“Der Ausblick ist wirklich grandios”, begann sie, um Ablenkung bemüht. “Der war für mich das ausschlaggebende bei dem Projekt”, gab Nick zu. “Ein schönes, gewachsenes Viertel, gute Lage, aber mit einer Art Neubau. Davon findet man in der Stadt nicht mehr viel. Die ganzen Neubauten in den tollen neuen Vierteln sind alle mehr oder weniger seelenlos, dafür aber umso teurer. Dieses Haus ist wirklich eine Rarität”, erzählte Nick. “Ich kann stundenlang hier stehen oder sitzen und einfach nur beobachten. Und wenn Murphy in der Wohnung ist, sitzen oft viele Vögel auf dem Geländer. Sehr idyllisch für eine Großstadt.”
Tiere scheint er ja zu mögen, dachte Rebecca, konnte den Blick aber nicht abwenden. Dass er gern hier draußen war, verstand sie. Wie viele Frauen kriegt er wohl mit dieser Wohnung rum, dachte Rebecca. Ob er dann immer die gleiche Geschichte erzählt? Noch einen Schluck und sie hatte ihren Kaffee ausgetrunken. Und jetzt? Er war nah bei ihr stehengeblieben, während er erzählt hatte.
“Es ist spät geworden, ich sollte langsam gehen.” Als sie es ausgesprochen hatte, wussten sie beide, dass es nur eine Ausrede war. Und eine ziemlich lahme dazu. “Klar, es ist ja schon 22 Uhr und Sie haben ja noch diesen unglaublich weiten Heimweg vor sich.” Nick konnte es sich nicht verkneifen, aber eigentlich sprach mehr die Enttäuschung aus ihm.
“Meine Terrasse steht Ihnen zur Verfügung. Jederzeit.” “Das hätten Sie gern”, wehrte Rebecca ab. Er gab sie immer noch nicht frei. Also trat Rebecca schließlich doch zur Seite, um das Geländer zu verlassen. Ihre Blicke trafen sich. Wieder diese grünen Augen. Rebecca konnte ihre Augen nicht abwenden. Was er falsch verstand. Rebecca wurde ganz kribbelig, wenn sie nur daran dachte, was passieren könnte. Sie riss ihren Blick los und strebte dem Esszimmer zu. Nick folgte ihr.
“Also. Vielen Dank für die Einladung. Es war ein tolles Essen und ein schöner Abend”, verabschiedete sich Rebecca. “Dann hätten Sie auch sagen können ‘Es war ganz nett’. Das trifft es aus Ihrer Perspektive doch viel besser, oder? Sie denken immer noch, dass ich ein Frauenheld bin und bei jeder sich bietenden Gelegenheit eine abschleppe und mit ihr ins Bett steige.” Das war deutlich.
“Wenn Sie es schon selbst so klar aussprechen: Ja. Das trifft es. Ein Abendessen ändert daran nichts. Im Gegenteil: Es verstärkt diesen Eindruck noch.” Endlich lag es auf dem Tisch. “Und deswegen haben Sie Angst zu bleiben. Weil Sie denken, ich würde es auch bei Ihnen versuchen. Sie liegen falsch.” Er lehnte mit der rechten Schulter weiter lässig am Türrahmen. Verdammt, konnte er ihre Gedanken lesen? Rebecca drehte sich um, schaute ihn an, dann zur Seite, suchte nach den richtigen Worten. “Hören Sie, sind mir nicht unsympathisch oder so. Aber das allein ist es nicht. Mit wem Sie sich treffen, geht mich nichts an. Aber ich bin in jeder Hinsicht anders als Sie. Es gibt für mich einen zweiten Aspekt im Hintergrund: Ich muss – und will - jemandem vertrauen können. Und das kann ich bei Ihnen nicht. Jedenfalls jetzt nicht. Nicht, nachdem, wie sie sich verhalten haben.” “Sie sind nachtragend. Ich habe Ihnen gesagt und gezeigt, dass es mir leidtut. Wenn Ihnen das nicht reicht, dann sagen Sie mir, was ich tun soll.”
Nick lehnte immer noch am Türrahmen und beobachtete sie. “Sie sollten einfach die hohen Ansprüche, die Sie an andere stellen, bei sich selbst anlegen. Loyalität, Ehrlichkeit, Vertrauen - schön und gut. Scheint aber nur für andere in ihrem Verhalten Ihnen gegenüber zu gelten. Nicht für Sie selbst.” Rebecca wurde langsam wütend. Sie drehte sich und ging Richtung Wohnungstür.
Nick brauchte jetzt verdammt schnell eine Antwort, besser noch eine Lösung. Sonst war er doch nie um einen Ausweg verlegen, warum fiel es ihm jetzt so schwer? Weil er mit seiner ganzen Coolness und Lässigkeit nicht weiterkam. Er musste ehrlich zu ihr sein, sonst war jetzt alles vorbei. Es fiel ihm schwer, seine Gefühle zu zeigen, wie eigentlich immer.
Er ging den Flur entlang, lehnte sich mit seiner linken Hand gegen die Wohnungstür. Rebecca war nun gezwungen, ihn anzusehen und ihm zuzuhören, wollte sie diese Wohnung jemals verlassen. “Und wenn ich Sie darum bitte?”, sagte Nick leise. “Einen weiteren Abend noch. Morgen.” Seine Augen und Lippen waren schmal, verrieten seine Anspannung, mit der er auf ihre Antwort wartete. “Okay”, sagte Rebecca nach einigem Zögern und vermied seinen Blick. “Morgen Abend geht es allerdings nicht. Freitag. Um 19 Uhr?” “Ja. Ich hole Sie ab.” “Brauchen Sie nicht. Kommen Sie einfach gegen 19 Uhr.” Nick musste sich zusammenreißen, seine Erleichterung nicht zu zeigen. “Nachdem Sie sich ein weiteres Treffen erzwungen haben - würden Sie jetzt die Tür freigeben?”, fragte Rebecca. “Ich möchte nach Hause.” “Gute Nacht, Rebecca”, sagte er, ohne sie aus den Augen zu lassen. Er ging nicht weiter auf ihren Seitenhieb ein und ließ von der Tür ab. “Gute Nacht.”
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