"Was ist los?" fragte Marietta und sah ihren Mann an. "Wo bin ich?" Dann glitt ihr Blick zu Kuja. "Kuja? Aber wie...?" Noch tiefere Verwirrung machte sich in ihrem Gesicht breit. "Was ist denn hier los?" Sie sah einmal in die Runde, doch konnte sie in allen Gesichtern nur einen Ausdruck erkennen: Entsetzten! "Was...?" Marietta versuchte zu lächeln, was ihr kaum gelang, dann endlich erkannte sie, dass die Männer ihr nicht ins Gesicht sahen, sondern auf ihren Körper starrten. Total verwirrt blickte sie daraufhin an sich hinab und schon erfasste sie das gleiche Entsetzen, wie auch alle anderen. Sie stöhnte erstickt auf.
"Ergreift sie!" raunte Moretti und sofort traten zwei seiner Männer vor.
Marietta sah es, stöhnte nochmals auf und hob ihre beiden Arme an. Es war eine abwehrende Geste, doch durch die beiden Waffen in ihren Händen, wirkte sie natürlich sofort bedrohlich. Die beiden Soldaten blieben abrupt stehen.
Dann erkannte auch Marietta die beiden blutverschmierten Waffen in ihren Händen. Ein gellender Schrei entfuhr ihr. Erschrocken trat sie einen Schritt zurück und ließ den Dolch und das Schwert fallen, als hätten sie eine ansteckende Krankheit.
Augenblicklich setzten die Soldaten wieder vor, doch Marietta riss erneut ihre Arme in die Höhe, ballte ihre Hände zu Fäusten und schlug auf die Männer ein, die sich davon tatsächlich abhalten ließen.
Im selben Moment ging Burini mit einem tiefen Brummen auf die Gruppe zu. Er schob die Soldaten beiseite und trat direkt vor seine Frau. Als Marietta ihn sah, erstarrte sie augenblicklich. Sie ließ ihre Fäuste sinken, während sie ihn mit großen Augen anschaute. "Burini, was ist hier los?" stieß sie mit zittriger und fassungsloser Stimme hervor. "Hilf mir!"
Ihr Mann sah sie einen Augenblick lang finster an, dann schien sein Blick aufweichen zu wollen, als er einen halben Schritt auf sie zumachte und seine Arme anhob, um sie scheinbar zu umarmen. Doch das geschah nicht. Stattdessen verpasste er ihr mit seiner rechten Hand eine wuchtige und harte Ohrfeige, dass Marietta sofort mit einem schmerzhaften Aufschrei seitlich zu Boden stürzte. "Hure!" zischte er dabei und in seinen Augen spiegelte sich echter Hass wider.
Dann trat er beiseite. Die beiden Soldaten machten einen Schritt vor und zogen Marietta auf die Füße. Während der eine ihre Hände hinter dem Rücken fesselte, achtete der andere darauf, dass sie keine Dummheiten machte. Doch Marietta starrte nur stumm und unter Tränen auf ihren Ehemann, der ihren Blick jedoch hasserfüllt geradeheraus erwiderte.
"Herr!" Moretti wandte sich an Kuja. "Ihr kennt das Gesetz!"
"Was?" Der Fürstensohn sah ihn entgeistert an.
Doch der Kommandant blieb standhaft. "Diese Frau ist eine Mörderin!"
"Was?" Mariettas Kopf wirbelte herum. In ihren Augen war echte Panik zu sehen. Ganz offensichtlich hatte sie Morettis Worte gehört und ihren Sinn auch verstanden. "Aber...um Himmels willen!" stieß sie hervor. "Ich bin unschuldig. Ich habe niemanden getötet!" Sie versuchte auf Kuja zuzugehen, doch die beiden Soldaten hielten sie zurück. "Ich weiß nicht, was geschehen ist. Ich weiß nicht einmal, wie ich hierhergekommen bin!" Sie wandte sich wieder an Burini. "Als du hinter ihnen her bist, bin ich zu unserem Sohn gegangen, um ihn zu beruhigen. Ich habe mich zu ihm ins Bett gelegt, dann muss ich eingeschlafen sein. Ich kann mich an nichts Anderes erinnern!" Ihre Stimme war voller Angst und zitterte erbärmlich. Doch der Blick ihres Mannes blieb reglos und hart. Daraufhin zuckte Mariettas Oberkörper einmal hin und her und es gelang ihr, sich doch aus der Umklammerung der Soldaten zu befreien. Sofort rannte sie auf Kuja zu. "Kuja, Herr!" rief sie. Natürlich aber reagierte Moretti blitzschnell. Er versperrte ihr den Weg und hielt sie fest. "Bitte!" Marietta sah ihn mit verzweifelter Miene an. "Ihr wisst, dass ich nicht mit euch zusammen hierhergekommen bin!"
Kuja nickte, während er spürte, wie sich sein Pulsschlag wieder erhöhte und sich kalter Schweiß auf seiner Stirn bildete. "Das stimmt!"
Marietta lächelte erleichtert.
Doch Moretti sagte: "Das beweist gar nichts. Ihr könnt Kuja und die beiden anderen verfolgt haben, um sie dann in der Nacht zu töten!"
"Was?" Mariettas Lächeln erstarb und wich wieder einer vollkommen entsetzten Miene. "Aber...nein!" rief sie. "Das ist nicht wahr!" Dabei starrte sie den Fürstensohn erneut mit großen Augen an.
Kuja explodierte innerlich, weil er wusste, dass er keine andere Wahl hatte.
Seine große Hoffnung, dass seine furchtbaren Erinnerungen an die vergangene Nacht nur ein schrecklicher Alptraum waren, war vollkommen zerstört worden.
Nein, Tizian und Giovanni waren tatsächlich tot. Und es bestand überhaupt kein Zweifel daran, dass er, Kuja, ihr Mörder gewesen war.
Das aber durfte er nicht zugeben. Doch nicht etwa, weil er Angst davor hatte, die Konsequenzen seiner Taten zu tragen, sondern weil er zuvor noch etwas zu erledigen hatte. Er musste erst dafür sorgen, dass niemand je wieder in diese Höhle tief unter ihnen gelangen konnte, damit gewährleistet war, dass die Macht, die er gesehen und erlebt und die ihn letztlich zum Mörder hatte werden lassen, für immer unschädlich gemacht wurde.
Aber das konnte er nicht jetzt tun. Dafür würde er Zeit brauchen, denn natürlich musste er dafür sorgen, dass nur so wenige Menschen, wie möglich, davon erfuhren.
Jetzt musste er dafür sorgen, dass kein Verdacht auf ihn als Mörder fiel, damit er dann alles Notwendige tun konnte, um diese fremde Macht für immer zu eliminieren.
Das alles aber konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass es nach wie vor zwei ermordete Männer gab, für die ein Täter gefunden werden musste. Und da Kuja es nicht sein durfte, blieb nur noch...Marietta.
Doch das Wissen darum, was dies für sie für Konsequenzen haben würde, schnürte ihm beinahe die Kehle zu.
"Es...!" Kuja musste schlucken. "...tut mir leid!" Er versuchte Marietta nicht in die Augen zu sehen, was ihm aber nicht gelang. Seine Stimme klang rau und kraftlos. Er spürte, wie Moretti ihn ansah. Deshalb räusperte er sich und atmete einmal durch. Danach straffte er seinen Brustkorb und seine Worte kamen klar und deutlich aus seinem Mund. "Ich kann dazu nichts sagen. Ich habe geschlafen und nichts von dieser schändlichen Tat mitbekommen. Doch der Kommandant hat Recht: Du kannst uns auch gefolgt sein!" Kuja sah, dass Mariettas Entsetzen wieder anstieg. "Das Blut und die Waffen in deinen Händen sind schwerwiegende Beweise gegen dich. Und schließlich gibt es sonst niemanden, der dieses Verbrechen hätte ausführen können!" Außer mir , dachte Kuja und verfluchte sich innerlich.
"Was?" schrie Marietta und machte einen Schritt auf Kuja zu. "Aber...nein! Oh Gott, nein! Ich bin unschuldig!"
Moretti packte sie fester. "Die Beweise sprechen eine andere Sprache!" Er sah sich um, niemand sagte etwas. "Du bist überführt!" Sein Blick blieb auf Burini haften. "Und jeder hier kennt die Strafe für Mord!" Moretti rechnete mit einer emotionalen Reaktion ihres Ehemanns, doch er nickte ihm nur mit finsterer Miene zu.
Marietta gebärdete sich jetzt wie toll. "Nein! Oh bitte, nein. Ich bin unschuldig. Ich habe das doch nicht getan!" Sie weinte, doch dann atmete sie tief durch. "Es gibt außerdem noch Jemanden, der es getan haben könnte!"
"Wen?" Moretti sah sie scharf an.
Mariettas Blick wanderte zu dem Fürstensohn. "Kuja!"
"Was?" rief Moretti und zog die Augenbrauen nach unten. "Weib, pass auf, was du sagst!"
"Nein, wieso denn?" rief Marietta. "Er ist der einzige, der noch in Frage kommt. Und er hätte doch auch die Möglichkeit dazu gehabt!" Sie nickte. "Ja, er war es! Bestimmt!"
Moretti schlug ihr hart ins Gesicht, dass sie wieder zu Boden ging. "Allein für diese Anschuldigungen sollte man dich auspeitschen!" Im nächsten Moment trat Kuja zu ihm und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Der Kommandant hörte aufmerksam zu, dann erstarrte sein Blick in Überraschung, schließlich nickte er mit finsterer Miene. "Wie ihr befehlt, Herr!" Er nickte den beiden Soldaten zu und sie zogen Marietta wieder auf die Beine. "Die beiden engsten Vertrauten des zukünftigen Fürsten wurden ermordet!" sagte der Kommandant und richtete seine Worte an die anderen Anwesenden. "Wir haben eine Verdächtige und die Beweise gegen sie sind erdrückend. Ich denke, niemand hier hat Zweifel an ihrer Schuld!?" Er sah jedem in die Augen, bekam aber keinen Widerspruch. Auch nicht von Burini. "Aufgrund der emotionalen Bindung zu den Opfern macht Kuja Gebrauch von seinem Recht, hier als Richter aufzutreten!" Er sah den Fürstensohn nochmals an und nickte ihm zu.
Читать дальше