„Harald hat sich gestern Gedanken über den Maueranker gemacht. Er will gleich damit anfangen“, erklärte Hans.
„Ja, ich habe gerade Zeit“, schmatze der Schmied. Seine Augen folgten jeder Bewegung von Peter. „Allerdings sind die Gesellen unterwegs. Ich brauche Peters Hilfe am Blasebalg.“
„Das ist eine tolle Idee“, sagte Kurt. „das wird dir Spaß machen.“
Kurt zerstocherte die Haut vom Eigelb. Zäh wie Blut zerlief es auf dem Weiß. Hans unterhielt sich mit dem Schmied. Peter setzte sich. Immer wieder spürte er Haralds Blicke.
„Iss was“, forderte Kurt seinen Sohn auf. „Die Arbeit in der Schmiede wird schwer.“
An Haralds Schläfe klebte ein frischer Verband. Der Schmied bemerkte Peters Blick darauf.
„Ich bin gestern Nacht aufgewacht“, sagte der Schmied. „habe was in der Schmiede gehört, bin im Dunkeln runtergelaufen und habe ich mir den Kopf gestoßen.“
Peter blickte stumm auf seinen Teller. Dabei nippte er an seiner Milch.
„Die Milch hat Harald vom Flisch mitgebracht.“
„Hmhm“, machte Peter.
„Das ist nett. Bedank dich!“
„Danke“, murmelte Peter.
„Ist gut!“ Harald Hille stand auf. „Ich muss in die Schmiede den Ofen anheizen. Kommst du mit, Peter?“ Seine Stimme klang wie ein verrosteter Amboss.
„Zieh dich an!“ Kurt nahm das Brötchen von Peters Teller. „Ich schmier es dir zum Mitnehmen.“ Peter schaute zwischen seinem Vater und Harald hin und her. Ungläubig. Unsicher. Einsam.
„Papa?“
Kurt stockte.
Der Schmied blieb in der Tür stehen. Seine Augen verengten sich. „Kommst du, Peter? Sonst werden wir nie fertig und deine Familie wird darunter leiden müssen.“
Pause.
„Sie können doch nichts dafür ...“
Peter schaute auf, konnte aber dem Blick vom Schmied nicht standhalten.
„Was ist los Peter?“ fragte Kurt. Papa nannte Peter ihn nur, wenn er etwas angestellt hatte. Der Schmied schien in der Tür zu wachsen. Sein Gesicht wurde rot. An seiner Stirn zeigte sich eine Ader. Harald Hille kniff die Augen zusammen. Seine Hand glitt in die lederne Aktentasche. Kurt stand mit dem Rücken zum Schmied und Hans konnte seinen Kopf kaum drehen. Peter sah als Einziger den Pistolenknauf.
„Es ist mir peinlich, Papa!“
„Na, erzähl schon. Lass Harald nicht warten. Das ist unhöflich.“
„Ja, Papa!“
„Also, was ist?“
„Ich, ich ...“
„Na los!“ Kurt wickelte das Brötchen mit Thüringer Mett in ein Papier ein.
„Ich habe gestern ein Mädchen getroffen“, log Peter, „und ...“
Hans lachte. Der Schmied ließ den Pistolenknauf los.
„Und?“
„Und.“
„Nun sprich schon!“
„Papa, wir haben ...“
„Warte mal Peter!“ Kurt drehte sich um. „Harald, gehst du schon mal vor? Ich bring dir Peter gleich vorbei.“
Der Schmied lachte. „Na Peter, du bist mir ja ein Früchtchen. Wenn du nicht zügig kommst, hole ich dich mit meinen Gesellen!“ Der Schmied lachte weiter. „Und dann muss mir deine Familie helfen.“ Diesen Satz flüsterte Harald nur noch. Dabei drehte er sich um und stapfte zur Schmiede.
„Was ist wirklich los?“
Peter ging zur Klöntür und schaute nach draußen. Dann kam er zurück und wagte kaum aufzusehen.
„Ich habe gar kein Mädchen getroffen.“
„Nein?“
„Ich wollte gestern rübermachen.“
„Was erzählst du da? Bist du verrückt geworden?“
Hans legte sein Besteck zur Seite: „Los, erzähl!“
„Der Schmied ...“
„Was ist mit Harald?“ unterbrach ihn Kurt.
„Er war auch da. Er gehört zur Stasi. Und ...“ Es tropfte aus Peter heraus. Immer wieder schüttelten ihn Weinkrämpfe. Er stammelte Erlebtes, und als er fertig war, saß er erschöpft und zusammengesunken auf seinem Stuhl. Rotz und Tränen tropften auf sein Spiegelei. Es war still. Kurt und Hans schauten sich an. Keiner sprach ein Wort. Hans drückte sich schwerfällig aus seinem Stuhl, stütze sich an der Fensterbank ab und hangelte sich sein Holzbein.
„Du gehst in dein Zimmer“, befahl er Peter, „und da bleibst du. Du wirst mit niemandem reden! Hast du verstanden?“
Peter nickte stumm. Hans und Kurt zogen die Tür hinter sich ins Schloss.
Und ich, ich seufzte.
Erinnerungen sind wie Schmutzflecken. Sie verschwinden nie ganz, schimmern immer etwas durch. Es reichen Gerüche, ein Bild, ein Geräusch oder eine Farbe, und der Fleck ist wieder da. Je schmutziger er war, desto tiefer sitzt der Schmerz. Wir bewahren alle Schmutzflecken. Wir sagen die Wahrheit, auch noch nach Jahrhunderten. Die Deutung liegt allein bei dem, der sie hört.
Stefan drehte die Heizung im Minibagger höher. Er schüttelte sich. Die Scheiben waren innen und außen beschlagen. Mit einer Hand wischte er sich ein kleines Sichtfeld frei und stellte den Scheibenwischer an. Er stellte den Lüfter auf die höchste Stufe und die Düse drehte er direkt auf die Frontscheibe. Kalte Luft aus dem Gebläse wirbelte die Gedanken in der kleinen Kabine durcheinander. Der Motor versuchte die Fahrerkabine zu erwärmen. Kondenswasser lief an der Innenseite der Scheibe hinunter. Stefan zog sich weiter vor und lugte durch die Scheibe, dann ließ er sich zurückfallen. Es war klamm in der Kabine. Stefan zitterte.
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