Er gab meine Antwort ins Tablet ein und plötzlich erschienen über dem dunklen Abgrund fünf blau leuchtende Felder. Ich setzte vorsichtig einen Fuß auf das erste Feld und stellte fest, dass es tatsächlich stabil war. Nach und nach folgte ich den fünf Feldern und als ich am letzten angekommen war rief ich Marek zu: „Bin soweit, nächste Frage!“ Augenblicklich verschwanden die blauen Felder wieder und ich stand nun absolut im Dunkel, mitten über dem schwarzen Abgrund. „Was zum…?“ „Die Nachricht hat doch gesagt, die Felder verschwinden wieder.“, meinte Marek.
„Ja schon, aber das heißt ja scheinbar, wenn wir nicht alle Fragen richtig beantworten, sitz ich hier fest – ohne die beleuchteten Felder find ich hier nie wieder zurück!“ „Ja, das heißt es scheinbar… Keine Angst, wir schaffen das schon, bleib einfach ruhig.“ „Ruhig bleiben? Du sagst das so leicht, du stehst ja auch nicht da!“ „Ich hab dich ja gefragt, du wolltest doch unbedingt gehen!“ „Ja ist ja schon gut, jetzt mach schon weiter!“ „Also gut: 2. Zwei Väter und zwei Söhne gehen über eine Wiese. Plötzlich finden sie drei Äpfel. Wie können sie diese aufteilen, damit jeder gleich viel bekommt? Naja… warte… drei durch vier… drei Viertel…“ „Wieder falsch!“, unterbrach ich ihn. „Diese Fragen haben nichts mit Wissen zu tun – das sind alles Rätsel! Jeder bekommt genau einen Apfel – es sind nur drei Männer!“
„Aber hier steht zwei Väter und zwei Söhne.“ „Ja… wenn ein Junge mit seinem Vater und seinem Opa spazieren geht ist sein Vater natürlich ein Vater und der Opa der Vater von seinem Vater. Andersrum ist der Vater vom Kleinen der Sohn vom Opa und der Kleine der Sohn seines Vaters.“ Marek ließ sich meine Worte kurz durch den Kopf gehen. „Bist du hochbegabt, oder was?“ „Schwachsinn. Ich mag nur Rätsel recht gerne, und die meisten davon kenne ich eben schon… Ich bin doch beim ersten Mal genauso drauf reingefallen.“ „Also gut, wieder ein Stein, den du uns holst…“
Er gab die Antwort ein und wieder erschienen fünf blaue Felder, denen ich folgte. Auf mein Zeichen ließ er die nächste Frage stellen. „3. Wie viele Tiere nahm Moses mit auf die Arche? Verdammt, Religion, ich bin so gar nicht gläubig…“ „Ich auch nicht, aber ich hab’s dir schon mal erklärt: Das sind keine Wissensfragen, sondern Rätsel. Auf der Arche waren zwei Tiere von jeder Gattung, aber die Arche erbaute Noah und nicht Moses, also ist die Antwort ‚Null‘.“ Marek schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. „Da hätt ich auch drauf kommen können…“ Ich folgte den blauen Feldern, ehe sie wieder verschwanden und Marek die nächste Frage stellte: „4. Wie viele Steine passen in ein leeres Glas, wenn das Glas drei Liter fasst und ein Stein ein Volumen von 0,4m 3hat? Auch ein Rätsel nehm ich an und keine Mathe-Aufgabe?“
„Richtig… Logischerweise ein Stein, danach ist das Glas nämlich nicht mehr leer und somit passt danach kein einziger Stein mehr in das leere Glas.“ Marek schüttelte den Kopf und flüsterte: „Genial…“, während er die Lösung eintippte und mich meine fünf Schritte gehen ließ. „Das sind alles klassische Rätsel…“, meinte ich. „Würd mich nicht wundern, wenn das letzte das Bauern-Rätsel ist…“
„Kannst du hellsehen?“, meinte Marek verwirrt. „Wieso? Hab ich Recht?“ „5. Ein Bauer steht vor folgendem Problem: Er muss mit seinem Boot eine Ziege, einen Wolf und einen Kohlkopf ans andere Ufer eines Flusses transportieren. Dummerweise passt immer nur eines dieser Dinge mit ihm in das Boot. Wenn er Ziege und Kohlkopf allein lässt, frisst die Ziege den Kohlkopf. Lässt er Ziege und Wolf alleine, frisst der Wolf die Ziege.“
Ich lachte. „Das war so klar.“ „Ist die Lösung, dass er den Kohlkopf auf den Schoß nimmt?“, riet Marek. „Nein, das wäre schummeln… Es ist eigentlich ganz simpel: Er nimmt zuerst die Ziege ans andere Ufer – Wolf und Kohlkopf tun sich ja nichts. Dann fährt er zurück und holt den Kohlkopf, bringt ihn zur Ziege, nimmt die Ziege wieder mit zurück zum Wolf, schnappt sich den Wolf, lässt die Ziege allein und bringt den Wolf zum Kohlkopf. Dann muss er nur noch einmal zurückfahren um die Ziege abzuholen und fertig.“
„So simpel und doch kommt man nicht drauf… Kein Wunder, dass Marco an solchen Dingen kläglich scheitert…“ „Du wärst auch an der ersten Frage gescheitert.“, gab ich zurück. „Ja, ist schon gut… Jetzt mach endlich die letzten Schritte und hol den blöden Stein, damit wir weitergehen können.“
Ich folgte den soeben erschienenen blauen Feldern und betrat wieder festen Boden. Erleichtert knipste ich die Taschenlampe an und fand eine Kiste auf dem Boden vor, neben der sich ein Schalter im Boden befand. Ich öffnete die Kiste und fand neun tiefblaue Steine darin. Scheinbar waren wir auch hier die ersten, die das Rätsel gelöst hatten. Nachdem ich mir einen der Steine geschnappt hatte, betätigte ich den Schalter und alle blauen Felder leuchteten wieder wegweisend auf, sodass ich den Weg zurück ganz leicht fand.
Ich gab Marek den Stein, der ihn sicher verwahrte und ehe wir uns erneut in die Dunkelheit des Waldes aufmachten, deaktivierte Marek die Felder mithilfe des Tablets wieder.
„Perfekt!“, meinte ich glücklich. „Jetzt fehlt nur noch ein Stein und dann können wir endlich raus aus diesem Wald. Allerdings müssen wir aufpassen, dass wir Marco nicht in die Arme laufen…“ Marek schwieg und nickte.
Wir irrten wieder eine Weile planlos durch den Wald und irgendetwas kam mir werkwürdig vor. Es war komplett still. Keine Stimmen von anderen Gruppen, keine Lichter, keine Schritte. Scheinbar waren wirklich nur noch wir drei Teams im Spiel. „Vorsicht!“, rief Marek urplötzlich und packte mich hart am Arm. „Was soll das?“, meinte ich verärgert und als ich seinem Blick folgte, entdeckte ich eine gespannte Schnur zwischen zwei Bäumen. „Eine Stolperfalle…“ „Ja, vermutlich führt die Schnur irgendwo hin, wo einer von diesen Feiglingen lauert und auf das Ziehen an der Schnur reagieren würde.“
„Gar nicht so blöd, wie sie aussehen…“ „Komm, weiter! Und schau auf den Boden!“ Nun noch vorsichtiger als bisher setzten wir unsere Schritte und endlich konnten wir zwischen den Bäumen den altbekannten Schein einer Fackel erkennen. Vorsichtig näherten wir uns und als wir die Lichtung betraten, fanden wir außer der Fackel nur eine ungeschützte Box offen auf dem Boden stehen – in ihr lagen sieben violette Glassteine. Marek und ich sahen uns an.
„Das ist zu einfach…“, meinte er. „Das ist eine Falle…“ Gerade als wir herumwirbelten und uns Rücken an Rücken gestellt hatten, kamen vier Schatten aus der Dunkelheit um uns und nahmen Gestalt an: Marco, Flo, Luca und Stefan. Sie lachten. „Das letzte Team, das außer uns noch im Rennen ist. Was für ein außerordentliches Vergnügen.“, lachte Marco. „Diese Stationen sind ein Witz! Wir haben sechs Teams ausgeschaltet und keines von ihnen hatte mehr als einen Stein bei sich! Wie viele habt ihr?“ „Noch gar keinen.“, log ich. „Also könnt ihr uns einfach einen von denen hier geben und wir sind auch schon wieder weg.“
„Wir haben vier.“, meinte Marek. Ich sah ihn wütend an. Marcos Mine erstarrte. „Du lügst doch!“ „Wenn du das sagst… Aber sag mal… Was war an dieser Station geplant? Was war die Aufgabe? Diese Kiste wird hier wohl kaum ungeschützt offen herumgestanden sein.“ Marco lachte. „Es galt, einen Wächter zu besiegen – das war einfach. Als wir mit ihm fertig waren, ist der Feigling abgehauen und wir haben unseren Köder ausgelegt. Wenn ihr wirklich vier Steine habt, ist hier Endstation.“ Die vier lachten.
„Her mit den Steinen und wir lassen euch ausnahmsweise laufen.“ Marek lachte. „Du glaubst doch wohl selbst nicht, dass wir euch die Steine geben, für die wir so hart gearbeitet haben?“ Die vier zogen den Kreis um uns enger.
Читать дальше