112
Ohne einen gemeinsame Zweckverfolgung gibt es keine Gesellschaft – wenn die Treuepflicht also das Korrelat zum gemeinsamen Zweck ist, indem sie Rücksichtnahme auf die übrigen Gesellschafters gebietet, dann ist sie zwingender Bestandteil jeder Gesellschaft. Die Gesellschafter mögen sie im Gesellschaftsvertrag konkretisieren[45] (letztlich ist jede im Gesellschaftsvertrag genannte Beitragspflicht nur eine Konkretisierung der allgemeinen Treuepflicht); ihre Abbedingungkäme einer Leugnung des Zwecks der Gesellschaft gleich, sie kann daher nicht zulässig sein.[46]
4. Der Anspruch auf Auszahlung des Gewinns und die Beteiligung am Verlust
113
Nach der bisherigen gesetzlichen Regelung haben die Gesellschafter ohne Rücksicht auf die Höhe des von ihnen zu erbringenden Beitrages gleichen Anteilam Gewinn und Verlust (§ 722 BGB). Es ist den Gesellschaftern jedoch unbenommen, gestützt auf die Vertragsfreiheit im Gesellschaftsvertrag eine Gewinn- und Verlustbeteiligung nach Kapitaleinlagen oder anderen Gesichtspunkten zu vereinbaren. Wenn im Gesellschaftsvertrag nichts anderes vereinbart ist, entsteht der Anspruch auf Auszahlungdes Gewinns bei auf Dauer angelegten Gesellschaften gem. § 721 Abs. 2 BGB (= § 718 BGB-E) am Jahresschluss mit Feststellung der Bilanz. Der Gesellschafter hat zudem einen Auskunftsanspruchgegen den oder die geschäftsführenden Gesellschafter wie gegen einen Beauftragten gem. §§ 721, 666 BGB.[47] Zum Schicksal dieser Ansprüche nach Auflösung der Gesellschaft siehe unten Rn. 193. Bei Gelegenheitsgesellschaften entsteht der Gewinnanspruch mit der Auflösung der Gesellschaft als Auseinandersetzungsanspruch (§§ 730, 734 BGB = §§ 740b, 736d Abs. 6 BGB-E). Zu solchen Auseinandersetzungsansprüchen und auch zu den Abfindungsansprüchen ausscheidender Gesellschafter siehe unten Rn. 183 ff.
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Rechtslage nach dem MoPeG:
Durch das MoPeG ist zu einen die Zweifelsregel des § 722 BGB etwas angepasst worden. Ohne Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag erfolgt die Gewinnverteilung künftig gem. § 709 Abs. 3 BGB-E nicht nach Köpfen, sondern nach der Höhe der vereinbarten Beiträge jedes Gesellschafters und nur bei Fehlen solcher Vereinbarungen haben die Gesellschafter gleiche Anteile an Gewinn und Verlust. Daneben sieht § 718 BGB-E nun nicht mehr nur bei auf Dauer angelegten Gesellschaften, sondern auch bei Gelegenheitsgesellschaften eine jährliche Ergebnisverteilung vor. Bisher galt bei solchen gem. § 721 Abs. 1 BGB eine einmalige Abrechnung nach Auflösung der Gesellschaft.
V. Das Geltendmachen von Forderungen, die der Gesellschaft gegen einzelne Gesellschafter zustehen
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Erfüllt ein Gesellschafter die ihm aus dem Gesellschaftsverhältnis erwachsenden Verpflichtungen nicht, kann die Gesamtheit der Gesellschafter den Anspruch auf Erfüllung gegen diesen Gesellschafter geltend machen (Sozialanspruch). Aus der Personenbezogenheit der gesellschaftlichen Rechte und Pflichten folgt allerdings, dass auch ein einzelner Gesellschafter das Recht haben kann, Forderungen der Gesellschaft im eigenen Namen geltend zu machen. Mit Rücksicht darauf, dass es sich stets um Ansprüche handelt, die allen Gesellschaftern materiellrechtlich zustehen, kann die Leistung allerdings nur an die Gesellschaft verlangt werden. Das bedeutet: Jeder Gesellschafter – das gilt für alle Personengesellschaften – hat ohne Rücksicht darauf, ob er geschäftsführungsbefugt ist oder nicht, die Befugnis zur Gesellschafterklage (actio pro socio)[48]. Diese Prozessführungsbefugnis hat ihre Grundlage im Gesellschaftsverhältnis und ist Ausfluss des Mitgliedschaftsrechts des Gesellschafters.[49] Im Einzelfall kann diese Klagebefugnis durch die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht (siehe dazu Rn. 109 ff.) eingeengt sein. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn sich das Verhalten des klagenden Gesellschafters nach den konkreten Gesellschaftsverhältnissen als rechtsmissbräuchlich darstellt.[50]
Die Klagebefugnis des einzelnen Gesellschafters (actio pro socio) bezieht sich ausschließlich auf Sozialansprüche ( Rn. 103 f.), also auf solche Verpflichtungen des zu verklagenden Gesellschafters, die aus dem Gesellschaftsverhältnis erwachsen. Dazu können auch Schadensersatzforderungen aus Pflichtverletzungen (§ 280 BGB) gehören, die wegen der Verletzung gesellschaftsvertraglicher Pflichten entstehen.[51]
Beispiel:
A, B und C haben sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen. C ist trotz Fälligkeit und mehrfacher Mahnung seiner Beitragspflicht, die in der Einzahlung von 5000 € besteht, nicht nachgekommen. A ist befugt, von C Zahlung von 5000 € an die Gesellschaft zu verlangen und diese Forderung notfalls im Wege der Gesellschafterklage geltend zu machen (actio pro socio).
Rechtslage nach dem MoPeG:
Durch das MoPeG wird die Gesellschafterklage in § 715b BGB-kodifiziert. § 715b Abs. 2 BGB n.F. stellt klar, dass Vereinbarungen, die das Klagerecht ausschließen oder der Vorschrift zuwider einschränken, unwirksam sind.
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Lösung zu Fall 7:
Nach § 707 BGB besteht grundsätzlich keine Nachschusspflicht. Eine solche kann für A nur durch eine entsprechende wirksame Klausel im Gesellschaftsvertrag, auf welche die Geschäftsführung sich stützen kann, begründet werden. Die Wirksamkeit einer solchen gesellschaftsvertraglichen Bestimmung hängt allerdings davon ab, ob sie eindeutig ist und Ausmaß und Umfang einer möglichen zusätzlichen Belastung erkennen lässt[52]. Das erfordert bei Beitragserhöhungen die Angabe einer Obergrenze oder sonstiger Kriterien, die das Erhöhungsrisiko eingrenzen[53]. Im konkreten Fall fehlen die Angabe einer Obergrenze oder sonstige Kriterien, die das Erhöhungsrisiko eingrenzen. Für die Gesellschafter ist nicht erkennbar, wie hoch Ausmaß und Umfang einer möglichen zusätzlichen Belastung sein können. Den oben beschriebenen Erfordernissen wird nicht genügt. Die Bestimmung im Gesellschaftsvertrag kann deshalb nicht Grundlage einer von der Geschäftsführung wirksam beschlossenen Nachschussverpflichtung sein. Infolgedessen ist A nicht verpflichtet, Nachschuss in der Geforderten Höhe zu leisten.
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Lösung zu Fall 8:
Nach § 712 BGB kann einem Geschäftsführer die Geschäftsführungsbefugnis auf die in dieser Vorschrift beschriebenen Art und Weise entzogen werden, wenn ein wichtiger Grund vorliegt. Ein wichtiger Grund ist insbesondere eine grobe Pflichtverletzung oder die Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung (§ 712 Abs. 1 BGB). Ein wichtiger Grund i.S.d. § 712 BGB liegt allerdings auch vor, wenn das Verhältnis der übrigen Gesellschafter zu dem Geschäftsführer nachhaltig zerstört und es den übrigen Gesellschaftern deshalb nicht zuzumuten ist, dass der Geschäftsführer weiterhin auf die alle Gesellschafter betreffenden Belange der Gesellschaft Einfluss nehmen kann. Auch wenn die Pflichtverstöße des G nicht das Gesellschaftsvermögen der Gesellschaft bürgerlichen Rechts betreffen, so liegt dennoch ein wichtiger Grund zur Entziehung der Geschäftsführungsbefugnis i.S.d. § 712 Abs. 1 BGB vor, denn für das Vertrauensverhältnis zu dem Geschäftsführer, dem das Gesellschaftsvermögen anvertraut ist, kommt es auf dessen persönliche Integrität im Umgang mit ihm anvertrauten fremden Geldern an. Diese fehlt, weil G sich bei der X-GmbH zu Lasten des Gesellschaftsvermögens bereichert hat[54]. Also ist ein wichtiger Grund vorhanden, der zur Entziehung der Geschäftsführung gem. § 712 BGB berechtigt.
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