»Wie — wie — meint Ihr — meinen Eure Herrlichkeit das?«
»Muß Euch das wirklich erklärt werden? Wir könnten Euch die Abrechnungen aus Bihar zeigen. Sie sprechen eine deutliche Sprache.«
»Aber — aber — ich habe doch stets die Tribute pünktlich übersandt, wenn sie pünktlich entrichtet wurden.«
»Sehr richtig, nur habt Ihr eine etwas hohe Provision für Euch eingestrichen, eine etwas sehr hohe Provision.«
»Das — ist — wie meint —«
»Ach, Mann, redet Euch nicht heraus. Glaubtet Ihr vielleicht, unser einziger Agent in Bihar zu sein? — Wir wissen, daß der Radscha bis auf den letzten Tribut stets hunderttausend Rupien entrichtet hat. Wie stellt Ihr Euch dazu?«
Fox war in dem großen Sessel zusammengerutscht wie ein mißratener Kuchenteig. Sein Atem ging pfeifend. Das also war das Ende, nachdem er der Kompanie ein Fürstentum gewinnen half, das Millionen Rupien wert war.
»Wir sehen, daß Ihr wenigstens nicht zu leugnen versucht. Es gibt nur einen Weg, wie Ihr die Dinge wiedergutmachen könnt.«
Fox blickte auf. Ein Hoffnungsschimmer zeigte sich auf seiner Stirn. Hastings fuhr fort:
»Ihr gebt das, was Ihr unterschlagen habt, wieder heraus, soweit es noch vorhanden ist. Auf welcher Bank habt Ihr es deponiert?«
»Auf der Indian-European-Bank«, entfuhr es Fox.
Hastings notierte. Er holte einen Bogen Papier aus dem Schreibtisch und forderte Fox auf, eine Vollmacht dafür auszustellen.
Fox tat es wie im Traum. Da gingen sie hin, die Reichtümer, die ihm in England ein angenehmes Leben gewährleisten sollten . . . Hastings war befriedigt.
»Well«, sagte er, »wir werden Euch straffrei ausgehen lassen und Euch noch tausend Pfund bewilligen.«
Fox richtete sich auf. Tausend Pfund waren nicht schlecht. Und dann bestand ja im indischen Dienst immer die Möglichkeit, wieder etwas dazu zu verdienen.
»Tausend Pfund«, fuhr Hastings fort, »und eine Freipassage nach England. Das ist alles. Ihr könnt gehen.«
Fox starrte ihn mit ungläubigen Augen an. »Tausend Pfund, und ich soll nach Hause?«
»Ja, Mann. Geht jetzt! Überlegt Euch in Zukunft Eure Gaunereien vorher. Wir könnten Euch auch verhaften lassen; aber wir sind großzügig.«
Fox wankte hinaus. Er war fertig. Das wußte er. Die tausend Pfund waren in Indien gut angelegtes Kapital. Aber in England? Sie würden, wenn er sehr sparsam lebte, zwei Jahre reichen. Er würde hinzuverdienen müssen, um weiterzuleben. Aber was sollte er tun? In Indien war das Verdienen leicht. In England bedeutete es schweres Schuften, wenn man nichts Besonderes gelernt hatte. Und Fox konnte nichts Vernünftiges.
Wie ein gebrochener Greis wankte er, auf das bronzene Geländer gestützt, die Treppe hinunter und stolperte auf die Straße hinaus. Er war nur noch erfüllt von Haß gegen die Kompanie und ihren obersten Exponenten, Sir Warren Hastings.
Nach Jahren erst, nämlich am 13. Februar 1788, sollte er eine kleine Genugtuung erlangen, als Hastings gestürzt wurde und sich vor dem Parlament verantworten mußte -wegen zahlreicher Delikte wie Bestechung, Ämterverkauf, Mißhandlung von Indern, Schändung des englischen Namens, Ausbeutung der Eingeborenen usw. An jenem 13. Februar 1788, als der Prozeß gegen Hastings eröffnet wurde, saß ein heruntergekommenes Individuum auf der Tribüne des Unterhauses und grinste schadenfroh vor sich hin. Es war Stanley Fox.
Acht Tage nach dem denkwürdigen Empfang des Mr. Fox durch Sir Warren Hastings hielt ein abgehetzter Reiter in Bihar vor dem Hause Lord Hawburys sein Pferd an. Es war schaumbedeckt vom anstrengenden Ritt. Sein Atem ging rasselnd. Der Reiter, ein junger Offizier aus Kalkutta, saß ab und taumelte ein wenig. Dann riß er sich zusammen und trat ins Haus. Lord Hawbury begrüßte ihn freudig. Jede Nachricht aus Kalkutta war ja letzten Endes ein Stück aus einer anderen Welt, aus seiner Welt. Kalkutta ersetzte in diesem weiten Land dem Engländer sozusagen London.
»Weshalb so eilig, junger Mann?« fragte Hawbury. »Brennt es schon wieder irgendwo?« Der Leutnant lächelte.
»Noch nicht, Sir; aber wenn es anfängt, so solltet Ihr vorbereitet sein. Ich brach zusammen mit dem 2. Sipoy-Regiment von Kalkutta auf, ritt aber schneller. Seine Herrlichkeit wollte es so. Hier ist ein Brief von ihm.«
Hawbury nahm das Schreiben zur Hand, stellte aber, bevor er es öffnete, eine erstaunte Frage: »Ihr sagt, Ihr seid mit dem 2. Regiment zusammen aufgebrochen? Wo soll das Regiment denn hin? Sind irgendwo Unruhen ausgebrochen?«
Der junge Leutnant fühlte sich mit seinem Wissen um das, was in Kalkutta seit Tagen schon die Spatzen von den Dächern pfiffen, dem alten General unendlich überlegen.
»Lest nur, Sir. Ich glaube, Ihr werdet alle Antwort in dem Brief finden.«
Hawbury war von dem überheblichen Ton der Ant-wort unangenehm berührt. Hatten diese jungen Schnösel keinen Respekt mehr vor einem alten General Seiner Majestät?
Er verzichtete auf die Zurechtweisung, die ihm auf den Lippen lag, und erbrach das Siegel.
Dear Sir!
In Anbetracht der gespannten Lage, die der Tod des Radscha von Bihar hervorgerufen hat, senden wir Euch dieses Handschreiben und bitten pfleglich um genaue Beachtung desselben. Mr. Stanley Fox brachte uns, Eurer Weisung gemäß, die Kunde von dem unglücklichen Ausgang der Verhinderung der Adoption. Wirdanken Euch, daß Eure Umsicht und Euer Verantwortungsbewußtsein so groß waren, daß Ihr uns gleich den Mörder des Radscha zur Aburteilung mitschicken konntet. Seine Gnaden, der Oberrichter von Kalkutta, Sir Elijah Impey, haben es für rechtens befunden, den Mörder Seiner Hoheit des Radscha von Bihar zum Tode durch den Strang zu verurteilen. Wir bitten Euch, Lord Hawbury, den jungen Radscha davon in Kenntnis zu setzen und ihn unseres Wohlwollens zu versichern. Da wir erfahren haben, daß in Bihar Unruhen ausgebrochen sind, haben wir uns entschlossen, unseren Verpflichtungen, die sich aus dem Vertrag mit dem Radscha für uns ergeben, nachzukommen. Wir schicken das 2.Sipoy-Regiment zuPferde,bei dem sich auch Euer Sohn befindet — ein tüchtiger Offizier übrigens — zur Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung von Ruhe und Ordnung und zum Schutz des jungen Radscha nach Bihar. Bitte, gebt Seiner Hoheit Nachricht hiervon und sagt ihm, daß er daraus ersehen könne, wie wir unsere Verträge erfüllen, obwohl der Tribut des letzten Quartals noch immer aussteht.
In der Hoffnung, daß Ihr weiterhin Eure Aufgaben so hervorragend lösen werdet wie bisher, verbleiben wir mit stetem Wohlwollen
Sir Warren Hastings
Generalgouverneur von Bengalen und den Indischen Provinzen.
General Hawbury ließ das Schreiben langsam sinken. Seine hellen, blauen Augen blickten durch den vor ihm stehenden Leutnant hindurch. Sie sahen nicht das wissende Lächeln in dessen Gesicht. Oder sie wollten es nicht sehen.
Der Leutnant wartete offensichtlich auf weitere Fragen, die er gern beantworten wollte. Es drängte ihn förmlich danach, seine Weisheiten von sich zu geben.
Aber Lord Hawbury machte nur eine entlassende Handbewegung. Er brachte es sogar fertig, ein Lächeln auf seine Züge zu zwingen.
»Ich danke Euch, Leutnant, seht zu, daß Ihr es Euch im Hause bequem macht. In der Küche werdet Ihr etwas zu essen finden. Vielleicht trefft Ihr auch meine alte Aufwärterin an. Sie kommt stundenweise, um mir im Haushalt zu helfen.« Der Leutnant riß die Augen auf.
»Habt Ihr denn keinen Burschen, keinen Diener, kein festes Personal, Sir?« fragte er unhöflicherweise.
»Nein. Mein alter Diener ist in Kalkutta geblieben. Ich wollte ihm nicht zumuten, die Zivilisation gegen das hier einzutauschen. Ich bin außerdem nicht so alt, daß ich mir nicht selber helfen könnte. Wir sind zu dritt. Und meine beiden Freunde gehen mir zur Hand, wenn sie Zeit haben.«
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