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Fraglich ist, wie zu verfahren ist, wenn ein Gesellschafter seine Beitragspflicht nicht oder schlecht erfüllt. Zu klären ist insbesondere, ob und ggf. welche Ansprüche aus Leistungsstörungenentstehen können.
Wie oben ( Rn. 72 ff.) schon erörtert, ist der Gesellschaftsvertrag, durch den die BGB-Gesellschaft begründet wird, sowohl ein Schuldvertrag als auch ein organisationsrechtlicher Vertrag. Soweit der Gesellschaftsvertrag ein schuldrechtlicher Vertrag ist, können grundsätzlich auch die Vorschriften des allgemeinen Schuldrechts auf ihn angewandt werden. Deshalb haftet ein Gesellschafter, der die für ihn aus dem Gesellschaftsvertrage erwachsenden Pflichten verletzt, für den daraus entstehenden Schaden nach den allgemeinen Regeln des Vertragsrechts, im Zweifel aus Pflichtverletzung gem. § 280 BGB. Hat ein Gesellschafter z.B. seine Beitragspflicht im Sinne des § 706 Abs. 3 BGB unzureichend erfüllt, so kann die Gesellschaft gegen ihn einen Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB erworben haben[34]. Bei der Erfüllung der ihnen aus dem Gesellschaftsverhältnis insgesamt erwachsenden Verpflichtungen haben die Gesellschafter nach der gesetzlichen Regelung (§ 708 BGB) nur für diejenige Sorgfalt einzustehen, die sie in eigenen Angelegenheiten anzuwenden pflegen (diligentia quam in suis). Das bedeutet im Höchstfall den Ausschuss der Haftung für leichte, nicht aber für grobe Fahrlässigkeit (§ 277 BGB).
Rechtslage nach dem MoPeG:
Die Haftungsmilderung auf die eigenübliche Sorgfalt ist durch die Neufassung der § 705 ff. BGB-E ersatzlos entfallen. Daher gilt künftig der normale Haftungsmaßstab des § 276 BGB, wenn die Gesellschafter nichts Abweichendes vereinbaren, siehe BT-Drucks. 19/27635 S. 103.
c) Keine Nachschusspflicht
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Nach der gesetzlichen Regelung in§ 707 BGB (§ 710 BGB-E) besteht grundsätzlich keine Nachschusspflicht, d.h. die Gesellschafter sind nicht verpflichtet, die im Gesellschaftsvertrag vereinbarten Beiträge nachträglich zu erhöhen oder eine durch Verlust verminderte Einlage nachträglich zu ergänzen. Das enthebt sie freilich nicht davon, nach Auflösung der Gesellschaft eingetretene Verluste gem. § 735 BGB ausgleichen zu müssen, vgl. Rn. 195. Nach Abschluss des Gesellschaftsvertrages kann die Beitragspflicht nur durch eine entsprechende Änderung des Gesellschaftsvertrages erhöht werden. Dazu ist im Regelfall die Zustimmung aller betroffenen Gesellschafter erforderlich. Diese Regelung bietet den Vorteil, dass jeder Gesellschafter bei Beginn der Gesellschaft überschauen kann, welchen Umfang seine Beitragspflicht erreicht. Beitragserhöhungen können also nur mit Zustimmung eines jeden Gesellschafters beschlossen werden. Solche Zustimmungen können die Gesellschafter im Gesellschaftsvertrag auch antizipiert erteilen. Die Wirksamkeit einer solchen gesellschaftsvertraglichen Bestimmung hängt allerdings davon ab, ob sie eindeutig ist und Ausmaß und Umfang einer möglichen zusätzlichen Belastung erkennen lässt[35]. Das erfordert bei Beitragserhöhungen die Angabe einer Obergrenze oder sonstiger Kriterien, die das Erhöhungsrisiko eingrenzen[36].
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§ 707 BGB stellt dispositives Rechtdar und kann deshalb durch den Gesellschaftsvertrag ausgeschlossen oder modifiziert werden. Allerdings muss aus der entsprechenden Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag eindeutig hervorgehen, dass über die eigentliche Einlageschuld hinausgehende Beitragspflichten begründet werden sollen[37]. Eine schlichte Mehrheitsklausel für Beschlüsse in einem Gesellschaftsvertrag bildet keine Legitimationsgrundlage für eine Änderung des Gesellschaftsvertrages, durch die eine Nachschusspflicht eingeführt werden soll; zur Bindung des Betroffenen bedarf es seiner Zustimmung zur der nachträglichen Vermehrung der Beitragspflichten. Der Gesellschafterbeschluss einer Personengesellschaft, durch den eine Nachschusspflicht begründet werden soll, die im Gesellschaftsvertrag keine Grundlage hat, ist demjenigen Gesellschafter gegenüber, der seine Zustimmung nicht gegeben hat, unwirksam[38].
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Seit langem ist anerkannt, dass die Gesellschafter einer Personengesellschaft, also BGB-Gesellschaft, OHG, KG und Partnerschaftsgesellschaft, im Verhältnis zur Gesellschaft und untereinander durch Treuepflichten verbunden sind. Derartige Treuepflichten sind auf die Wahrung der Interessen der Gesellschaft und auf die Rücksichtnahme auf die Interessen der übrigen Gesellschafter gerichtet.[39] Die gesellschafterliche Treuepflichtgeht über die in jedem Rechtsverhältnis bestehenden allgemeinen Loyalitätspflichten nach § 242 BGB deutlich hinaus. Sie besteht in einer allgemeinen Förder- und Interessenwahrungspflicht, die sich zu konkreten Pflichten, etwa einer Zustimmungspflicht zu bestimmten Geschäften verdichten kann. Ihre Grundlage findet sie im Gesellschaftsvertrag i.V.m. §§ 705 Abs.1, 242 BGB.
Mit der Gründung oder dem Beitritt zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts übernehmen die Gesellschafter die gemeinsame Verpflichtung, ihr Handeln an dem von der Gesellschaft verfolgten Zweck auszurichten und seine Verwirklichung zu fördern.[40] Diese gesellschaftsrechtliche Treuepflicht ist eine Nebenpflicht der Gesellschafter, die gegenüber der Gesellschaft die Pflicht einschließt, deren Interessen zu wahren und gesellschaftsschädliche Handlungen zu unterlassen.[41] Die Gesellschafter sind also neben ihrer konkreten Beitragspflicht auch ganz allgemein gehalten, die Verwirklichung des gemeinsamen Zwecks nicht zu hintertreiben und die Belange der Gesellschaft und auch die ihrer Mitgesellschafter zu berücksichtigen[42].
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Die Intensität der Treuepflicht ist unterschiedlich je nachdem, ob es um die Ausübung eigennütziger oder uneigennütziger Rechte geht. Zu den uneigennützigen Rechten werden vor allem die Geschäftsführungsangelegenheiten gezählt. Für sie ist die „ausnahmslose Bevorzugung des Verbandsinteresses“ zu verlangen, weil die Geschäftsführung der unmittelbaren Durchführung des gemeinsamen Zwecks dient. Der Gesellschafter hat gerade in Geschäftsführungsangelegenheiten die eigenen Interessen strikt hinter das Gesellschaftsinteresse zurückzustellen. Treuepflichtig sind daher vor allem, aber nicht nur, die die Geschäfte führenden Gesellschafter[43].
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Hingegen kann eine vergleichbare Rücksichtnahme nicht gefordert werden, wenn es etwa um die Gewinnverwendungsbeschlüsse, Gesellschaftsvertragsänderungen oder die Auflösung der Gesellschaft geht. Bei diesen sog. Sozialaktensteht der gemeinsame Zweck und seine Reichweite gerade zur Abstimmung, und hier kann man die Gesellschafter gerade nicht mehr per Treupflicht an diesen Zweck zurückbinden, da der gemeinsame Zweck sonst nicht mehr freiwillig wäre und damit aus einer Gesellschaft ein Zwangsverband oder eine Anstalt würde. Soweit die Ausübung eigennütziger, den Gesellschaftern im eigenen Interesse verliehener Gesellschafterrechte in Frage steht, hat die Treuepflicht aber noch eine Schrankenfunktion. Sie verpflichtet den Gesellschafter zur Wahl des schonendsten Mittels bei der Verfolgung seiner Interessen. Daraus können sich Unterlassungspflichten, wie z.B. Wettbewerbsverbote, aber von Fall zu Fall auch Pflichten zu aktivem Tun, wie z.B. ausnahmsweise zur Vertragsanpassung, ergeben.
Beispiel:
A, B, C und D haben sich zu einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts zusammengeschlossen, die auf dem Grundstück der X-GmbH die „Rathausgalerie“, ein Einkaufszentrum, errichten und auch für die Vermietung der zu schaffenden Ladenlokale sorgen soll. C und D gründen ohne Wissen der übrigen Gesellschafter eine weitere BGB-Gesellschaft, die „M-GbR“, zu dem Zweck, Marketing für die Rathausgalerie zu betreiben. Für die gelungene Anwerbung von Mietern verlangt die „M-GbR“ von diesen eine „Verwaltungsgebühr“ von 5 % pro vermieteten Quadratmeter Ladenfläche. Mit diesem Verhalten haben C und D gegenüber der ABCD-Altgesellschaft und gegenüber deren Gesellschaftern gegen die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht verstoßen. Die Treuepflicht gebot es C und D, die Mitgesellschafter A und B über solche Vorgänge vollständig zu informieren, die deren mitgliedschaftliche Vermögensinteressen berühren. Darüber hinaus waren sie kraft der Treuepflicht gehalten, die Interessen der Gesellschaft zu wahren und ihre eigenen Belange zurückzustellen. Dazu gehört im konkreten Fall, dass C und D Geschäftschancen auf dem Betätigungsfeld der Altgesellschaft nicht für sich und zum eigenen Vorteil, sondern zu Gunsten der Gesellschaft nutzen mussten.[44] Wegen Verletzung der Treuepflichten haben die Altgesellschaft und A und B einen Anspruch auf Unterlassung der Marketingaktivitäten und im Zweifel auch einen Schadensersatzanspruch aus § 280 BGB gegen C und D, gerichtet auf die ihnen entgangenen „Verwaltungsgebühren“.
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