Lächelnd zuckten ihre Mundwinkel. Britta öffnete die Augen, die ruhig und entspannt sie zu ihm hinauf blickten.
„Bist du endlich einmal aus deiner Bude herausgekommen? Ist die Geisterbeschwörung beendet?“
„Bist du immer noch sauer?“, er knetete ihr leicht die Schultern.
„Weshalb sollte ich sauer sein?“, sie ließ wohlig den Kopf nach vorne sinken, damit seine massierenden Hände ihren Nacken erreichten.
„Wovor hast du Angst, mein Schatz?“
Britta versteifte sofort. Wenn er, mein Schatz, sagte, wurde sie misstrauisch. Dann wollte er etwas und versuchte, seinen Kopf durchzusetzen. Vorsichtig warf sie ihm von der Seite einen Blick zu. Sein Haar war durcheinander und stand in allen Richtungen vom Kopf. Das Gesicht zeigte eine gesunde Farbe von den langen Aufenthalten im Freien. Flüchtig erkannte sie den gespannten Ausdruck in seinen Augen.
„Du stellst blöde Fragen. Wovor soll ich Angst haben? Ich habe keine Angst. Wenn du etwas von mir willst, sage es. Die Fragen dienen doch dazu, mich von irgendeiner deiner Ideen, zu überzeugen.“
Martin schlug innerlich die Hände vor den Kopf. Klar … sie erinnerte sich nicht. Aber, was war mit ihm? Die Szene in der Kate stand deutlich vor seinen Augen. Tatsächlich. Er konnte jedes Detail der Kate, der Höhle und den Ereignissen dort, abrufen. Komisch. Wieder etwas Neues.
„Nein. Keine neuen Ideen. Ich möchte dir in der Kate etwas zeigen.“ Ihm war unwohl, sie zu linken, wusste er doch, wie sie um die Situation litt.
„Die Kate?“ Britta rieb sinnend an der Schläfe. „Die ist mir total entfallen. Klar. Warum nicht. Jetzt?“
„Ich mach‘ uns erst einen Kaffee.“
„Du bist ein richtiges Arschloch. Immer wieder manipulierst du mich und ich falle darauf herein. Ich wollte nie mehr hier hin. Das weißt du doch.“ Sie hatten gerade den Sandstreifen betreten, als die Erinnerung wie ein Schlag kam. Britta war richtig sauer.
„Fahr‘ runter. Ich hab‘ auch ein schlechtes Gewissen und weiß, dass meine Mittel unfair sind.“
„Da kann ich mir was für kaufen. Ich will einfach normal leben und habe keinen Bock mit einem Geist oder einem Monster in meinem Bauch zu reden.“ Sie wandte sich ab und wollte gehen. Martin hielt sie zurück.
„Deine Gedanken haben dir einen Streich gespielt. Du hast dir den Kontakt mit unserem Baby so sehr gewünscht, dass du es jetzt selbst glaubst. Dein Unterbewusstsein muss verrückt gespielt haben. Lass‘ uns das noch einmal überprüfen.“
„Martin, du versuchst es schon wieder. Du nimmst sofort zurück, was du gesagt hast. Es ist eine Unverschämtheit zu behaupten, ich sei verrückt. Wer hier verrückt ist, steht außer Frage. Du mit deinem bescheuerten Stein und deinem sprechenden Geist, Hein. Du bist doch schwachsinnig. Welcher erwachsene Mensch bespricht seine Sorgen mit einem Stein. Das ist doch genauso meschugge, wie im Spiegel, mit sich selbst zu sprechen“, ihr Gesicht war zornesrot und der Körper bebte vor Ärger.
Martin war fassungslos. Was hatte er denn jetzt schon wieder falsch gemacht? Mensch, was war er froh, wenn die Schwangerschaft vorüber war.
„Ich habe zu keinem Zeitpunkt behauptet, Du seist nicht bei Sinnen. Immer wieder verdrehst du, was ich sage. Langsam glaub‘ ich, du drehst ab. Ich möchte dir helfen. Warum bist du so gereizt? Lass uns darüber reden.“
„Ich will mich nicht mit dir unterhalten – zumindest nicht darüber. Du hast erreicht, was du wolltest. Du wusstest genau, dass, wenn ich die Grenze überschreite, nicht anders kann, als dort hinein zu wollen.“ Britta fing an zu schniefen und die Stimme wurde weinerlich. „Ich will, dass das Baby kommt.“
„Aber Schatz es doch viel zu früh.“
„Nenne mich nicht Schatz“, sie fauchte ihn laut an. „Wenn ich das Baby nicht sofort bekomme, platze ich. Jede Stunde, die ich warte, werde ich verrückter. Ich will, dass es aus mir rauskommt.“ Schwerfällig ging sie auf die Kate zu. „Los. Komm schon. Wir gehen in deine Hütte und dann werde ich einiges in mir klarstellen“, entschlossen packte sie den Türgriff. Auf der Schwelle blieb sie stehen und drückte ihren verspannten Rücken durch. Dann rollte sie in die Hütte.
Martin starrte entgeistert hinter ihr her. Ging noch alles mit rechten Dingen zu? Oder war ihnen beiden jegliche eigene Entscheidung genommen? Er gab sich einen Stoß und machte, dass er hinter Britta herkam.
Britta stand erstarrt im Raum. Einen Augenblick blieb die Welt stehen. Einen kurzen Moment nur, war die Zeit im Begriff anzuhalten. Im Moment des kurzen Zeitstillstandes erstarrte sie. Sämtliche Energie floss aus ihrem Körper.
„Kommst du?“, fragte sie mit kläglicher Stimme.
Schnell verkürzte Martin den Abstand zu ihr und legte die Hand beruhigend auf ihre Hüfte.
„Wenn deine Angst zu groß ist, Britta … dann gehen wir wieder zurück.“ Er wollte sie beschützen und keiner Belastung, egal ob geistig oder körperlich aussetzen. Entschlossen trat Britta noch einen Schritt vor.
„Nein. Ich muss es hinter mich bringen. Den jetzigen Zustand halte ich nicht aus und schlimmer kann es nicht kommen.“
Sie gab sich einen Ruck und stand im Halbdunkel des Zimmers, wo nach ihrer Ansicht der Ursprung ihres Übels lag. Die Angst kam wieder.
*
Britta stand unschlüssig in der Kate und wusste nicht mehr, was sie wollte. Sie zitterte und schwitzte. Martin bugsierte sie auf einen Stuhl und drückte sie beruhigend.
„Komm mein Schatz. Bringen wir es hinter uns.“
„Ich will nicht. Ich habe Angst“, sagte sie weinerlich.
„Komm hab‘ keine Angst. Es wird sich alles zum Guten wenden.“
„Versuche es alleine. Ich kann dir doch nicht dabei helfen.“ Feierlich hielt er ihr den Stein hin.
„Nein. Du musst mich festhalten.“
Er umfasste ihre Hände mit dem Stein. Sofort dachte sie wieder die fremden Gedanken in ihrem Kopf.
„ Hallo. Da bist du ja. Ich habe auf dich gewartet. Es wird Zeit.“
„ Ich habe Angst.“
„ Warum?“
„ Es ist nicht normal.“
„ Was ist normal? Normal oder nicht normal sind Begriffe, die Menschen machen. Normal ist aber auch alles, was die Natur verursacht. Es gibt nichts Anormales.“
„ Das ist aber eine sehr philosophische Betrachtungsweise.“
„ Nein. Überhaupt nicht. Was nicht normal ist, kann nicht sein. Alles, was es auf der Welt gibt, ist auch so vorgesehen. Also auch ich. Warum hast du Angst vor mir?“
„ Ich kann doch nichts dafür. Es überkommt mich einfach.“
„ Nimm es, wie es ist, und du wirst keine Angst mehr haben.“
„ Bist du ein Junge oder ein Mädchen?“
„ Ich bin ein Mädchen.“
„ Hat die Schöpfung erkannt, dass wir Mädchen stärker sind?“
„ Ja und nein. In den Jahrtausenden wurde der Stein meines Erzeugers, oder sprechen wir ab jetzt von Vater, unkontrolliert an männliche Erben weitergegeben. Keine Macht hatte einen Einfluss auf die Stafette durch die Generationen. Es war immer dem Zufall überlassen, ob der Träger in der Lage war, den entsprechenden Kontakt herzustellen.“
„ Und mit dir wurde eine bewusste Auslese getroffen?“
„ Mehr oder weniger. Aber, Hein war im Augenblick der genetischen Veränderung des Erbguts auch sehr aufgeregt. Die Wahrscheinlichkeit des Zufalls ist sehr groß.“
„ Deine Übertragung ist heute moduliert und nicht so kalt wie bei unseren vorherigen Unterhaltungen. Was hat dich verändert? Ich habe keine Angst mehr.“
„ Modulation musste ich lernen. Mir waren Gefühle unbekannt. Jetzt kann ich unterscheiden und auch schon selbst empfinden. Deine Angst hast du in dem Augenblick verloren, indem du mich akzeptiertest.
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