„Also ein Mann mit bescheidenem Einkommen, vorbestraft. Und eine Freundin mit teurem Geschmack, die es auch schafft, sich entsprechend beschenken zu lassen.“
„Oder die Zugang zu seinem Konto hat“, wandte Liz ein.
Ben schnaubte. „Also, wenn eine das mit mir machen würde, wäre sie tot, nicht ich. Kannst du drauf wetten!“
Liz lachte. „Glaub ich dir. Wahrscheinlich war er wirklich ein gutmütiger Trottel… aber in der Wohnung haben wir doch nichts gefunden, was auf diese Frau hindeutet, oder?“
„Nichts. Es sei denn, es handelt sich um einen zierlicheren Freund mit kleinen Füßen, der auf Frauenkleider steht und die bei sich zu Hause hortet?“
„Hui – viele Zufälle, aber nicht auszuschließen.“
Sie fuhren ins Büro zurück und lieferten alles brav bei der KTU ab, bevor sie ihre vorläufig noch eher vagen Erkenntnisse an der Tafel festhielten.
„Ob das teure Wesen seine Frau ist? Aber warum ist die unauffindbar? Unter Claudia Perfler gibt es doch überhaupt niemanden! Und an Claudias allgemein mit Skorpion haben wir gleich fünfundzwanzig Stück. Eine Scheiße ist das…!“
Andi kam in den Teamraum. „Wem sagst du das! Habt ihr überhaupt was gefunden?“
Liz erklärte ihm kurz, welche Schlüsse sie gezogen hatten, und Andi nickte. „Naja, immerhin. In das Adressbuch reingeschaut habt ihr noch nicht?“
„Ist noch in der KTU. Wir dachten, Fingerabdrücke… DNA…“
„Hast du nicht eben gesagt, es ist ganz klein und klemmte unter einem Tischbein? Da werden es natürlich ganze Massen befingert haben!“
„Männo… ja,. Gut, ich hol´s zurück“, murrte Liz. „Hast ja Recht. Und vielleicht steht tatsächlich etwas Brauchbares drin…“ Sie verließ den Teamraum.
Maggie sah auf. „Perfler hat doch nicht hier, sondern in Hamburg eingesessen. Schöne Scheiße. Und sein Zellengenosse war die ganze Zeit der gleiche, ein Olaf Jensen. Echter Hamburger, dem Namen nach… oh, ein Anlagebetrüger! Na, dann konnten die sich ja schön über neue Tricks austauschen. Ach, so ein Mist!“
„Was denn?“, fragte Andi abgelenkt.
„Der Jensen ist zwei Wochen vor Perfler rausgekommen und sofort vor einen Laster gelaufen. Ob das Zufall ist?“
„Das sollen aber wirklich die Hamburger machen!“, wehrte Andi sofort ab, der mittlerweile vor der Tafel stand und den lückenhaften Bericht über die Perflersche Ehe studierte, „Was geht es uns an. Vielleicht hat ihn einer umgefahren, den er abgezockt hat. Aber mit dem Perfler hat das wohl nichts zu tun. So abgefeimt war der ja gar nicht, sonst hätten sie ihn wohl kaum sofort erwischt. Wo zum Henker ist seine Frau hingeraten?“
„Vielleicht ist sie auch schon tot?“, schlug Maggie vor. „Soll ich mal schauen?“
„Ist sie nicht. Was glaubst du, was ich vorhin gemacht habe? Es gibt in der ganzen Zeit nur vier unbekannte weibliche Leichen, davon ist eine höchstens siebzehn gewesen und eine andere aber garantiert über achtzig.“
„Und die anderen beiden?“, deutete Maggie die Kunstpause richtig.
Andi grinste. „Die eine ist im richtigen Alter, aber eindeutig afrikanischer Abstammung – und die letzte hatte einen britischen Pass bei sich, bei dem allerdings die Seite mit dem Namen ziemlich zerfressen war.“
„Aber über die Passnummer kann man doch rauskriegen, wer das war?“
„Wurde offenbar versucht, aber die Briten haben die Anfrage nicht beantwortet. Jedenfalls wüsste ich nicht, wie Claudia Perfler an einen britischen Pass hätte kommen sollen.“
„Vielleicht war es gar nicht ihrer, sondern sie hatte ihn nur geklaut?“, schlug Ben vor, was aber niemand beachtete.
„Keine bekannten Leichen, keine unbekannten Leichen… also lebt sie noch“, sinnierte Maggie.
„Sag bloß!“ Ben ärgerte sich noch darüber, dass man eben auf seinen Vorschlag gar nicht reagiert hatte.
„Und damit ist sie eine von fünfundzwanzig“, stöhnte Andi.
„Wieviele von diesen Claudias leben denn überhaupt in Leisenberg?“, fragte Maggie. „Vielleicht hat sie sich ja nie von hier wegbewegt… der Mann war ja in Hamburg und störte nicht weiter.“
„Hm…“ Andi gab als Wohnort Leisenberg in die Suchmaske ein und stellte fest, dass die Trefferanzahl auf sieben gesunken war. Immerhin!
Eine war Verkäuferin bei Meyer & Reiter, eine so etwas wie eine Dame der Gesellschaft (feinstes Waldstetten), eine war Lehrerin an der Grundschule in Mönchberg, eine andere Rechtsanwältin. Die fünfte war Pferdewirtin bei einem Gestüt hinter Rothenwald, wohnte aber in Selling… aha? Nummer sechs war mit einem Bestattungsunternehmer verheiratet und die siebte Claudia hatte eine Adresse im Univiertel und war Kunsthistorikerin.
Andi druckte die Liste aus und pinnte sie an die Wand neben dem Whiteboard. Maggie gesellte sich zu ihm. „Ich wette auf die Verkäuferin.“
„Warum?“
„Na, diese Claudia Perfler war doch Sekretärin, oder? Die anderen sind alles Studierte.“
Ben war immer noch auf dem Kriegspfad: „Die Pferdewirtin und die Totengräbersgattin müssen auch nicht studiert haben. Und eine Dame der Gesellschaft kann vorher auch im Nagelstudio gejobbt haben.“
Andi grinste und Maggie fragte sofort: „Woher kennst du dich in Nagelstudios so gut aus?“
„Pures Klischee. Ich tippe auf die Totengräbersgattin. Warum sollte diese Claudia nicht wieder geheiratet haben?“
„Hauptsächlich, weil ich nichts über eine Scheidung der Perflers finden kann. Glaubt ihr etwa, sie ist Bigamistin?“
„Vielleicht hat sie die Scheidung eingereicht?“
„Aber er hätte doch einbezogen werden müssen, und dann wäre das hier vermerkt! Nein, die Gattinnen müssen wir streichen, egal, ob Totengräber oder reicher Mann. Sie kann nicht verheiratet sein.“
Liz war wieder hereingekommen. „Also, wenn mir mein nicht so besonders erfolgreicher Gatte durch die Lappen gegangen wäre, weiß ich ja nicht, ob ich nicht einfach so tun würde, als sei er tot. Und jemand Besseren heiraten.“
Maggie grinste sie an. „Ja, klasse Idee. Und dann taucht der erste Mann irgendwann wieder auf und zockt dich ab. Ein Leben lang.“
„Dann schaff ich ihn aus dem Weg. Wer vermisst den schon…“
„Wird das ein Geständnis, Liz? Da tun sich ja Abgründe auf!“ Andi feixte. „Aber ich fürchte, wir müssen realistisch bleiben. Also, was steht im Adressbuch?“
Liz setzte sich umständlich zurecht und musterte ihr Auditorium, ob auch alle ordentlich zuhörten.
„Fang schon an!“
„Die haben es schon gecheckt, waren eh keine Fingerabdrücke drauf und auch sonst nichts. Also, es gibt nur vier Adressen…“
„Liz!!“ Andi klang ernsthaft sauer.
„Schon gut. Es gibt eine Claudia, aber ohne Nachnamen. Allerdings mit Telefonnummer. Möchtest du da mal anrufen, Andi?“
„Darauf kannst du aber wetten!“ Er nahm den Hörer ab und Liz diktierte brav.
Dann wartete er und hob schließlich triumphierend die Augenbrauen. „Mein Name ist Andreas Reuchlin von der Kriminalpolizei Leisenberg. Mit wem spreche ich, bitte?“
„Aha. Mit c oder z? Danke. In Ihrer Familie gibt es eine Claudia?“
„Ihre Mutter, soso… ist sie im Haus?“
„Dann schauen wir gegen zwei bei Ihnen vorbei… sagen Sie mir noch die Adresse?“
Er notierte murmelnd etwas und bedankte sich dann. Sobald er aufgelegt hatte, sah er sich triumphierend um: „Jetzt ratet!“
„Das war der Totengräber“, vermutete Ben sofort.
„Und diese Claudia ist seine Mutter. Ben, du Vollpfosten! Ich sage, sie ist die Schickimickifrau.“
Maggie hielt dagegen: „Grundschullehrerin. Das hätte sie in ein paar Jahren nach Perflers Verschwinden leicht hinkriegen können. Wetten?“
„Liz hat gewonnen. Kampenwandstraße vier, in – Waldstetten.“
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