„ Können wir uns jetzt immer in dieser Art unterhalten?“
„ Wenn du es möchtest. Ja.“
„ Ich bin du. Du bist ich. Ist dir das klar?“
„ Noch nicht so ganz. Ich habe bisher an dich, als meinen Wirtskörper gedacht. Jetzt weiß ich, dass zwischen dir und mir ein besonderes Band besteht. Aber wie schon gesagt, ich musste Gefühle auch erst lernen.“
„ Wirtskörper ist ein sehr kalter Begriff.“
„ Nicht kalt. Eher sachlich. Der Begriff zeigt meine Abhängigkeit zu deinem Körper. Ich kann in deinem Körper nur existieren, solange du existierst. - Jetzt kommen wir aber zu einem Punkt, über den wir gemeinsam entscheiden müssen.“
„ Welche Entscheidung müssen wir treffen?“
„ Du hast sicherlich festgestellt, dass ich eine außergewöhnlich schnelle körperliche Entwicklung habe. Ich musste mein Wachstum verlangsamen - kann es aber nicht insgesamt aufhalten.“
„ Und was besagt das?“
„ Wir müssen den Entkopplungsvorgang, oder anders gesagt, die Geburt, einleiten.“
„ Nichts lieber als das. Ich bin es leid, wie eine Ente durch die Gegend zu watscheln. Aber schadet dir eine frühere Geburt nicht?“
„ Ich schade dir, wenn wir noch länger warten. Ich bin voll ausgebildet und lebensfähig.“
„ Ich freue mich darauf, dich endlich zu sehen.“
„ Auch ich habe ein großes Interesse daran.“
„ Welchen Zeitpunkt sollen wir denn vorsehen?“
„ Zeit ist für mich ebenso relativ wie für Hein. In den Begriffen deiner Denkweise wäre es mir lieb, die Geburt morgen einzuleiten. Kannst du die Vorbereitungen für dich in dieser Frist abschließen?“
„ Sicherlich ist das möglich. Muss ich in ein Krankenhaus, um möglichen Komplikationen vorzubeugen?“
„ Der Geburtsvorgang wird vollkommen problemlos ablaufen. Ich habe deine körperlichen Voraussetzungen und Funktionen überprüft. Es ist alles in Ordnung. Ich kann den Vorgang alleine steuern.“
„ Es ist unglaublich. Ich unterhalte mich mit meinem ungeborenen Baby über seine Geburt. Wo hat es so etwas schon einmal gegeben?“
„ Mir ist Ähnliches nicht bekannt.“
„ Wo möchtest du denn das Licht der Welt erblicken?“
„ In der großen Höhle. Hier und in der Kate sind die einzigen Orte, an denen wir zurzeit miteinander in Kontakt treten können. Hier sind der Katalysator und Hein. All diese Komponenten müssen im Einklang sein, sonst gelingt es nicht.“
„ Wer oder was ist Hein?“
„ Das weiß er oder es selbst nicht so genau. Er bezeichnet sich als Schutzgeist dieser Mulde.“
„ Welcher Mulde?“
„ Dieser Ort, an dem Du lebst.“
„ Kann man ihn sehen oder fühlen?“
„ Nein. Er ist Energie.“
„ Wie kann reine Energie leben?“
„ Es ist eine andere Art Leben, als das, welches dir bekannt ist.“
„ Woher bezieht er seine Informationen und Gedanken? Wie kann er denken?“
„ Er nimmt alles Wissen aus seiner Umgebung. Sobald du denkst, sendet dein Gehirn eine modulierte Strahlung, die nicht nur auf deinen Kopf begrenzt ist. Jeder Empfänger könnte sie aufnehmen und entschlüsseln. Es ist der gleiche Vorgang, der mit uns beiden zurzeit geschieht.“
„ Also gibt es doch Gedankenübertragung?“
„ Sicherlich. Nur muss dein Gegenüber auch Empfänger sein.“
„ Es verwirrt mich immer noch. Eigentlich solltest du es sein, der mir Fragen stellt. Aber ich bin dir gegenüber so unwissend, dass ich mich schon fast schäme.“
„ Du musst keine Scham empfinden. Du bist ein natürliches Geschöpf dieser Erde. Ich bin durch einen zusätzlichen Eingriff das, was ich jetzt bin. Ich weiß auch noch nicht, was die Zukunft bringt. Ich sehe nur, dass wir sie gemeinsam gestalten.“
„ Was. Du kannst auch in die Zukunft sehen?“
„ Langsam, langsam. Nicht alles auf einmal. Wir konzentrieren und zunächst einmal auf die Geburt. Der Samenspender, mein Vater, kommt um vor Sorge und schüttelt dich schon seit einiger Zeit hin und her. Wir werden jetzt den Kontakt unterbrechen.“
„ Warte. Eine Frage noch. Wie soll Dein Name sein?“
„ Darüber habe ich mir noch keine Gedanken gemacht. Darüber muss ich nachdenken So. Und jetzt bis später.“
Abrupt unterbrach die Verbindung. Britta nahm ihre Umwelt wieder wahr. Blinzelnd drehte sie Ihren Kopf und entdeckte, Martin. Sorgenfalten lagen auf seinem Gesicht.
„Na endlich. Ich dachte schon, du wolltest überhaupt nicht mehr zu dir kommen. Was ist passiert? Erzähle schon. Ich brenne vor Ungeduld.“
Britta sammelte ihre Gedanken. Es war so neu und so schön. Sie verstand ihre vorherige Angst nicht mehr.
„Es war schön. Ich bin jetzt dankbar, dass du es mir ermöglicht hast, vor der Geburt mit unserem Mädchen zu reden.“
„Ein Mädchen also“, Martin strahlte über das ganze Gesicht. „Ein Mädchen. Und du konntest mit ihr reden? Unglaublich, wie so etwas möglich ist?“
„Stell mir bitte keine Fragen. Ich suche selbst Antworten. Wir müssen alles vorbereiten. Morgen wollen wir die Geburt einleiten.“
„Wie? So früh? Die Geburt einleiten? Soll ich einen Arzt rufen?“
Britta warf ihm einen nachsichtigen und mitleidigen Blick zu.
„Wir benötigen keinen Arzt. Eine Geburt bekommen wir schon alleine hin.“
Martin wusste nicht mehr, woran er war.
„Britta. Was ist los mit dir? Du bist so verändert. Vor einer halben Stunde hast du dir vor lauter Angst fast in die Hosen gemacht und jetzt willst du die Geburt unseres Mädchens einleiten.“
„Die Angst ist auch nicht verschwunden. Unser Baby wird alles regeln. Ich habe vollstes Vertrauen zu ihr. Die Geburt wird hier in der Kate stattfinden. Dann haben wir die Sicherheit, dass es gut geht. Also auf. Wir müssen alles vorbereiten. Über das andere sprechen wir später.“
*
Es war früher Nachmittag und draußen schien die Sonne. Ein schöner Tag und ein schönes Willkommen für eine neue Erdenbürgerin.
„Martin? Ich brauche deinen Stein, um Komplikationen zu vermeiden.“ Sie hielt ihm auffordernd die Hand hin.
„Was willst du denn damit? Der wirkt doch nicht bei dir.“
„Unser Kind ist ein Katalysator. Und ich denke, wesentlich stärker als du.“ Britta lag auf dem Bett in der Kate. Alles war für die Geburt vorbereitet. Martin hielt ihr den Stein hin. Sie nahm ihn in die Hände und zog die Beine an.
„Aber … du hast doch noch keine Wehen gehabt. Wieso bist du so sicher, dass die Geburt unmittelbar bevorsteht?“ Martin kam nicht mit. Die Angelegenheit wuchs ihm über den Kopf.
Britta lehnte zurück und legte ihre Konzentration auf ihr Innerstes, auf ihr Mädchen.
„ Hallo. Bist du da?“
„ Ja mein Schatz. Ich bin hier.“
„ Schatz? Ist das mein Name?“
„ Es ist ein Kosename. Für dich wollen wir einen besonderen Namen. Hast du dir schon Gedanken gemacht?“
„ Oh ja. Es ist unglaublich schwierig, einen Namen zu finden. Es gibt so viele, die mir gefallen. Nenn du einen Namen.“
„ Okay. Ich habe mir auch schon Gedanken gemacht. Was hältst du von Kyra?“
„ Kyra ist ein schöner Name. Also bin ich ab jetzt Kyra. Aber jetzt genug mit den Namen. Ich will geboren werden.“
„ Kyra? In Ordnung. Von mir aus kann es losgehen.“
„ Ist dir der Geburtsvorgang bewusst, Britta?“
Читать дальше