Joana Goede - Eine Nacht in Rimini

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Er hat einen Zufallsflieger gebucht, landet in Bologna und verliebt sich auf den ersten Blick in die wunderschöne Kellnerin Regine. Hals über Kopf stürzen sich die beiden in eine leidenschaftliche Beziehung und er fliegt alle zwei Wochen für ein Wochenende nach Bologna. Die lange Trennungszeit fällt den Verliebten schwer, das ständige Reisen zerrt an den Kräften. Es muss eine Lösung her für das Problem. Zusammenziehen, aber wie? Er will nicht nach Italien, sie nicht nach Deutschland. Erschöpft begibt sich das Paar für ein paar gemeinsame Tage nach Rimini, wo sich herausstellt, ob die beiden eine Zukunft haben oder nicht…

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Joana Goede

Eine Nacht in Rimini

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Inhaltsverzeichnis

Titel Joana Goede Eine Nacht in Rimini Dieses ebook wurde erstellt bei

prolog. verliebt.

fernbeziehung.

veränderung.

rimini.

wende.

warten.

mut.

zurück.

epilog. verliebt.

Impressum neobooks

prolog. verliebt.

Regine hatte einen Körper, der einem durch seine bloße Präsenz die Augen hätte betäuben können, derart betörend war er. Weiß, an den richtigen Stellen weich, an den richtigen fest – ein Hauch von gesundem Rosa lag auf den runden Wangen und die roten Lippen hätten nicht voller sein können. Kurzum: Regine war eine Art Schneewittchen.

Ohne Zwerge, ohne Berge, ohne böse Stiefmutter.

Ein perfektes Schneewittchen also.

Hielt ich ihren Körper in Händen, war ich der glücklichste Mensch der Welt; musste ich mich von ihm trennen, hätte die Welt samt mir explodieren können – mir wäre das egal gewesen. Das mit Regines Abwesenheit einhergehende Leid in meinem Leben war kaum erträglich. Ich musste zu ihr eilen, sooft es mein Zeitplan zuließ. Dabei musste ich mir als ehrlicher Mann die Frage stellen, ob ich Regine nur ihres fehlerfreien Aussehens wegen verehrte und liebte, so wie ich sie mit Sicherheit nur deshalb begehrte, oder ob da mehr im Spiel war? Am Ende gar richtige, wahre Liebe?

Spürte ich ihren Körper, dachte ich über solche überflüssigen Dinge nicht nach. Dann war ich eins mit meinem überschäumenden Blut, das nicht denken konnte, sondern einfach nur genießen wollte. Das Grübeln kam erst, wenn sie weg war, wenn ich sie nicht mehr sah.

Lagen wir eng aneinander geschmiegt, kamen mir niemals Zweifel.

Die Zweifel kamen erst, wenn die Betäubung abklang und ich wieder denken konnte. In Regines Gegenwart ist Denken nämlich komplett unmöglich. Kein Mensch kann das. Du siehst sie und bist weg. Du triffst dich erst wieder, wenn sie aus deinem Blickfeld verschwunden ist. Dazwischen ist Blackout, Filmriss – abgründige Finsternis.

Ist das wahre Liebe?

Oder ist das Verhalten hormongesteuert?

Gibt es Liebe überhaupt?

Zum ersten Mal traf ich Regine in einem Café, in dem sie jobbte. Damals folgte ich einfach den gierigen Blicken der anwesenden Herren aller Altersklassen und denjenigen der zum Teil durch Neid, zum Teil durch bewundernde Sehnsucht gelenkten Damen an den kleinen runden Tischen mit roten Papiertischdecken und Teelichtern. Sie führten mich zielgerichtet zu ihr: Regine, der schönsten aller Frauen. Schüchtern war ich nicht. Ich stand auf und folgte ihr in ihrem Fahrwasser quer durch den Raum, im Slalom um die Tische herum, blieb stehen, wenn sie stand, ging weiter, wenn sie ging. Ihr Haar trug sie im Pferdeschwanz, der schwarze Minirock umtanzte ihre Beine – ich konnte kaum atmen in dieser Zeit meiner Verfolgung. Schon dachte ich, ich ginge ihr auf die Nerven und sie würde mich nächstens von irgendwelchen kräftigen Kellnern unsanft hinausbefördern lassen.

Das tat sie zu meinem und zu dem Erstaunen aller anderen Gäste nicht.

Es mag nicht oft vorkommen, aber Regine hatte sich tatsächlich – ungelogen! – im selben Moment in mich verguckt, in dem ich mich an sie hing. Das ist kein dummes Liebesroman-Klischee. Es ist wirklich vorgefallen. So schleifte sie mich in Rattenfängermanier als treues Nagetier hinter sich her bis zur Garderobe, sagte zu mir etwas auf Französisch, das ich nicht verstand, und als ich meine mangelnden Sprachkenntnisse in einer kuriosen Mischung aus Deutsch, Englisch und Spanisch ausgedrückt hatte, lachte sie mich herzlich aus, bevor sie mir in gutem Deutsch sagte, sie habe in einer Stunde Schluss, dann sollte ich draußen vor dem Eingang auf sie warten.

Ich erkundigte mich bei ihr, ob sie sich einen Spaß mit mir erlauben und mich warten lassen wollte, sie aber entgegnete mir: „Nein, das habe ich nicht vor.“

Sie ließ mich stehen und erschien wirklich pünktlich vor dem Eingang, wo ich sie stotternd zur Hotelbar einladen wollte (ich wohnte in einem kleinen, jedoch feinen Hotel in der Stadtmitte) – stattdessen führte sie mich auf verschlungenen Pfaden durch die Straßen. Ich hatte in der Dunkelheit meine Orientierung längst verloren, bis sie vor einem Haus haltmachte, die Tür öffnete, mehrere Stockwerke in einem schmalen, altertümlichen Treppenhaus hochstieg und plötzlich, nie hätte ich das erwartet, stand ich in ihrer kleinen Wohnung.

Baff konnte ich nicht sprechen.

Baff ließ ich mir die leichte Jacke abnehmen.

Baff nahm ich den Wein an, den sie mir reichte, und selbst als ich schon halb entkleidet in ihrem Bett lag, war ich zu keinem Ton fähig. Ich konnte sie nur mit offenem Mund anstarren und das ganze für pure Einbildung, eine Vision, eine Halluzination meiner überarbeiteten und ermüdeten Nerven halten. Die funktionierten allerdings tadellos. Diese Frau war kein Bravourstück meiner fehlgeleiteten Einbildungskraft, kein Wunschtraum meines unerfüllten Begehrens. Sie war real.

Regine rauchte, während sie mich betrachtete, trank Wein, während ich kaum schlucken konnte vor lauter Fassungslosigkeit. Jede Berührung von ihr ließ mich weiter in einen Zustand hineinrutschen, in dem ich mich, meines Wissens nach, niemals zuvor befunden hatte.

Rauschartig verschlangen wir uns gegenseitig, tauschten Körperteile aus, gerieten außer und in uns, verschluckten Zungen und Haare, fühlten Hitze und Kälte, unendliche Anregung und an Tod grenzende Entspannung. Zeitweise erstickte ich an ihrem Haar, erstickte sie mit meiner Zunge, zerlegte die Bettstatt durch anhaltendes Geklopfe und sie terrorisierte alle Nachbarn durch eindeutige Ausrufe. Letztere tat sie teils in Französisch, teils in Italienisch, nie in Deutsch. Sie sagte dazu, dass sie sich zwischen den beiden Sprachen manchmal nicht entscheiden könnte, obwohl Französisch ihre Muttersprache war. Allerdings bestand sie darauf, Deutsch für eine gänzlich unpassende Sprache zur Begleitung des Geschlechtsakts zu halten, weil es ihrer Meinung nach so wenig leidenschaftlich war.

Mit solchen Frauen diskutiert man nicht, man schließt sich widerspruchslos ihrer Ansicht an und ist glücklich.

Zeitgefühl kam mir vollständig abhanden. Ich hatte keine Ahnung mehr, ob ich einen Tag, eine Woche oder einen Monat in ihrem Bett verbrachte (letztlich stellte sich heraus, dass es lediglich ein Wochenende gewesen war). Zumindest waren es paradiesische Zeiten.

Nach dem ersten Sex, der zur Zufriedenheit beider Seiten verlaufen ist, stellt sich dann ja die lästige Frage, ob nun bloß eine Affäre vorliegt oder doch was Festes draus werden kann. Wir entschlossen uns, wie die meisten im Liebestaumel, für das Feste. Die reichlich ausgeschütteten Bindungshormone meinerseits führten zu so manchen Komplikationen. Bei Frauen soll das ja anders funktionieren. In jedem Fall machten meine Hormone mich treu, ihre Hormone machten das bei ihr nicht so. Sollen die Hirnforscher entscheiden, ob das normal ist.

fernbeziehung.

Um mich her war das pure Chaos ausgebrochen.

Ich hielt mich selbst mit Mühe aufrecht, stellte mich breitbeinig und dadurch großkotzig mitten in den Gang, schnäutze mich geräuschvoll in ein Papiertaschentuch und pfefferte dieses anschließend mit verdrießlicher Miene aus dem geöffneten Zugfenster, wo es vom Fahrtwind direkt auf Nimmerwiedersehen weggeschlürft wurde. Dieses Verbrechen gegen die ohnehin schon schwer belastete Umwelt wurde von einer neben mir stehenden jungen Dame mit einem Naserümpfen kommentiert. Ich ignorierte das. Die besagte Dame stand etwas unsicher schwankend auf hellblauen Pfennigabsätzen im ratternden Zug und wartete darauf, dass ich ihr Platz machte. Mürrisch ließ ich sie passieren, wobei sie nicht wenig gegen mich stieß bei ihrem Versuch, sich ohne peinliche Berührung an mir vorbeizudrücken.

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