1 ...7 8 9 11 12 13 ...23 Es dauerte lange, unendlich lange, ohne dass etwas geschah.
„Was soll das werden?“, raunte Stefan Zogg.
„Vielleicht checken sie erst noch die Umgebung“, sprach Philipp aus, was alle im Auto dachten. „Wir hätten einen IMSI-Catcher mitnehmen sollen.“
„Bringt doch nichts in diesem Gewusel. Hier sind ein paar Dutzend Handys online, keine Chance, ihn rauszufiltern.“ Peschel schüttelte den Kopf.
Unvermittelt flog die Fahrertür auf, eine blonde Frau kletterte aus dem Geländewagen, ein Handy am Ohr. Sie warf die Tür zu und verschwand auf der anderen Seite. Fadel blieb ungerührt sitzen. Augenblicke später tauchte die Frau wieder auf, diesmal hielt sie ein kleines Kind an der Hand, Fehlalarm.
Die Männer entspannten sich wieder.
„Ich verstehe nicht, warum er sich nicht ganz normal mit seinem Kontakt trifft. Er wohnt nicht dort, wo er sich angemeldet hat, sondern bei irgendeinem Kumpel. Er lässt sich mit einem Kleinbus durch die Stadt fahren, der eine Dublette ist, tut so, als wenn es ihn überhaupt nicht geben würde. Wenn ihn nicht der Nachsendeauftrag der Post verraten hätte, wir würden immer noch nach ihm suchen. Der hat doch irgendein ganz dickes Ding am Start.“
Philipp hatte sich weit nach vorn gebeugt, sein Kopf war beinahe auf gleicher Höhe wie die der Kollegen.
„Er versteckt sich vor dem Clan aus München, ist doch klar. Die hätten ihn beinahe kalt gemacht. Und natürlich dreht er hier krumme Geschichten, aber nach dem das Video mit dem kleinen Mädchen aufgetaucht ist, kommt ja endlich Bewegung rein, und hier auch. Seht mal.“
Peschel zeigte mit der Hand nach draußen.
Ein paar Meter links von Fadels Auto, an der Seitenwand des Gebäudes, hielt ein schwarzer Geländewagen. Für die Ermittler war nur das Heck zu sehen. Durch die coupeartige Form des großen Fahrzeugs spiegelten die Scheiben extrem.
„Auch wieder nur 'ne Mama mit Kind“, brummte Zogg.
Aber da war Akram Fadel bereits ausgestiegen und blieb am Heck stehen. Aus dem neu angekommenen Wagen sprang ein Mann heraus, flink und beweglich für seine untersetzte Figur. Für einen winzigen Moment schaute er genau in die Richtung des Zivilwagens. Er trug einen schwarzen Anzug mit einem schwarzen T-Shirt. Trainierte Oberarme ließen den Stoff spannen, die fleischigen Hände waren tätowiert und wirkten von Weitem, als trüge er Handschuhe. Der Kopf war geschoren, ein pechschwarzer Vollbart mehrere Zentimeter lang. Der Mann ging auf Fadel zu, beide umarmten sich.
Philipp Wuttke im Fond war ganz nach hinten gerutscht und verbarg sich hinter Zoggs Nackenstütze, während er die Kamera so verdeckt wie möglich auf das Geschehen hielt und den Auslöser drückte. Michael Peschel telefonierte bereits mit der Dienststelle, um den Fahrzeughalter festzustellen.
Die Männer setzten sich in Bewegung und gingen langsam auf den Eingang des Restaurants zu. Peschel wartete angespannt auf die Antwort des Kollegen, während er beobachtete, wie die Zielpersonen den Eingang erreichten und im Gebäude verschwanden. Endlich kam die Antwort, die er in sein Notizheft schrieb.
„Hier“, warf er es dem Fahrer auf den Schoß und verließ den Wagen.
Die beiden Kollegen verfolgten, wie er zügig den Parkplatz überquerte und gleich darauf ebenfalls das Schnellrestaurant betrat. Stefan Zogg starrte auf die Notiz.
„B.A.M. Fleischhandel Ltd., eine Anschrift in Berlin-Neukölln, bestimmt nur eine Scheinadresse, dort kann er doch seine Luxuskarre nicht unbewacht stehen lassen“, und an Philipp Wuttke gewandt, der hinten einen alten Pilotenkoffer geöffnet hatte und hektisch darin herum kramte, „was hast du denn plötzlich vor?“
„Dem verpassen wir auch schnell einen Peilsender. Dem Auto nach ist er der Boss, die Gelegenheit kommt so schnell nie wieder.“
„Nein, lass sein, ist viel zu riskant hier draußen.“
„Sollen wir tagelang in Neukölln observieren in der Hoffnung, der taucht irgendwann auf, wie bei dem anderen Vogel.“
„Trotzdem. Wer weiß, wie schnell die wieder da sind.“
„Sind doch gerade erst reingegangen.“
Wuttke suchte ungerührt weiter in dem Koffer, bis er einen kleinen schwarzen Kasten, halb so groß wie eine Zigarettenschachtel, einen Seitenschneider und zwei schwarze Kabelbinder in den Händen hielt.
„Was willst du denn mit den Kabelbindern? Das Teil haftet magnetisch.“
„Und wenn ich nichts Magnetisches finde?“
„Quatsch. Knall das Teil an den Tank oder einen der Querlenker, fertig.“
Achselzuckend klappte Wuttke den Koffer, klopfte Stefan Zogg beruhigend auf die Schulter und kletterte aus dem engen Fond. Betont langsam schlenderte er über den Platz, ging zunächst an der rechten Seite des Geländewagens vorbei und verschwand hinter der Gebäudeecke auf der Rückseite.
Zogg stöhnte genervt auf.
Zeitgleich mit dem jungen Kollegen, der wieder ins Blickfeld kam, fuhr ein Kombi auf den Parkplatz und belegte den freien Parkplatz links von dem Zielobjekt.
Zogg schlug sich an die Stirn, Wuttke verschwand wieder um die Ecke.
Eine Familie mit mehreren Kindern flutete aus dem Auto und setzte sich gut gelaunt in Richtung Eingang in Bewegung.
„Jetzt mach endlich“, knurrte Stefan Zogg in seine Freisprecheinrichtung.
„Ja, ja. Bleib locker, Mann.“
„Was treibt ihr da draußen?“, wollte Michael Peschel wissen, der den Funkverkehr natürlich mitbekam.
„Peilsender für den Geländebrummi.“
„Dann beeilt euch. Sie kommen gleich raus. Der dicke Typ ist schon aufgestanden.“
Der Fahrer des Zivilwagens konnte beobachten, wie sein schlanker Kollege neben der Fahrerseite des fremden Autos in die Hocke ging und gleich darauf darunter verschwunden war.
„Sie kommen jetzt raus, seht zu, dass ihr fertig werdet.“
„Hast du gehört?“
Ein unverständlicher Laut war die Antwort.
„Hast du gehört, Philipp? Ich kann sie schon sehen. Was ist los?“
„Das Teil hat nicht gehalten. Muss eine andere Stelle suchen.“
„Sie sind schon drei Wagen neben dir. Du kannst nicht mehr nach links raus, hau nach rechts ab.“
„Hab's gleich.“
Fassungslos musste Stefan Zogg zuschauen, wie der Mann im schwarzen Anzug an seine Fahrertür trat und Akram Fadel rechts vom Wagen stehen blieb. Die beiden Männer sprachen miteinander. Unter dem Wagen war nur ein dunkler Schatten zu sehen. Aufgeregt trommelte Zogg mit den Fingerspitzen auf die Mittelkonsole. Wenn der Wagen zurückgesetzt wurde, wäre Wuttke ohne Deckung und der gesamte Einsatz im sprichwörtlichen Arsch.
„Warte. Ich lenke ihn ab. Bevor er losfährt, mache ich was, das ihn aus dem Auto nach rechts lockt und du haust nach links ab.“
Keine Antwort, der Kollege getraute sich nicht zu sprechen.
Jetzt kam es auf das richtige Timing an.
Der Kahlköpfige im Anzug betätigte die Fernbedienung, die Blinker leuchteten auf. Fadel drehte sich ab und trat an sein eigenes Auto. Bevor der Mann im SUV seine Tür geschlossen hatte, war Zogg schon einige Schritte über den Parkplatz unterwegs. Beim Erreichen des Fahrzeughecks wurde der Motor gestartet. Der Sportwagenmotor rechts von ihm bollerte bereits. Der Wagen ruckte, vom Einlegen des Rückwärtsgangs. Zogg kam endlich auf die Höhe des rechten Außenspiegels, er täuschte einen Stolperer vor und drückte sich gegen das Spiegelgehäuse, das nach vorn umgeknickt wurde. Schwerfällig stützte er sich auf der Motorhaube ab. Der Mann am Steuer gestikulierte wild mit den Händen. Zogg versuchte, einen direkten Blickkontakt zu vermeiden und zuckte entschuldigend mit den Schultern. Das Fenster der Beifahrertür lief nach unten.
„Was machst du Idiot?“, herrschte ihn der Fahrer an.
„Ist nix kaputt, Chef“, versuchte Zogg einen osteuropäischen Dialekt vorzutäuschen.
Читать дальше