Gustav Weil - Tausend Und Eine Nacht

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Gustav Weil

TAUSEND UND EINE NACHT

Erster Band

1865

Als vor etwa anderthalb Jahrhunderten Anton Galland einen Teil der Märchen, welche unter dem Namen Tausend und eine Nacht bekannt sind, in französischer Sprache veröffentlichte, wollten nur wenige dieses Werk für eine Übersetzung aus dem Arabischen halten, weil es mit dem, was man damals von der arabischen Literatur kannte und von Sitten, Gebräuchen und geselligem Verkehr der Araber wußte, gar wenig in Einklang stand, weil Galland selbst in seiner Vorrede über den Ursprung des von ihm übersetzten Werkes gar nichts zu sagen wußte, auch über die benutzten Handschriften ungenügende Auskunft gab. Was nun ersteren Punkt betrifft, so ist jeder Zweifel längst geschwunden, indem inzwischen viele Texte der 1001 Nacht nach Europa gebracht worden sind und nunmehr sogar mehrere gedruckt vor uns liegen. Das Befremdende in Bezug auf Sitten und Gebräuche rührte teils von der Übersetzung Gallands her, welcher den Stoff seinen an fremde Kost nicht gewöhnten Franzosen mundgerecht machen wollte, teils von der geringen Bekanntschaft mit dem Leben der späteren Araber, welches von dem der älteren, das man im achtzehnten Jahrhundert allein näher kannte, sehr verschieden ist.

Von längerer Dauer als die Zweifel an Gallands Ehrlichkeit war die Ungewißheit über den Ursprung und die Zeit der Abfassung der 1001 Nacht. H. v. Hammer hat darüber zuerst Aufschluß gegeben. Er hat eine Stelle aus den »Goldenen Wiesen« von Masudi, einem Historiker aus dem zehnten christlichen Jahrhundert, aufgefunden, in welcher von verschiedenen wunderbaren Erzählungen die Rede ist und wo es heißt: »Manche betrachten diese Erzählungen als eine Fiktion, gleich dem Buche »1000 Märchen,« welches gewöhnlich »1000 Nächte« (in einigen Handschriften 1001 N.) genannt wird; es ist die Geschichte des Königs, des Veziers und seiner Tochter und ihrer Amme (oder nach anderen Handschriften, Schwester), welche Schirsad und Dunjasad (oder Dinarsad) hießen.« Später entdeckte derselbe Gelehrte eine Stelle im Buch » Fihrist«, einer arabischen Literaturgeschichte aus derselben Zeit, in welcher der Verfasser zuerst berichtet, daß die alten Perser die ersten Werke verfaßten, welche Märchen und wunderbare Erzählungen enthielten, sodann, daß die Araber solche Werke in ihre Sprache übersetzten, sie später noch weiter ausschmückten und andere ähnliche dichteten. Der Verfasser fährt dann fort: »Das erste Buch dieser Art war das » Hesar Afsan«, d. h. »tausend Märchen.« Folgendes war die Veranlassung zu diesem Werke: Einer dieser Könige pflegte, sooft er ein Mädchen heiratete, es am Morgen nach der Hochzeit töten zu lassen. Er heiratete auch unter anderen eine gebildete und geistreiche Prinzessin, welche Schehersad hieß. Diese erzählte ihm Märchen und richtete es so ein, daß, wenn der Morgen heranbrach, der König begierig war, das Ende der Geschichte zu hören und sie darum noch verschonte. So vergingen tausend Nächte, während derer sie seine Gattin blieb und ihm ein Kind gebar, das sie ihm endlich zeigte. Zugleich gestand sie ihm, daß sie, um ihr Leben zu fristen, ihn durch ihre Erzählungen zu fesseln gesucht habe. Er bewunderte ihre Klugheit, gewann sie lieb und schenkte ihr das Leben. Der König hatte auch eine Schloßverwalterin, Dinarasad genannt, welche die Prinzessin in ihrem Unternehmen unterstützte. Man behauptet, dieses Buch sei der Königin Humai, der Tochter Bahmans gewidmet worden. Es enthält tausend Nächte, aber weniger als zweihundert Erzählungen, denn eine Erzählung füllt häufig mehrere Nächte aus. Ich habe mehrere vollständige Exemplare davon gesehen, es ist in Wahrheit ein schlechtes Buch, voll alberner Geschichten.«

Der gelehrte Silvestre de Sacy hat (in den Memoires de l‘Institut) eine vortreffliche Abhandlung über den Ursprung der 1001 Nacht geschrieben und aus dem Inhalt derselben nachgewiesen, daß sie nicht nur aus der islamitischen Zeit herrühren, sondern sogar erst im 15ten Jahrhundert geschrieben wurden. Da ihm nur die zuerst angeführte Stelle aus dem Werke Masudis bekannt war, so behauptete er, entweder die Worte, »welche gewöhnlich 1000 Nächte genannt werden,« seien eine Interpolation, oder das Werk, von welchem Masudi spricht, sei ein ganz anderes als das, welches wir jetzt unter dem Namen 1001 Nacht kennen. Erstere Vermutung hat sich durch das Buch Fihrist als unrichtig erwiesen, letztere aber ist nicht nur nicht widerlegt worden, sondern der gelehrte Engländer Lane, einer der besten Kenner der neueren arabischen Literatur sowohl als des Lebens, der Religion, der Sitten und Gebräuche der Araber, dem nicht nur die Stelle aus dem Fihrist bekannt war, sondern der auch später von einer anderen in Makkaris Geschichte von Spanien Kenntnis erhielt, aus welcher hervorgeht, daß in Ägypten ein Werk unter dem Titel »1001 Nacht« im dreizehnten Jahrhundert bekannt war, pflichtet doch de Sacy darin bei, daß unsere 1001 Nacht ein Erzeugnis des 15ten bis 16ten Jahrhunderts sei. Manche von diesem Gelehrten angeführte Beweisgründe sind zwar nicht stichhaltig,So glaubt er z. B. aus einer Stelle in der Geschichte des Königs der schwarzen Inseln, wo es heißt, die christlichen Bewohner der Stadt seien in blaue und die jüdischen in gelbe Fische verwandelt worden, beweisen zu können, dieses Märchen sei erst im achten Jahrhundert der Hidirah geschrieben worden, in welchem der Sultan Kilawun die Christen nötigte, blaue und die Juden gelbe Turbane zu tragen. Aber solche Vorschriften bestanden schon mehrere Jahrhunderte früher und Kilawun hat sie nur wieder aufs neue eingeschärft. andere aber von ihm sowohl als von de Sacy geltend gemachte, lassen keinen Zweifel übrig, daß von der alten persischen Sammlung nur ganz wenige Märchen und der Rahmen übrig geblieben sind, der bei weitem größere Teil aber echt arabisch und zwar ziemlich neu ist. Daß dies von allen den Märchen gilt, in welchen Harun Arraschid und noch viel spätere Fürsten vorkommen, versteht sich von selbst, aber auch wo dies nicht der Fall ist, tragen manche unverkennbare Zeichen einer späteren islamitischen Zeit an sich. So ist in mehreren von moslimischen Sultanen in Ägypten die Rede, was doch vor dem sechsten Jahrhundert der Flucht nicht vorgekommen ist. In der Geschichte des Buckligen wird Kahirah Mißr genannt, ein Name, der in den ersten Jahrhunderten der Flucht nur für Fostat gebraucht wurde; auch kommt ein Quartier Habbanieh darin vor, das im 14. Jahrhundert noch nicht existierte. In der Erzählung von Djaudar ist von einem Scheich el Islam die Rede, ein Titel, der erst unter Mohammed 11. vorkommt, auch von Münzen, die erst unter den späteren Mamelucken den ihnen beigelegten Wert hatten. In der Erzählung von Abußir und Abukir ist sogar von Tabak die Rede, der bekanntlich erst gegen Ende des 16. Jahrhunderts im Osten geraucht wurde, doch mochte dieses Märchen, da in keinem anderen von Tabak, auch nur einmal von Kaffee, der früher Eingang fand, die Rede ist, erst später hinzugefügt worden sein. Aber auch die allerersten Märchen, welche die meisten Handschriften gemein haben und von denen man zunächst annehmen sollte, sie bildeten den Grundstock des aus dem Persischen übersetzten Werks, an dem sich dann allmählich neuere Dichtungen anreihten, welche ältere verdrängten, tragen ein entschiedenes moslimisches Gepräge.

Gleich in der Erzählung des Kaufmanns mit dem Geiste werden Koranleser erwähnt. In der des ersten Greises mit der Gazelle ist vom großen Beiramfeste die Rede, an welchem er seine in eine Kuh verzauberte Gattin schlachtet. In der Geschichte des Fischers mit dem Geiste sagt dieser, er sei einer von den Geistern, welche Salomon ihrer Widerspenstigkeit willen in kupferne Flaschen einzusperren pflegte, ganz wie sie die moslimische Tradition nach jüdischen Sagen kennt.

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