Die Leute stehen in Gruppen zusammen, beim Tisch steht überwiegend weibliches Volk, das mit Antonya zu tun hat An den Feuern, sich einmal vorne, einmal den Rücken wärmend, sind die Männer, und Stanislaus in ihrer Mitte. Unter ihnen befindet sich die Halina, dick in Tücher gehüllt, so dass sie kaum zu erkennen ist. Die Halina beteiligt sich nicht an den Männergesprächen, sie hört zu, was die sich zu erzählen haben.
Antonya läutet mit einer kleinen, schwer zu hörenden Schelle. Niemand reagiert, erst als einer der Männer „Ruhe mal!“ schreit und in seine Hände klatscht, werden sie auf das Läuten merksam. „Ich möchte mit Ihnen allen anstoßen!“ ruft Antonya. „Bitte, kommen Sie zu mir an den Tisch.“
Schwerfällig setzen sich die Menschen in Bewegung und stellen sich im Halbkreis um die Hausherrin. Ganz hinten, als suche sie irgendwo Zuflucht, steht die Halina, die trotz ihrer Vermummung vor Kälte ganz in sich zusammengesunken ist.
Antonya, die das erste Glas einschenkt, sagt zu den Leuten: „Wer nicht mit Punsch anstoßen will, für den hat mein Mann Wodka und Bier im Korb.“
Die Männer murmeln beifällig und die Frauen stellen sich vor dem Punschtopf auf. Alle sind heiter, lachen und schwatzen durcheinander und stoßen sich wie die Kinder.
„Sie brauchen es nicht bei uns in der Kälte auszuhalten. Wer ins Warme gehen möchte ...“ Antonyas Arm vollführt eine Geste der Entlassung, aber sie bleiben, keiner scheint Lust zu haben, ins Haus zu gehen.
Die Kinder toben mit roten Gesichtern auf der Eisfläche. Antonyas Kinder haben alle Schlittschuhe an den Füßen, mit denen die beiden älteren, die Selma und der Otto, geschickt herumwirbeln und Kreise ziehen. Die kleinen stützen sich gegenseitig, und wenn eins hinfällt, dann liegen sie alle lachend und kreischend auf dem Eis.
Für die Kinder ihres Schwagers hat Antonya durch den Frantizek Schlitten herbeischaffen lassen. Einer ist darunter, der wie eine kleine offene Kutsche gebaut ist, vor die man ein Pony spannen könnte. Aber dafür ist er nicht eingerichtet. An der Rückseite hat er einen geschwungenen Eisengriff, mit dem er wie ein Kinderwagen zu schieben ist. Amalie hat die siebenjährige Martha und die kleine Natalie hineingesetzt, die aber vor lauter Angst zu brüllen beginnt, als die Tür hinter ihr geschlossen wird. Frantizek bugsiert den Schlitten um den Teich, und manchmal lässt er ihn allein von der Böschung gleiten, dass die Schlittschuhlaufenden Kinder auf dem Eis kreischend auseinander stieben.
Auch Antonya und Stanislaus wagen sich später unter die Kinder. Beide sind im Eislauf geübt, ganz besonders Antonya. Sie hat, als sie vom Personal Beifall bekommt, für eine kurze Zeit die Eisfläche für sich allein. Sie dreht Pirouetten und wagt sogar schon einmal einen Sprung, dabei hält sie den Muff weit von sich gestreckt und rafft mit der freien Hand den langen Mantel ein wenig in die Höhe.
Sie scheint Gefallen am Eislauf und am Applaus gefunden zu haben, denn sie mag gar nicht mehr aufhören.
Hinter dem Tisch stehen sich Stanislaus und die Halina gegenüber. Als der Mann sein Glas abgestellt hat, nimmt es das Mädchen und dreht es bis zu der Stelle, von der er getrunken hat. Ohne auf die Leute zu achten, die ihr dabei zusehen, hebt sie das Glas mit dieser Stelle an ihre Lippen und prostet ihm zu.
Das ist Antonya nicht verborgen geblieben; mitten im Lauf bleibt sie stehen, dann steigt sie wackelig und vorsichtig die Böschung hinauf und hält einem dürren, blaugefrorenen Mann ihre Füße hin, dass der sie von den Schlittschuhen befreie.
„Ich brauche etwas zu trinken!“ ruft sie. Und, als ihr ein Glas Punsch gereicht wird, wendet sie sich überaus leise und sanft der Halina zu: „Halina.“ Antonya deutet auf das Glas, aus dem die Halina gerade getrunken hat.
Das Mädchen tut, was die Frau wünscht.
„Schmeckt dir der Punsch, Halina?“
Halina sieht sie belauernd an und nickt.
„Gut, Dann trinke auch mit mir, Halina?“
„Ich habe gerade getrunken“, flüstert das Mädchen.
„Vielleicht nicht genug. Du solltest mehr trinken. Ich weiß, dass du mehr möchtest, und auch mehr verträgst, Halina! Na zdrowie!“
Antonya sieht, dass ihr Mann sich zum Haus hin entfernt; sie möchte ihm hinterherschreien, was er für ein feiger Kerl sei, wenn er sich aus dem Staube macht und das Mädchen allein lässt, wenn sie mit ihm abrechnen möchte.
Sie blickt dem Mädchen ins Gesicht. „Ein hübsches Gesicht hast du“, zischt sie. „Aber es ist ein dummes, ein freches und gewöhnliches Gesicht, Halina, so dass ich mich wundere, dass ein Mann ... mein Mann daran Gefallen finden kann, denn ich weiß, dass er alles Gewöhnliche verabscheut!“
Antonyas Finger umklammern das heiße Glas, dass sie es kaum halten kann.
’Es wäre mir ein Genuss‘, denkt sie, ’dir dieses hier mitten in deine Visage zu schütten, so heiß wie es ist!‘
Plötzlich gießt sie den Punsch dem Mädchen vor die Füße, dass ihre Schuhe und der Rock bespritzt sind.
„Merke dir das: da bringe ich dich hin: da in den Dreck.“
Antonya deutet mit dem Kinn auf den dunklen Fleck im Schnee. „Glaube nicht, dass ich keine Augen im Kopf habe! Ich sehe mehr, als dir lieb ist! Unterschätze mich nicht, du ...“ Sie sieht sich nach ihrem Mann um, aber Stanislaus ist verschwunden. Dann wendet sie sich ab und geht zu ihren Kindern, die wieder über das Eis tollen.
Amalie hat von Antonyas Ausbruch nichts mitbekommen, sie ist mit deren Kleinen, Ottilie und Ludwig, und mit ihren eigenen Kindern vor längerer Zeit schon ins Haus gegangen, um sie ins Bett zu bringen.
Später entdeckt Antonya auch wieder ihren Mann. Er steht bei den Männern und scheint ihnen irgendetwas zu erklären. Denn sie hören aufmerksam und mit gesenktem Kopf zu.
Von der Halina ist an diesem Abend nichts mehr zu sehen.
„Wir können nicht bis Mitternacht hier draußen bleiben“, kommt Stanislaus an sie heran. „Lass uns hineingehen. Die Kälte bringt uns alle um.“
„Was ist es, das dich mit einem Male von hier wegzieht? Ist sie es?“
„Tonya, ist es meine Schuld, wenn das verrückte Ding sich Flausen in den Kopf setzt?“ brummt der Mann.
„Flausen nennst du das? Ich denke, mein Lieber, dass diese Flausen nur deshalb gedeihen können, weil du ein guter Boden dafür bist. Seit wann benutzt du den Dienstboteneingang, Stanislaus? “
„Lass uns später darüber reden, Tonya, wenn wir allein sind. Sollen die Leute sich das anhören, was wir bereden? Nicht hier, Tonya, und nicht an diesem Abend.“
„Du fragst doch sonst nicht danach, ob andere euretwegen Stielaugen bekommen oder ihre Ohren spitzen, wenn ihr euch sicher fühlt, wenn ihr eure Köpfe zusammensteckt. Alle hier wissen, was los ist! Und ich, Stanislaus: ich bemerke mehr, als du ahnst.“
„Bitte, Tonya, bitte ...“ Er nimmt ihre Hand, als wollte er sie streicheln, aber es geschieht nichts. Er hält sie nur, ihre feste und in den dicken Handschuhen unerreichbare Hand. Er sagt: „Oft habe ich das Gefühl, ersticken zu müssen.“
„Du?“ höhnt die Frau erstaunt und schüttelt verständnislos den Kopf, und sie schiebt den Mann, als ekele er sie an, mit einem Stoß von sich und wendet sich der Männergruppe zu.
Stanislaus hört, dass sie den Leuten, die es bis jetzt noch in der Kälte bei ihnen am Teich ausgehalten haben, Anweisungen gibt.
Müde, mit hängenden Schultern, geht sie danach mit Jendrik ins Haus.
Als die Glocken das neue Jahr einläuten, steht Stanislaus am Fenster seines Arbeitszimmers. Er hat es eine handbreit geöffnet, um diese Geräusche hören zu können, die nur in dieser einen Nacht des Jahres zu hören sind. Sein Kopf ist voller Gedanken, aber er könnte nicht sagen, was das für Gedanken sind, die ihn durcheinanderbringen; er hat wohl zu viel Punsch und Wodka getrunken.
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