„Na, viel ist das ja nun nicht gerade.“
„Das weiß ich auch, aber ich kann mir ja nun auch nichts aus den Rippen schwitzen.“
Jessy sah trotz der etwas patzig geäußerten Antwort die Hilflosigkeit in seinem Blick und wusste, dass diese dünne Informationsdecke ihn noch wütender machte als er zugab. Sie wechselte rasch das Thema, ohne seine Geschichte zu kommentieren.
„Naja vielleicht gibt das Gespräch mit der Frau etwas her.“
Denn, soweit kannte sie ihn, das Ganze irritierte ihn schon beträchtlich.
„Ich hoffe sie weint nicht nur. Immerhin ist heute Morgen ihr Mann aus dem Haus gegangen und ist nun tot.“
Gab Fuhr zu bedenken.
Die restliche Fahrt verlief schweigend. Jeder konzentrierte sich nun auf den Teil den er sogleich übernehmen würde und so hatten die beiden auch keinen Blick für die schöne Aussicht wenn man aus Ettlingen in Richtung der Höhenstadtteile Spessart und Schöllbronn herauskam. Fuhr, der in Ettlingen wohnte, wusste genau wohin er musste, lediglich die Hausnummer zu finden war noch etwas schwieriger, da oftmals diese schwer zu erkennen waren, oder gar keine montiert waren. Als er jedoch in den Linienring einfuhr, sah er dass die schönen Einfamilienhäuser einwandfrei nummeriert waren. So steuerte er zielsicher das Haus der Vogtländers an und hielt davor an.
„Mal sehen ob überhaupt jemand zu Hause ist.“
Meinte Jessy, der die vollkommene Ruhe im Haus merkwürdig vorkam. Als sie an der Tür standen und das erste Mal geklingelt hatten hörten Sie vom Haus gegenüber eine Stimme:
„Was wollen Sie denn, die Frau Vogtländer ist nicht zu Hause!“
Fuhr und Jessy drehten sich um und sahen eine ältere Frau mit weißen Haaren und in eine akkurat gespannte Kittelschürze gekleidet aus dem Parterrefenster lehnen, während die Bluse unter dieser Kittelschürze in sauberem Hellblau glänzte. Als Jessy, geblendet von der reflektierten Sonne, die Augen schürzte, fragte Fuhr „Und wo ist denn die Frau Vogtländer, wenn ich fragen darf?“
„Das geht Sie doch nichts an“ Antwortete die Frau pampig.
„Ich denke schon, dass es mich was angeht!“
Gab Fuhr mit wenig verhohlener Aggression in der Stimme zurück und er zückte seinen Dienstausweis. Die Frau konnte aus der Entfernung nicht sehen was Fuhr da hochhielt und meinte abschätzig
„Und was soll das sein? Machen sie da so ´ne Meinungsumfrage?“
Fuhr ging, begleitet von Jessy über die Straße, um etwas diskreter mit der Frau sprechen zu können, schließlich musste nicht die ganze Straße hören was gesagt wurde. Nachdem sie also die Straße gequert hatten hielten sie der Frau den Ausweis direkt unter die Nase. Voller Entsetzen starrte die Frau sie an. Mit betont zuckersüßer Stimme, aber in etwas reduzierter Lautstärke sprach Fuhr die Frau an
„Mein Name ist Oliver Fuhr und das ist meine Kollegin Jessica Baumann, könnten sie mir jetzt sagen wo sich Frau Vogtländer aufhält?“
Die Frau sah noch immer völlig erstaunt aus „Kriminalpolizei, ja was ist denn passiert?“
„Das können wir ihnen nicht sagen, aber jetzt bitte ich sie nochmals mir mitzuteilen, wo Frau Vogtländer sich aufhält und wie sie heißen?“
Kurz verfinsterte sich der Blick der Frau, dann aber schien ihr etwas einzufallen
„Ach so, geht’s um die Einbruchserie hier im Viertel?“ „Nein, das ist nicht der Grund unseres Hierseins, aber ich bitte sie nun letztmalig mir meine Frage zu beantworten!“ Sprach Fuhr die Frau in scharfem Ton an und ließ das Ende seiner Geduld sich deutlich anmerken. Mit nun doch etwas eingeschüchterter Stimme begann die Frau: „Ich bin Gertrud Krause, aber wenn Sie deswegen nicht gekommen sind …ah! Dort vorn kommt Frau Vogtländer!“ Unterbrach sie sich selbst.
Die beiden Polizisten drehten sich in die Richtung, wohin Frau Krause zeigte. Sie sahen eine Mittvierzigerin mit Jeans und rot- weiß geblümter Bluse ca. 1,70m groß, schlank mit kurzem blonden Haar. Wäre der Anlass nicht unpassend gewesen hätte Fuhr durch die Zähne gepfiffen, da Frau Vogtländer nach seinem Verständnis recht gut und mindestens zehn Jahre jünger aussah, als sie wussten dass sie war. Sie fuhr noch die letzten Meter in Absteigehaltung per Fahrrad auf ihr Haus zu. Noch bevor sie auf Höhe der Kripo Beamten war rief ihr schon Frau Krause, für die Straße gut hörbar zu:
„Du, Christine da ist Kriminalpolizei für Dich!“
Etwas irritiert musterte sie Fuhr und Jessy und wollte schon auf diese zurollen, als Fuhr rief:
„Lassen Sie uns ins Haus gehen, was wir zu besprechen haben geht sonst niemanden was an.“
Während Frau Krause sich etwas beleidigt von ihrer Fensterbrüstung zurückzog, drehte Frau Vogtländer wieder aufs Haus zu und die beiden Beamten folgten. Das Unbehagen das Frau Vogtländer ausstrahlte war für die beiden fast mit Händen zu greifen. War es nur die Ungewissheit, was wohl die Kripo bei ihr wollte, oder steckte da mehr dahinter? Nachdem sie das Fahrrad nur nachlässig an die Hauswand gelehnt hatte, was sonst nicht ihre Art war, schloss sie sich und den beiden Beamten das Haus auf. Dabei wiesen sich diese aus und stellten sich vor. Sie durchquerten den breiten Flur wo es wohl zur Rechten ins WC ging vermutete Fuhr, wohl der Standardgrundriss für diese Art von Fertighäuschen. Auf der gegenüberliegenden Seite die Küche, dann das Esszimmer, daran angeschlossen und auf der WC- Seite mit einer Tür abgetrennt die Treppe in Keller und Obergeschoß. Anschließend an das Esszimmer im anderen Winkel des Winkelbungalows das Wohnzimmer. Die Schlaf- und Kinderzimmer mochten im ausgebauten Dachgeschoß liegen. Fuhr überlegte wie viele gleich geschnittene Fertighäuschen dieser Art es wohl in Deutschland gab 10.000, oder gar 100.000 die Fantasie der zuständigen Architekten für diese Art von Immobilien schien jedenfalls eingeschränkt. Dennoch, so fand er, waren es die Details die es in diesem Fall zu etwas Besonderem machten. Die Bilder an den Wänden, ausnahmslos Fotografien. Aber eben nicht einfach nur Familienfotos, sondern auch sehr schöne Landschaften und Stimmungen. Zum Teil in Postergröße und elegant gerahmt, oder die zart orange getönte Wandfarbe, welche die Bilder hervorhob als sei jedes von ihnen ein kleines Meisterwerk. Die Übergardienen, welche diese Farbe aufnahmen und dem einfallenden Licht eine Färbung dieser Art gab, alles wirkte sehr stilsicher und geschmackvoll. Fuhr fühlte sich sofort behaglich und wohl. Es tat ihm fast physisch weh wenn er daran dachte, welchen Kummer die nächsten Worte von Jessy dieser Frau bereiten sollten, die fraglos für den schönen Stil in diesem Haus verantwortlich war.
„Also worum geht´s denn?“ Fragte nun Vogtländer mit einer, wie ihm schien, leicht zittrigen Stimme.
„Ja, also Frau Vogtländer wir haben leider eine schlechte Nachricht für Sie...“ begann Jessy „...Heute morgen zwischen 8.30 und 9.00 Uhr ist Ihr Mann erschossen aufgefunden worden.“
Vogtländers Reaktion schien sich nicht sehr von der anderer Opfer denen eine solch schreckliche Nachricht überbracht wurde zu unterscheiden. Der Schock, ein Schrei, oft unartikuliert, dieses nicht begreifen können was ihr soeben gesagt wurde. Dieses Zusammensinken auf dem Sofa, dieses Vornüberbeugen und ein unhörbares Schluchzen, dann in Weinen übergehen, doch dann straffte sich ihr Körper, sie kam mit dem Oberkörper in die Senkrechte, wischte sich die Tränen aus den Augen und sah Jessy ins Gesicht
„Wie konnte das passieren- ich meine erschossen, sagen sie , ...ich meine wer soll denn so was meinem Mann antun?.... ich verstehe das nicht!“
Fragte sie mit zittriger, aber gefasster Stimme. Fuhr, wie auch Jessy ließen sie nicht aus den Augen und Jessy begann langsam zu reden:
„Wir wissen noch nicht exakt was passiert ist, aber Ihr Mann ist am Autobahnrastplatz nördlich von Karlsruhe, aus nördlicher Richtung kommend erschossen worden.“ „Erschossen“ widerholte Vogtländer und ließ das Wort noch etwas nachklingen, als ob es dadurch seinen Schrecken verlieren würde.
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