„Es ist, als …“, flüsterte er mit rauer Stimme, während sie einmal ruhig nebeneinanderlagen, in ihr Ohr und suchte nach Worten. „Ich habe immer auf dich gewartet.“
„Wir sind füreinander bestimmt“, wisperte sie zurück und drängte sich schauernd gegen ihn.
„Die Große Mutter hat uns ein Wunder geschickt. Sicherlich ist noch nie einem Menschen so etwas geschehen, wie mit uns beiden.“ Er versuchte, ihr in der Dunkelheit, in die Augen zu schauen.
„Du hast recht. Niemand kann bisher Ähnliches erlebt haben. Vom ersten Augenblick an, an dem ich dich sah, war mein ganzes Sehnen auf dich gerichtet. Wir werden von nun an immer zusammenbleiben.“ Sie kuschelte noch fester gegen ihn und genoss das Gefühl der Gemeinsamkeit.
Am Morgen wurde Arget von Stimmengemurmel geweckt. Der Stamm saß um das Herdfeuer, um den Tagesablauf zu besprechen.
Er fühlte sich zerschlagen und doch wieder gut. Erst in den frühen Morgenstunden war er zu etwas Schlaf gekommen. Byrda schlief noch neben ihm. Ihr schwarzes Haar lag, wie ein Fächer, auf dem Fell. Ihre Züge waren entspannt und die vollen Lippen lächelten im Schlaf. Die Zudeckfelle waren von ihren Brüsten gerutscht, die voll und prall in die Luft standen. Trotz der langen und heißen Nacht bekam er wieder Lust. Schnell verließ er seine Schlafstelle und ging ein Stück in den Wald hinein, um seine Notdurft zu verrichten. Danach genoss er ein schnelles Bad in den heißen Wassern.
Wiederum in der Versammlungshalle begab er sich sofort zu dem Alten und bedeutete ihm, dass er großes Interesse an seiner Enkelin Byrda habe. Alle Unsicherheit war von ihm abgefallen und es war mit einem Male die selbstverständlichste Sache der Welt, dass er um Byrdas Hand anhielt.
Lange Zeit starrte der Greis in das Feuer. Bedächtig hob er den Kopf. „So soll es sein. Ich habe schon lange gewusst, dass das weibliche Kind meines Sohnes zukünftig nicht in unserem Stamm leben wird. Sie wurde auf ein Leben in der Fremde vorbereitet.“
„Wie konntest du es wissen, weiser alter Mann?“, fragte ihn Arget verblüfft.
„Zwischen Himmel und Erde gibt es viele Dinge, die wir erst verstehen lernen müssen. Es wird viele Jahrtausende dauern, bis die Menschheit für diesen Planeten bereit ist. Ich weiß von dir, von deinen Träumen und deinem Zauberstein. Schau nicht so erschrocken. Wie ich dir sagte, viele Erkenntnisse entziehen sich uns. Deine Nachkommen, Arget werden bei der Entwicklung der Menschen eine große Rolle spielen. Ich bin stolz darauf, dass du meine Enkelin zu deiner Gefährtin gewählt hast.“
Wieso ich, dachte Arget. Ich hatte doch gar nichts damit zu tun. Sie ist doch unter mein Fell gekrochen und nicht ich zu ihr.
„Du erstaunst mich alter Mann, dass du so viel Wissen über die Mächte der Erde gesammelt hast. Ebenso bin ich verwundert, dass dein Stamm Worte spricht und diese, zu Sätzen aneinanderreiht. Ich hatte bisher nur in meinen Träumen davon Kenntnis. Die Menschen meines Stammes sind dazu nicht in der Lage.“
„Es ist überhaupt nichts verwunderlich, mein Sohn. Die große Allmacht der Erde tut nichts ohne Sinn. Deine Gefährtin muss besondere Fähigkeiten besitzen, die sie über die Frauen der anderen Stämme herausheben. Warum nicht die Sprache?“
„Aber ist es nicht seltsam, dass ich als Fremder deines Stammes und viele Tagesreisen entfernt lebend, deine Sprache verstehe.“
„Eines Tages werden alle Menschen die gleiche Sprache sprechen. Sie werden die Allmacht der Erde erzürnen und wieder in unverständlichem Sprachwirrwarr zurückfallen. Dann wird es wieder lange Zeit dauern, bis eine Sprache alle Barrieren beseitigt.“
„Alter Mann. Du verwirrst mich. Ich verstehe dich nicht.“
„Es ist im Moment nicht wichtig, ob du mich verstehst oder nicht. Die Zeit wird es bringen. Sei noch einige Tage unser Gast und dann mache dich mit Deiner Gefährtin auf den Weg, zu deinem Zuhause.“
Wie der alte Mann ihm geraten hatte, blieb Arget noch einige Tage und führte viele lange und verwirrende Gespräche mit ihm. Der Hintergrund wurde immer unklarer. Die Gedanken verstörten ihn. Er musste mit seinem Stein träumen. Mehr als alles auf der Welt wünschte er sich in seine Heimat und damit in seine Traumwelt zurück. Die Unterhaltungen mit dem Alten machten ihn noch verrückt.
Viele Diskussionen am Rande waren jedoch nicht philosophischer Art. Hier ging es um handfeste Alltagsprobleme. Mit denen konnte er umgehen.
Kurz nach Argets Eintreffen in der Waldsiedlung verschwand Wolf. Es fiel ihm am Morgen, nach der ersten Vereinigung mit Byrda auf. Zunächst machte er sich keine Sorgen. Dann jedoch streifte er, auf der Suche nach dem Tier, durch den Wald. Es war nichts zu machen. Der Wolf blieb verschwunden. Er konnte kaum atmen, wenn er daran dachte, das Tier könne nicht mehr zurückkehren.
Dazu kamen all die neuen Erfahrungen, die er machte. Einige wollte er mit in seine Welt nehmen. Das tägliche Bad mit dem angenehmen Gefühl der Sauberkeit. Den Genuss seine Gedanken und Gefühle mit Worten auszudrücken. Die Stunden, mit Byrda in verliebter Ekstase, mit dem Erforschen der Körper und Gefühle.
*
Arget bemerkte früh morgens rege Betriebsamkeit in der Waldsiedlung. Die Waldmenschen bereiteten geschäftig ein Fest vor. Seine Fragen wurden ausweichend beantwortet und er fühlte sich noch fremder, als sowieso schon. Viele der Sitten und Gebräuche des Stammes waren ihm unbekannt. Sie ähnelten einigen, die sie zu Hause auch hatten – unterschieden sich jedoch häufiger.
Aus Behältern über den Feuern wehten appetitliche Düfte durch die Luft. Auf seine Frage, woher die Gefäße, die die Nahrung garten, kamen, wurde ihm ein komplizierter Vorgang beschrieben, den er nicht verstand, jedoch in seinen Gedanken speicherte. Irgendetwas mit einer bestimmten Erde, die mit Wasser vermischt geformt werden konnte und im Feuer die Zusammensetzung bekam, um ihm zu widerstehen. Auf jeden Fall roch es gut und das Wasser lief in seinem Mund zusammen. Über dem großen Herdfeuer garte ein Rentier, das von den Kindern, immer wieder heftig, mit dem Spieß gedreht wurde. Erstaunlich war, dass nur wenige Frauen mit der Zubereitung der Mahlzeit beschäftigt waren. Auch Byrda vermisste er. Ihm fiel auf, dass er sie schon seit dem gestrigen Abend nicht mehr gesehen hatte.
Da sich niemand um ihn kümmerte oder Zeit zu haben schien, machte er sich auf den Weg zu den heißen Wassern, um ein Bad zu nehmen. Diese neue Erfahrung gefiel ihm. Aber, er kam nicht an die Wasser heran.
„Jetzt nicht. Arget“, wurde er von einem Mann aufgehalten, der, wie er sich erinnerte, Bono genannt wurde.
Überrascht blieb Arget stehen. In seinem Stamm und auch bisher, hier an diesem Ort, wurde ihm nie etwas verwehrt. Schon wollte er aufbrausen, zog aber schnell die Reißleine. Er war ein Fremder und konnte keine Ansprüche stellen.
Sein Gegenüber hatte das kurze Aufblitzen des Widerstandes in seinen Augen bemerkt und machte sich bereit, ihn, wenn notwendig, mit körperlicher Kraft, zurückzuhalten.
„Was ist los bei euch, Bono? Heute scheint niemand Zeit zu haben. Kein Mensch will mir zu sagen, was hier geschieht?“ fast flehentlich sah Arget ihn an.
„Eine Überraschung Arget. Die Sitten unserer beiden Stämme scheinen doch sehr unterschiedlich. In unserer Gemeinschaft weiß jeder, dass, wenn ein Mann und eine Frau sich lieben und zusammenbleiben wollen, eine große Zeremonie abgehalten und gefeiert wird.“ Bono lief ab und wunderte sich über die Unkenntnis des Fremden.
„Wer liebt sich denn bei euch so, dass eine große Feier abgehalten wird? Sind mir die beiden bekannt?“ Arget bekam eine Ahnung, als er das Gesicht seines gegenüber betrachtete. Sein Magen zog sich zusammen. Ein Gefühl, das er in den letzten Tagen häufiger hatte.
„Ja. So begriffsstutzig kann doch niemand sein. Du, Arget. Und das Kindeskind unseres Häuptlings, Byrda.“ Kopfschüttelnd über so viel Unverständnis stand Bono vor ihm. „Deine Byrda wird von den Frauen unseres Dorfes geschmückt.“
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