„Nichts arbeiten, obwohl die Kinder schon erwachsen sind. Den ersten Mann ziehen lassen, weil die Dame dem Herrn nicht nachläuft… so ein Blödsinn!“ Liz musste aber doch lachen. „Und die Töchter verarschen sie doch bloß, sogar ihre eigene. Diese Patricia ist schon eine Rotzgöre, aber ziemlich gescheit, findest du nicht?“
„Doch. Scharfsichtig. Aber es kann absolut nicht sein, dass diese Claudia sich überhaupt nicht um die Scheidung gekümmert hat! Wir schauen noch einmal in die Perfler-Wohnung, ob es da Scheidungspapiere gibt.“
„Ja, gut. Aber haben wir bei den offiziellen Daten nicht gefunden, dass Perfler mit dieser Claudia verheiratet war? Dann müsste dieses Hamburger Familiengericht – oder wer auch immer – es verbaselt haben, diese Scheidung weiter zu melden. An die Meldestelle oder wer auch immer dort zuständig ist. Kann das überhaupt sein?“
„Du hast Recht, das ist ziemlich unwahrscheinlich. Vielleicht lügt die Martens sich die Wahrheit zurecht. Hofft, dass Totstellen hilft. Ist über schnöden Alltag erhaben…“
„Hat Realitätsverlust“, war Liz´ deutlichere Diagnose. „Sie merkt ja offenbar auch nicht, dass die diversen Mädels sie nicht weiter ernst nehmen. Bei Gelegenheit wäre deren Urteil vielleicht ganz interessant…“
„Hm…“ Andi musste sich auf den Verkehr auf dem Stadtring konzentrieren. „Ein bisschen weit hergeholt, meinst du nicht?“
„Hintergrundrecherche?“
„Ich weiß ja, was du meinst, aber der verheimlichte Exmann ihrer Stiefmutter ist tot, was, glaubst du, wissen die Stieftöchter darüber? Höchstens lachen sie sich halb krank und reiben der armen Martens den Perfler jedes Mal unter die Nase. Nein, einen etwas besseren Grund brauchen wir schon – obwohl mich die Töchter schon auch interessieren würden, das gebe ich zu.“ Er bog in Richtung Kreuz West ab.
„Wo könnte der Perfler eine Scheidungsurkunde verwahrt haben?“, überlegte Liz weiter. „Mir ist in dieser dürftigen Butze nichts Passendes aufgefallen.“
„Wenn wir nichts finden, fragen wir eben in Hamburg nach. Amtshilfe. Immerhin hat das Opfer da mal gewohnt… Da wären wir. Grottige Gegend.“
„Aber günstig. Für viele ist das schon ein Argument.“
Er warf ihr einen schrägen Blick zu, bevor er in einen recht kleinen Parkplatz rangierte. „Hältst du mich für so abgehoben?“
„Weiß man´s? Nein, Quatsch. Und du hast Recht, die Gegend ist grottig. Kannst du dir die Martens hier vorstellen?“
„Schon der Gedanke müsste sie in Panik versetzt haben. Da vorne ist es.“
Die Wohnung Perflers war so übersichtlich wie beim letzten Mal. Rasch und routiniert gingen sie durch alle Schränke, Schubladen, Kisten und Kasten – keine Scheidungsunterlagen. „In der Küchenzeile vielleicht?“, überlegte Liz. Die beiden Oberschränke enthielten wirklich nur etwas Geschirr, ein paar Gläser und zwei Pakete Nudeln, der eine Unterschrank einen Putzeimer und die Eingeweide des Spülbeckens und der andere den Ofen. Dann kam eine Lücke: Besen und eine Kehrmaschine aus den Achtzigern – und dann die Wand.
„In schlechten Filmen bewahren die Leute Koks und Falschgeld im Spülkasten auf“, überlegte Andi verzweifelt, als sie im Bad standen.
„Nicht in dem Spülkasten!“ Liz wies auf die bündig abschließende Abdeckplatte. „So wasserdicht kannst du gar nichts verpacken!“
Neben dem Garderobenständer stand eine Art Bank, deren Deckel man aufklappen konnte. Schuhe und Stiefel, sonst nichts. „Arge Schweißfüße hatte er“, stellte Liz naserümpfend fest.
Unter den Schuhen gab es nur einige Krümel getrockneter Erde und einen fast leeren Schnellglanzschwamm.
„Nichts. Beim besten Willen – nichts. Komm, wir fahren und zapfen die Hamburger an!“
„Wir könnten auch eine Runde Hamburger mitnehmen“, schlug Liz vor. „Proteine sind doch gesund?“
„Ihr erklärt alles für gesund, worauf ihr gerade Lust habt.“ Andi grinste schief. „Aber einen Hamburger könnte ich jetzt auch vertragen. Mit Pommes!“
„Logisch mit Pommes!“
Coco staunte gebührend, als Pat sie anrief und erzählte, dass Claudias Exliebhaber ermordet worden sei.
„Und woher weißt du das? Die Polizei hat dich doch garantiert aus dem Zimmer geworfen!“
„Ohr an Tür, was glaubst du denn! Alles, was mir hilft, Mama mundtot zu machen, wenn sie wieder die geborene Lady gibt, muss ich haben. Reiner Selbsterhaltungstrieb.“
Coco lachte. „Kann ich verstehen. Warum ziehst du nicht aus? Papa würde es doch finanzieren, da bin ich sicher. Und ich könnte dir auch ein bisschen was dazugeben, schließlich verdiene ich deutlich mehr, als es einer Dame zukommt. Frag Papa doch mal!“
„Mach ich vielleicht wirklich. Andererseits ist Claudia ja schon so was wie ein Hobby. Ich kenne echt niemanden, der so leicht auf die Palme zu bringen ist. Da waren unsere Lehrerinnen deutlich härter im Nehmen.“
Coco fand, das sei kein Wunder: „Eure Lehrerinnen sind besser trainiert und haben wohl auch eine weniger abstruse Weltsicht. Aber mir ist nicht ganz klar, wie du Claudia mit diesem Exliebhaber ärgern willst. Hast du gedacht, sie war noch Jungfrau, als sie Papa geheiratet hast? Mit fünfundzwanzig? Ich bitte dich!“
„Nein, das doch nicht! Aber sie hat furchtbar herumgezickt, als die Bu-Polizisten sie in die Mangel genommen haben, sie muss praktisch etwas zu verbergen haben!“
„Was sollte das denn sein? Claudia ist sowas von ehrbar, das ist doch schon langweilig. Diese ehrpusselige Person…“
Pat gackerte. „Ehrpusselig? Das ist aber ein schönes Wort! Voll das vorige Jahrhundert, was?“
„Solange ist das vorige Jahrhundert auch noch gar nicht vorbei“, schulmeisterte Coco.
„Mal was anderes, kannst du dich noch an das letzte Eisessen erinnern?“
„Pat, ich gehe zwar stramm auf die Vierzig zu, aber ich bin noch nicht senil. Klar kann ich mich erinnern, warum?“
„Da haben doch Hel und Jack beide so verkniffen gewirkt, weißt du noch?“
„Als dieser Schnuckelputz vorbei gekommen ist? Stimmt. Hast du das Sahneschnittchen identifiziert?“
„Identifiziert nicht direkt, aber ich hab ihn gesehen. Mit Hel!“
„Aha… ich dachte, der liebe Ralf ist ihr ein und alles?“
„Sie hat zumindest so getan, nicht? Aber warum hat wohl Jack genauso komisch auf den Knaben reagiert? Ob die echt beide was mit dem haben?“
„Kühne Theorie. Pat, hier kommt gleich ein Kunde, leider kann ich nicht länger spekulieren.“
Sie überlegte kurz, nachdem sie aufgelegt hatte, was das alles wohl zu bedeuten hatte, aber dann kam tatsächlich ein Ehepaar, das sich ernsthaft für dieses fürchterliche Penthouse in der Stuttgarter Straße interessierte. Neubau, gute Substanz, entsetzlicher Schnitt…
Sie studierten gemeinsam den Grundriss, der den beiden seltsamerweise zu gefallen schien, dann fuhren sie nach Zolling und Coco führte die beiden ganz besonders fürsorglich durch das Penthouse – sieben Zimmer, Luxusküche, drei Bäder, Privatsauna. Ihm gefielen die Böden und die Smart-Home-Elemente, ihr die Küche (Klischee?) und der Ausblick, was Coco dazu brachte, ihre Gesichtszüge eisern in ein zustimmendes Lächeln zu zwingen: Ausblick auf drei andere Hochhäuser und in der Ferne die MiniCity? Na gut, und ganz hinten das Leiß-Hochufer, natürlich ohne den Blick auf das ganz tief unten dahinplätschernde Wasser. Also lobte sie die Weite, den Himmel und das futuristische Ambiente, was mit eifrigem Nicken belohnt wurde.
„Und was soll die Wohnung kosten?“, fragte der Mann dann, während seine Frau immer noch von der Aufsicht ganz fasziniert schien.
„Eins komma zwei Millionen plus Courtage. Da das Gebäude noch ein Neubau ist, gibt es die üblichen fünf Jahre Gewährleistung; eine Instandhaltungsrücklage existiert natürlich noch nicht, sie wird aus dem Hausgeld angespart.“
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