„Es war nicht so, wie es vielleicht ausgesehen hat.“
„Nein, klar. Du hast nur was gesucht, stimmt´s?“
„N-nein, das nun nicht. Ach, ich weiß nicht, wie ich´s erklären soll...“
Ariane wandte sich wieder dem Spülbecken zu. „Dann lass es. Ich glaub dir sowieso nicht.“
„Jani, bitte! Du musst mir doch noch eine Chance geben!“
„Hab ich doch. Die Chance, die du gerade vermasselt hast. Weißt du noch, diese – wie hieß sie gleich? Susi?“
Michael nickte unglücklich.
„Wie hieß denn die gestern? Ich hab ja nur ihren eindrucksvollen Hintern gesehen, aber ich tippe mal auf – Rita. Oder etwas Exotisches aus dem Osten, Sändy mit ä oder so?“
„K-keine Ahnung“, murmelte Michael.
„Schade. Das ist aber schon ein bisschen unhöflich, findest du nicht? Du solltest dich doch vor dem Vögeln wenigstens vorstellen und nach dem Namen fragen. Oder sagst du zu allen einfach Baby ?“
„Jani!“, flehte er und vergrub das Gesicht in den Händen. Ariane drehte sich um, die Spülbürste in der Hand, und betrachtete ihn interessiert. Schöne Geste, ganz der verzweifelte Liebhaber.
Oder ganz der Loser, der es selbst vergeigt hatte.
„Es war doch bloß, weil du so gemein zu mir warst!“
„Ach klar. Natürlich ist es meine Schuld, dass ich dich bis zum Anschlag in einer anderen steckend erwische. Hätte ich eigentlich wissen müssen. Was hab ich denn bitte gemacht, außer das ich ab und zu mal abends nicht da bin? Was auf dich übrigens genauso zutrifft!“
„Du nimmst mich nicht ernst!“
„Dafür hast du jetzt ja deine schöne Unbekannte.“
„Jani!!“
Sie probierte den Unschuldsblick nun selbst, und anscheinend gelang er ganz gut, denn Michael guckte ziemlich gequält. „Was denn?“
„Warum bist du so?“
„Weil du fremd gegangen bist, du blöder Wichser! Wär´s dir lieber, ich hätte gleich in der Nacht alle deine Sachen aus dem Fenster geschmissen? Das wäre nämlich die einzige Alternative gewesen.“
„D-du könntest mir natürlich auch verzeihen“, schlug er leise vor, „es hatte doch nichts zu bedeuten.“
„Jaja. Dummer Männerspruch. Nein, verzeihen werde ich dir nicht.“
„Nicht sofort natürlich...“
„Niemals. Vergiss es.“
Michael schlich aus der Küche, jeder Zoll ein geschlagener Mann. Das Herz gebrochen, das Leben ruiniert... Armer Bub.
Blöder Wichser.
Nein, eigentlich eben nicht, dann hätte er ja Fettärschle nicht gebraucht. Ariane grinste vor sich hin und verräumte das abgetrocknete Geschirr. Ach, in diesem Schrank war ja auch das nette blaugelbe Kaffeegeschirr. Das würde sie gleich mal in ihr Zimmer schaffen. Und vielleicht konnte sie in absehbarer Zeit in Tante Hildes Wohnung ziehen und Michael mit der unheizbaren Scheune sitzen lassen. Und mit allem Schotter, den sie nicht mehr haben wollte. Sollte er´s doch in den Wertstoffhof fahren!
Gerechte Strafe.
Sie verräumte das Kaffeeservice in ihrem Regal und machte sich daran, alles aus dem Papierstapel herauszusuchen, was sich auf die Wohnung bezog. Wie sah es denn eigentlich mit den Kündigungsfristen aus?
Gut, stellte sie fest. Sehr gut sogar. Drei Monate, und sie konnte einen Nachmieter benennen (Michael?) oder auch nicht, das hing von seinem Wohlverhalten ab. Aber erst musste sie mal die Wohnung von Tante Hilde sehen, vielleicht dauerte es ja Jahre, bis sie da rein konnte. Oder sie gefiel ihr doch nicht. Heute musste sie das ja auch nicht entscheiden, Hauptsache, Michael fürchtete sich. Lange hielt das Kleinlaute bei ihm ja leider nie an.
Sie sortierte gemütlich weiter und schreckte erst am frühen Abend hoch, weil ihr Magen mal wieder knurrte. Alle Papiere waren sortiert und eingeheftet, die Ordner waren auf das Sauberste beschriftet, und die Bücher standen gerade in den Regalen. Und – das Allerbeste: Aller herumliegende Kram, soweit nicht ohnehin reif für den Müll, war in einer (leider rosenbedruckten) Schachtel untergebracht. Das Regal, sauber ausgewischt, sah richtig wesentlich aus. Der Schrank daneben sollte eigentlich als Archiv für alte Akten dienen, so jedenfalls hatte Ariane es geplant, als sie ihn aus dem Keller ihres Elternhauses entführt hatte. Er war kein schlechtes Stück, ein sauber abgebeizter kleiner Dienstmädchenschrank aus Fichtenholz, glatt gewachst, sanft glänzend und mit polierten Beschlägen. Nur abschließen konnte man ihn nicht, die Schlösser waren bloßer Schmuck.
Was war da eigentlich drin? Sie öffnete vorsichtig die Türen.
Lieber Himmel! Was ihr da alles entgegen polterte – und das war doch zum Teil gar nicht ihr eigener Krempel?
Auf den Schreck brauchte sie erst einmal etwas zu essen! Sie wühlte in der Küchenschublade herum, in der sie die Flyer aufbewahrten, und bestellte sich dann eine Portion scharf gebratene Ente und einmal Wan-Tan. Dann kehrte sie an den Schrank zurück und nahm sich die erste Mülltüte. Ein ältlicher Lautsprecher – Michael. Ein verknautschter Shetlandpullover in graubraun... Michael, solch trübe Farben trug sie nicht. Ein paar vergammelte Szenemagazine vom vorletzten Jahr – Michael. So ging es weiter, höchstens zehn Prozent des Krempels gehörte ihr selbst, und davon war wieder gut die Hälfte reif für die Tonne.
Sie entsorgte erst einmal den Tonnenkram, dann stellte die Michael die drei randvollen Säcke vor die Tür, drückte auf den Summer, nahm ihr Essen entgegen, zahlte und verzog sich damit in ihr Zimmer.
Besteck...
Als sie gerade eine Gabel holte, hörte sie ein Scheppern und einen lauten Fluch aus dem Flur.
„Was ist das denn?“, schimpfte Michael.
Sie kam mit der Gabel aus der Küche. „Der Schotter, den du heimlich in meinen Schrank gestopft hast. Ich benutze dein Zimmer ja auch nicht als Müllkippe!“
„A-aber da war doch noch Platz!“, stotterte er hinter ihr her.
Sie drehte sich in der Tür ihres Zimmers noch einmal um. „Ja? Mag sein – aber das ist mein Platz, verstanden?“ Das Essen schmeckte gleich noch einmal so gut, als sie sich sein dummes Gesicht dazu vorstellte. Zufrieden gabelte sie Ente, Reis, Gemüse und hinterher die Wan-Tans in sich hinein. Leider roch chinesisches Essen hinterher immer so streng... Nun gut, irgendwo war doch noch dieses etwas penetrante Orangenholzöl...
Sie warf die Essensschälchen weg und holte Tuch und Öl, dann ließ sie den leeren Schrank sorgfältig ein, bis ihr von dem betäubenden Duft leicht schwindelig wurde.
Okay, Fenster auf. Boah, war es draußen kalt! Sie öffnete die Zimmertür auch, damit die Mischung aus Orangenduft und eisiger Luft abziehen konnte, und hörte Michael schimpfen.
Grins.
Na gut, Fenster wieder zu. Michael tauchte in ihrer Tür auf, als sie gerade die erste Schreibtischschublade aufzog und den Inhalt stirnrunzelnd musterte.
„Was treibst du da eigentlich? Jetzt kommt Asterix bei den Briten , den magst du doch.“
„Aufräumen. Und den Film hab ich schon x-mal gesehen.“
Er lümmelte sich gegen den Türrahmen. „Hier schaut´s so leer aus. Richtig ungemütlich.“
„Ich mag´s so. Komm ja nicht auf die Idee, hier noch mal deinen Schotter reinzuschmuggeln.“
„Mhm.“ Kurze Pause. „Wie war´s denn jetzt beim Notar?“
„Oh, gut. Ich hab die Wohnung geerbt.“ Sie räumte weiter und warf erst einmal eine Menge unbrauchbarer und eingetrockneter Stifte in den Müll. Tüte siebzehn, vermutlich.
„Die Wohnung?“, echote er ungläubig. „Kein Geld?“
„Die Wohnung. Tante Hilde dachte wohl, ich kann sie brauchen. Die anderen haben das Geld gekriegt.“
„Boah...“ Er schien nachzudenken.
„Soll ich schnell einen AnzeigenExpress holen? Der Kiosk hat noch auf.“
„Wozu?“
„Na, wir brauchen doch einen Entrümpler und einen Makler, oder?“
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