»Willst du noch etwas?«
Sie überlegte kurz und sah noch einmal in die völlig leere Schüssel, dann schüttelte sie den Kopf. Ich nahm ihr die Schüssel aus der Hand und ging hinüber in die Küche. Mit einem Handgriff stellte ich sie in die Spülmaschine.
»Und? Was machen wir nun?«
Ich sah zur Uhr.
»Es ist halb neun Uhr morgens, was wollen wir um diese Uhrzeit denn großartig machen?«
»Keine Ahnung.«
Den ganzen Vormittag über verbrachten also wir hauptsächlich damit, uns zu fragen, was wir wohl machen könnten. Allerdings hatten wir selbst um zwölf Uhr Mittag keine Entscheidung getroffen. Sue war ab und zu eingeschlafen, während ich mir immer wieder die Fernbedienung geschnappt hatte und die Fernsehsender durchsah. Allerdings war es mir nach spätestens zehn Minuten immer zu langweilig geworden und ich hatte den Fernseher wieder abgeschaltet.
Jetzt saßen wir am Küchentisch und hatten uns Nudeln mit Spinat und Spiegelei gemacht. Etwas Besseres war uns auf die Schnelle nicht eingefallen, und Pasta war gut und vor allem einfach zu machen.
Sue stellte die Nudeln auf den gedeckten Tisch und grinste mich voller Vorfreude an. Aber diesen Blick kannte ich nur zu gut von ihr. Sie war immerhin oft genug zum Essen hier bei mir gewesen.
»Oh Mann, ich hab so einen Hunger.«
Sie nahm am Tisch Platz und griff gleich zu den Nudeln.
»Das ist doch nichts Neues«, grinste ich und wartete, bis meine Freundin fertig war, dann nahm auch ich die Nudeln und häufte sie auf meinem Teller. Sue hatte schon ein paar Löffel gierig hinunter geschluckt und seufzte auf.
»Das schmeckt wirklich ausgezeichnet, meine Liebe. Ich muss uns loben.«
»Das machst du jedes Mal, wenn du der Meinung bist, dass du kurz vor dem Hungertod stehst«, erinnerte ich sie, noch immer grinsend.
»Aber nur, wenn es gut schmeckt«, sagte sie ernst.
Ich sah sie an, während ich kaute. Ihre Begeisterung für das Essen steckte mich sogar ein wenig an, aber wahrscheinlich auch nur, weil ich selbst auch wirklich großen Hunger hatte. Nach weiteren unzähligen Löffeln legte sie ihr Besteck an die Seite und lehnte sich zurück.
»Ich bin voll.«
»Ist ja auch kein Wunder, wenn du so schnell isst.«
Sie schob den Teller zur Seite und sah mich zufrieden an.
»Es ist immer wieder schön, mit dir zu Mittag zu essen.«
Ich nickte lächelnd. Eigentlich war ich ganz froh, dass Sue öfters mal zum Essen vorbei kam. So wirkte die Wohnung nicht allzu leer und ich hatte außerdem noch Gesellschaft. Sie war in den letzten Jahren wirklich so etwas wie eine zweite Familie für mich geworden.
»Jetzt wissen wir aber noch immer nicht, was wir heute noch machen«, stellte ich fest, als wir die Spülmaschine einräumten.
Sie ging zum Kühlschrank, nahm sich ein Wasser heraus und spielte mit dem Verschluss.
»Vielleicht haben die Anderen ja jetzt endlich mal wieder Zeit für uns!? Was meinst du? Sollen wir sie fragen?«
»Wäre schon cool. Wir können sie ja dann einfach mal anrufen und nachfragen, oder?«
»Du hast doch sturmfrei, oder?«, fragte sie mich plötzlich, ohne auf meine Äußerung reagiert zu haben.
Ich sah sie mit verdrehten Augen an.
»Was ist denn das jetzt für eine dumme Frage? Du weißt doch ganz genau, dass ich immer sturmfrei habe.«
»Also bei dir?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Nein, nicht schon wieder. Du kannst doch nicht immer gleich meine Wohnung in Beschlag nehmen, wenn du irgendetwas planst.«
»Warum denn nicht? Wir andere wohnen nun mal noch bei unseren Eltern …«, sagte sie schmollend.
Das war ein Argument! Sturmfreie Bude siegte nun mal über aufpassende Eltern. Das war schon immer so und würde auch immer so sein.
»Ist ja gut, dann ruf sie eben an …«, gab ich seufzend nach.
Sie grinste zufrieden und lehnte sich an die Kücheneinrichtung.
»Das ist toll. Ich hab mir überlegt, dass wir den Kellner ja auch …«
Ich unterbrach sie.
»Nein! Lass deine Kuppelversuche bitte sein, ok? Sonst kannst du das mit der sturmfreien Bude bei mir gleich wieder vergessen!«
»Warum denn? Er hat dich so süß angesehen, da würde bestimmt was gehen …«
»Und fragst du mich vielleicht auch mal, ob ich das möchte?« Sie hob nur die Schultern und schüttelte ihren Kopf. »Das heute wird ein reiner Mädelsabend. Er wäre also alleine unter uns und ich glaube nicht, dass das so eine gute Idee für ein erstes Treffen wäre, oder?«
Sie dachte kurz darüber nach, dann schüttelte sie lachend den Kopf.
»Vermutlich wäre es das wirklich nicht.«
»Na also. Ruf die anderen ruhig an, aber das mit dem Kellner schlag dir bitte aus dem Kopf, verstanden?«
»Na gut, ich ruf dann mal rum.«
Sie ging zur Tür und winkte mir noch kurz zu, dann war sie verschwunden.
Am Abend standen die anderen schon überpünktlich vor der Wohnungstür. Jessy hatte zwei Flaschen Sekt sowie eine Flasche Wein mitgebracht und ein breites Lächeln auf den Lippen, während Lia ein paar Chipstüten mit sich herumtrug. Sue hatte eine Flasche Rum in der Hand.
»Hey!« Ich sah sie an. »Seit wann trinkst du denn bitte Rum?«
Sie sah erst die Flasche und dann mich an.
»Das war das Einzige, was wir noch zu Hause hatten. Sei froh, dass ich überhaupt etwas mitgebracht habe.«
»Ist ja gut«, sagte ich und ließ sie in die Wohnung.
Sue nahm gleich auf der Couch Platz und stellte die Flasche klirrend auf den Glastisch.
»Ich sehe es schon, das heute wird ein richtig schöner Mädchenabend werden.«
»Wenn man euch so sieht, denkt man eher, es wird der Totalsuff …«, lachte ich.
»Ach was, du weißt doch, dass wir nicht viel trinken. Wir machen uns den Abend nur ein bisschen schöner«, kicherte Lia und kniff beide Augen zusammen. Sie ahnte ja gar nicht, wie ironisch sich ihre Stimme bei diesem Satz anhörte.
»So kann man das natürlich auch sehen, wenn man will, aber wehe, jemand kann sich nicht beherrschen. Ich wisch eure Sauerei garantiert nicht weg.«
»Hat sich jemand von uns schon mal übergeben?«
Ich überlegte, doch mir fiel tatsächlich kein einziger Zwischenfall ein.
»Nein, aber es gibt ja bekanntlich immer ein erstes Mal oder?«
Sie sahen mich alle drei ernst an.
»Wir versprechen hoch und heilig, dass wir uns heute beherrschen werden, in Ordnung?«, grinste Jessy mit fragendem Blick.
Ich nickte.
»Ist gut.«
Lia öffnete die Weinflasche und seufzte.
»Jetzt hab ich auch noch die Gläser vergessen. Verflucht!«
Ich lächelte.
»Bleib sitzen. Ich hol sie schon.« Ich ging hinüber zum Glasschrank und holte ein paar Weingläser heraus, dann setzte ich mich wieder zu den anderen auf die Couch. Lia fing sofort an, jedes der Gläser halbvoll zu schenken. »Aber wir machen langsam, ja?«
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