rücken hinunter trieb. Ich konnte nicht verhindern, dass ich dabei schreckhaft zusammenfuhr.
Sofort sah er zu mir und ich wich seinem Blick aus. Diese Einbildung machte mir langsam wirklich große Angst, denn immer, wenn er in der Nähe war, passierte etwas Schlimmes und jemand verlor sein Leben. Mein Körper fing an zu zittern und ich bemühte mich, die Ruhe zumindest einigermaßen zu bewahren.
»Ana? Alles in Ordnung mit dir? Ist dir schlecht? Du siehst blass aus.«
Sue sah mich an. Ich nickte.
»Ja, ich glaube, ich habe nur etwas zu viel getrunken. Ich komme gleich wieder rüber, ok?«
Sie lachte nickend und wandte sich wieder ihrem Glas zu. Ich war wirklich froh, dass sie im betrunkenen Zustand nicht zu viele Fragen stellte und nicht ganz so aufmerksam war wie sonst. Ganz langsam drehte ich meinen Kopf wieder etwas zur Seite und bemerkte sofort, dass er mich noch immer ansah. Es sah fast so aus, als versuchte er, etwas herauszufinden. Ein leises Lachen durchschnitt die Luft und eine seltsame Wut erfüllte mich.
Seit Dannys Tod verfolgte mich dieses Hirngespenst und ließ mir einfach keine Ruhe mehr. Er war immer da, wenn etwas Schlimmes geschah, und wollte einfach nicht mehr verschwinden. Und egal, wie sehr ich mir einredete, dass es sich nur um Einbildung handelte, die letzten Geschehnisse ließen mich ernsthaft daran zweifeln.
Wieder lachte er.
»Armes Mädchen, so süß und doch naiv. Wenn du nur wüsstest …«
Ich wusste nicht, ob es der Alkohol war, der mich dazu brachte, oder einfach nur die Wut, aber ich konnte nicht anders. Ich konnte es nicht länger zurückhalten. Ich fuhr herum und funkelte ihn wutentbrannt und genervt an.
»Was ›wenn ich wüsste‹? Warum lässt du mich nicht in Ruhe? Warum verschwindest du nicht endlich wieder aus meinem Leben? Sag, was willst du von mir?«
Sein Blick veränderte sich und er schien völlig überrascht und verwundert zu sein. Das Lachen war ihm im Halse stecken geblieben, sodass er mich einfach nur noch fassungslos und völlig perplex anstarrte. Ich zischte ihn förmlich an.
»Ich brauche solche Einbildungen nicht! Ich will das nicht mehr sehen und ich will dich nicht mehr sehen! Verschwinde endlich!«
Noch immer schien er völlig verdutzt und überrascht.
»Das kann nicht …«
Es war das erste Mal, dass ich ihn klar und deutlich sprechen hörte. Seine dunkle und doch angenehme Stimme trieb mir erneut einen Schauer den Rücken hinunter, jedoch hielt sie mich nicht davon ab, weiter zu schreien.
»Geh weg! Ein Jahr ist mehr als genug! Verschwinde hier und lass mich endlich in Frieden! Hau ab!«
»Ana?« Ich fuhr erschrocken herum und sah die Anderen vor mir, wie sie mich verdutzt musterten. »Was soll das? Mit wem sprichst du denn da?«
Ich sah zur Seite und merkte, dass er nicht mehr hier war. Er schien sich in Luft aufgelöst zu haben und ich war voller Hoffnung, dass mein Wutausbruch etwas gebracht hatte. Ich versuchte zu lachen und schüttelte, fast schon hysterisch klingend, den Kopf.
»Sorry, ich hab nur Selbstgespräche geführt. Ihr wisst ja, der liebe Alkohol …«
Lia schüttelte nun ebenfalls laut lachend den Kopf.
»Jaja, der blöde Alkohol.«
Ich nickte erleichtert, als ich merkte, dass sie es mir abkauften.
»Ja, der blöde Alkohol …«
Auch Sue und Jessy lachten jetzt und ich war froh, dass sie mich nicht mehr mit ihrem besorgten Blick ansahen. Und noch erleichterter war ich, dass ich das alles dem Alkohol in die Schuhe schieben konnte …
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