„Um auf die Spinnen zurückzukommen“, unterbrach ich ungeduldig. „Ihr sagtet, sie seien verwandelt worden? Von einem Magier?“
„Ja, so muss das wohl sein. Monster sind meist Wesen, die aus ganz gewöhnlichen Gegenständen, Tieren oder sogar Menschen geschaffen werden. Manchmal absichtlich, manchmal aus Versehen.“
„Man kann Monster aus Versehen erschaffen?“, fragte Gendra.
„Magier sind nicht vollkommen“, antwortete Zarkos und lachte in sich hinein. „Sogar ich habe da das eine oder andere Mal daneben gegriffen. Passiert eben. Wichtig ist, dass man auch wieder beseitigen kann, was man versehentlich geschaffen hat.“
„Ein Magier, der Monster hervorbringen kann, ist wohl ziemlich mächtig“, mutmaßte ich. „Das wird einem Novizen der Akademie nicht gelingen.“
„Das kann man wohl sagen. Dazu muss man Meister sein, und zwar ein guter. Es gab da zwei oder drei zu meiner Zeit, aber das ist lange her. Wollt ihr eigentlich den ganzen Tag hier herumstehen? Macht euch auf den Weg! Die Sonne steigt höher, und ihr müsst eine Herberge finden, bevor sie wieder untergeht. Die kommenden Nächte werden kalt. Und gebt künftig besser Acht auf scheinbar leere Flächen im Wald.“
„Habt ihr eigentlich etwas von Kämpfen gehört, die im Norden der Provinz Malbraan ausgebrochen sein sollen?“, fragte ich, als wir in der Tür standen.
„Und ob. Ich musste einige Male eingreifen, um Dörfer und Bauernhöfe zu beschützen. Es wird höchste Zeit, dass jemand etwas gegen die Skjargarder unternimmt.“
„Skjargarder?“, fragte ich. Diesen Begriff hatte ich noch nie zuvor gehört.
„Ja, die wagen sich immer weiter vor. Die Thorgarder haben inzwischen Angst, da hineingezogen zu werden. Dabei wissen sie gar nicht, was eigentlich los ist. Ein paar von denen sind auch hier in den Wäldern unterwegs. Also verwechselt sie nicht, wenn ihr ihnen begegnet. Nicht, dass ihr die Falschen angreift!“
„Wir kennen beide Begriffe nicht“, beeilte ich mich, zu sagen. Denn der Alte war schon dabei, die Tür hinter uns zu schließen.
„Oh, ihr werdet den Unterschied schnell herausfinden. Vielleicht heute schon. Und nun los, vertut nicht noch mehr Zeit.“
„Eine Frage noch!“, rief Gendra. „Wie räuchert ihr den Schweineschinken, dass er so wunderbar wird?“
„Schwein?“ Zarkos kicherte. „Das war doch kein Schwein! Das war ... Aber was soll’s, kann euch doch egal sein. Verschwindet jetzt!“
Damit schloss er die Holztür. Wir standen einen Moment unschlüssig herum. Dann nahmen wir die Riemen unserer Pferde, suchten den Rückweg zur Straße und marschierten flott voran, um die Kälte nicht zu sehr zu spüren.
Das Dorf, das wir kurz vor Sonnenuntergang erreichten, machte einen kläglichen Eindruck. Holzhütten und schiefe Scheunen bestimmten das Bild. Dazwischen große Holzstöße, die durch einfache Bretterdächer vor Regen und Schnee geschützt wurden. Zu Heizen hatte man hier sicherlich genug Vorrat für den Winter. Aber ansonsten wirkte alles so ärmlich, dass ich bezweifelte, hier auch nur genügend zu Essen zu bekommen für die Weiterreise. Ganz zu schweigen von Ausrüstungsgegenständen, Kleidungsstücken und Futter für unsere Pferde.
Doch die Dörfler überraschten uns. Die Hütte, die uns als Taverne empfohlen wurde, erwies sich als stabil und winddicht. Die Fenster aus dünnen Tierhäuten ließen genug Licht herein, um sich zu orientieren, und vor allem: Es war warm!
Wir erwähnten, dass wir bei Zarkos dem Magier gewesen waren. Die Leute in der Taverne verlangten zu hören, wie es dazu gekommen war und was er gesagt hatte. Wir berichteten von unserem Abenteuer, während wir gutes Bier tranken und reichlich aßen. Niemand zweifelte an, was wir erzählten, was uns verwunderte.
Nach dem Essen brachte man uns zum einzigen Krämer am Ort. Dessen Laden alles bot, was wir für die Reise benötigten. Zwar nicht in der Qualität, die wir gerne gehabt hätten, aber gut genug. Zum Glück hatte ich auf der Flucht vor der Riesenspinne meinen Umhang nicht verloren. In dessen Innentaschen befand sich das Geld, das uns Romeran im Auftrag des Fürsten Borran übergeben hatte. Ich konnte also die geforderten Preise bezahlen, wodurch unser Ansehen bei den Dorfbewohnern weiter stieg. Es schien sich überhaupt um einen gutmütigen Menschenschlag zu handeln, der vom Baumfällen und von der Jagd lebte.
Wir übernachteten im Heuschober hinter der Taverne, denn Gästebetten gab es nicht. Aber es war dort warm genug und wir verbrachten eine erholsame Nacht. Nur ein Gedanke hielt mich für kurze Zeit vom Einschlafen ab. Als wir den delikaten Schinken erwähnten, den uns Zarkos vorgesetzt hatte, lachten die Dörfler wissend auf. Aber sie wollten uns nicht sagen, von welchem Tier das Fleisch stammte. Wir tippten auf wilde Schweine oder auf eine Sau, die von einem der Bauernhöfe stammte, die es in der Umgebung gab. Aber die Leute nickten sich augenzwinkernd zu, während wir redeten. Was in aller Welt hatte Zarkos uns da serviert?
Am folgenden Morgen waren wir reisefertig. Sogar ein viertes Pferd konnten wir samt Sattel und Zaumzeug erstehen, allerdings für einen horrenden Preis. Einen provisorischen Sattel für das Packpferd herzustellen gelang dann auch noch. Auf dem würde Martie reiten, der mit Tieren immer am besten auskam.
Wir ließen uns den vor uns liegenden Weg beschreiben. Einen halben Tagesritt weiter befand sich das nächste Dorf, das größer war als dieses hier. Dort würden wir weitere Vorräte und Ausrüstungsgegenstände kaufen können. Auch gab es eine Taverne mit einem großen Schlafsaal, falls uns das lieber war, als im Heu zu übernachten. Wir könnten dann aber auch weiterreiten und würden rechtzeitig vor Hereinbrechen der Nacht ein Städtchen mit Namen Wardingen erreichen. Dort gab es alles, was das Herz begehrte, zumindest das Herz dieser hinterwäldlerischen Dörfler.
Wir verabschiedeten uns, saßen auf und wollten losreiten, als Gendra noch einmal die Frage nach dem geräucherten Schinken stellte.
Diesmal erhielten wir eine Antwort.
„Zarkos der Weise tötet keine Tiere und er isst auch nicht das Fleisch von Tieren, die für ihn getötet werden. Er lebt nur von Pflanzen, Früchten und Honig und was der Wald ihm sonst bietet. Wenn er Fleisch hat, so stammt es vom Kadaver eines Wildtieres, das irgendwo verendet ist. Ich will gar nicht wissen, um was es sich diesmal gehandelt haben mag. Niemand von uns würde es essen, und auch Zarkos räuchert es sich nur für Notzeiten. Vielleicht hatte er gerade sonst nichts im Haus, als ihr zu ihm kamt.“
Die Dörfler lachten über unsere Gesichter, während wir davonritten.
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