Anne Düpjohann - Felix, der Erbe des Herrschers

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Felix wacht eines Morgens auf und um ihn herum ist es totenstill. Nach dem ersten Schock glaubt er an einem Hörsturz und macht sich auf dem Weg zum Arzt. Auf dem Weg dorthin fällt ihm auf, dass sich etwas verändert hat. Es ist auffällig ruhig auf den Straßen. Die Leute eilen mit verbissenen Gesichtern an ihm vorbei. Da er als junger Journalist in einer kleinen Redaktion arbeitet, ist Neugierde bei ihm ein berufliches Muss und so nimmt er sich vor, den Grund für die seltsamen Geschehnisse herauszufinden.
Doch das gestaltet sich als äußerst schwierig, denn Chaos und Gewalt beherrschen immer mehr den Alltag. So ist es für ihn ein Trost und gleichzeitig eine Freude, als er seiner sympathischen Nachbarin Anja durch die seltsame Taubheit näherkommt und mit ihr die auf sie zukommenden Herausforderungen meistern kann.

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Anne Düpjohann

Felix, der Erbe des Herrschers

Roman

Inhaltsverzeichnis

Kapitel I

Kapitel II

Kapitel III

Kapitel IV

Kapitel V

Kapitel VI

Kapitel VII

Kapitel VIII

Kapitel VIV

Kapitel I

Ich sah auf meinen Wecker. Es war schon nach sieben Uhr! Mit Erschrecken stellte ich fest, dass er geläutet haben musste. Ich schüttelte verwundert meinen Kopf, denn normalerweise hörte ich ihn immer. Ich musste ziemlich fest geschlafen haben.

Rasch stand ich auf und ging ins Bad, komischerweise vernahm ich jedoch keinen Laut. Was war bloß los? Ich hörte weder das Rauschen der Klospülung noch das des Wasserhahnes.

War ich über Nacht taub geworden?

Ich schaute mein Spiegelbild an:

„Na Felix, du Schlafmütze, ich denke wir müssen heute den Turbo anwerfen, damit wir pünktlich zur Arbeit kommen!“, sprach ich es an, doch ich hörte nichts. Ich sah nur, wie sich meine Lippen bewegten.

Panik breitete sich so langsam in meinem Körper aus, mein Herz pochte vor Aufregung doppelt so schnell. Angst kroch bedrohlich durch meine Adern.

Ich versuchte mich zu beruhigen, doch das war nicht so leicht. Verzweifelt schüttelte ich meinen Kopf und fasste mich an die Ohren. Nichts - kein Geräusch! Totenstille!

Aber - es half jetzt auch nicht, sich verrückt zu machen. Es war sicherlich sinnvoller, mein Problem sachlich anzugehen. Vielleicht hatte ich über Nacht einen Hörsturz bekommen?

In einer Zeitschrift las ich vor einiger Zeit, dass es normalerweise keine bleibenden Schäden geben würde, wenn man ihn sofort behandelte. Ich beschloss, einen Arzt aufzusuchen.

Eilig aß ich eine Kleinigkeit und überlegte mir währenddessen, statt eines Facharztes zuerst meinen Hausarzt aufzusuchen, da er nur zehn Gehminuten von mir entfernt seine Praxis hatte. Außerdem war er der Vater meines besten Freundes. Vielleicht konnte er mir ja schon helfen, dann sparte ich mir den Gang zum Spezialisten.

Es war ein komisches Gefühl, als ich aus dem Haus trat und um mich herum totale Stille herrschte.

Immer wieder presste ich meine Handflächen auf meine Ohren, in der Hoffnung einen Druck aufzubauen, der meine Ohren dann veranlasste, ihren Dienst wieder aufzunehmen. Leider blieb mein Unterfangen ohne jeglichen Erfolg.

Auf dem Weg zum Arzt fiel mir auf, dass es auf der Straße sehr ruhig war. Genau genommen hatte ich überhaupt noch keine Autos auf den Straßen fahren sehen. Das war schon recht merkwürdig. Auch wenn unser Bürgermeister keine Mühen gescheut hatte, den Verkehr zu minimieren und durch sehr moderate Preise der öffentlichen Verkehrsmittel die Nutzung attraktiv zu gestalten, gab es natürlich immer noch genügend Gründe, das Auto zu nutzen.

Doch schnell trieben mich meine Gedanken wieder zu meinen streikenden Ohren.

Ich konnte mich nicht erinnern, in der letzten Zeit übermäßigen Stress ausgesetzt gewesen zu sein. Ich zerbrach mir den Kopf, aber mir fiel keine plausible Erklärung für meine Taubheit ein.

So in Gedanken versunken, erreichte ich die Praxis meines Hausarztes.

Eine Menschentraube stand vor der Tür. Jedoch herrschte eine Unruhe in der Menge, denn während sich ein Teil der Leute zur Tür drängten, schälte sich der andere Teil wieder aus der Masse hervor. Geschickt manövrierte ich mich durch sie hindurch, um die Tür zu erreichen. Empörte Blicke begleiteten mich, doch ich ignorierte sie. Da ich nicht gerade der Kleinste war, gelang es mir, über die Vordersten hinwegzusehen und erspähte einen handgeschriebenen Zettel, der an der Eingangstür befestigt war:

Wegen Krankheit geschlossen!

„Na super! Das fehlt mir gerade noch!“, dachte ich frustriert.

Auf den Gesichtern der anderen Leute spiegelte sich ebenfalls Ratlosigkeit wider.

„Müssen wir wohl zu einem anderen Arzt gehen“ sagte ich laut.

Doch die Umstehenden schauten mich nur verständnislos an. Zwar konnte ich mich nicht hören, ging aber davon aus, dass ich laut und deutlich gesprochen hatte.

„Oh man“, dachte ich. „Die Woche fängt ja gut an.“

Aber, egal, sollten sie doch denken, was sie wollen. Ich musste jetzt erst einmal sehen, dass ich einen Arzt fand, der meine Ohren untersuchte. Gott sei Dank war der nächste praktische Arzt auch nicht weit entfernt. Doch als ich mich der Praxis näherte, bot sich mir dasselbe Bild wie zuvor: Eine Menschenmenge stand unschlüssig vor der Tür.

„Ups“, dachte ich, „ der hat heute viel zu tun.“

Ich schaute in ratlose Gesichter. Während etliche Leute hilflos umherschauten und einfach nur dastanden, kamen andere mir schon wieder entgegen, sodass ich mir wieder den Weg zur Eingangstür bahnen musste. Als ich sie erreichte, war meine Überraschung groß, als ich auch hier ein Schild vorfand mit dem Text:

Wegen Krankheit geschlossen!

„Mein Gott, was ist denn heute bloß los“, fragte ich mich. Ich beschloss, nach Hause zurückzukehren und zum nächsten Krankenhaus zu fahren.

Ich überlegte, dass ich verrückt wäre, wenn ich das Auto in meinem Zustand nutzen würde!

Allerdings konnte ich es nicht lassen, mich trotzdem hineinzusetzen, um es zu starten.

„Wie startet man ein Auto, ohne zu hören, ob es läuft? Na ja, es vibriert, dass werde ich merken“, dachte ich und drehte den Zündschlüssel um. Doch ich spürte keinerlei Vibration. Ich war mir aber ziemlich sicher, dass mein Auto vollkommen intakt war.

Ich stieg aus und legte meine Hand auf die Motorhaube. Keinerlei Erschütterungen. Nichts zu spüren, überhaupt nichts! Das Auto war stumm.

Ich zog den Zündschlüssel wieder ab und tröstete mich mit dem Gedanken, dass ich es wahrscheinlich sowieso nicht genutzt hätte, da es viel zu gefährlich war, sich taub mit einem Auto in den Straßenverkehr zu stürzen. Wenn man es gewohnt war, würde es vielleicht gehen. Man müsste sich sicherlich mehr konzentrieren, aber dazu grübelte ich im Moment zu sehr darüber nach, woher die Ursache für meine Taubheit kam.

So beschloss ich, bei meiner Nachbarin zu klingeln, um sie um Hilfe zu bitten. Aber niemand öffnete die Tür. Also versuchte ich es bei dem Nächsten. Doch auch dort machte keiner die Tür auf. Wahrscheinlich waren gerade heute alle extrem fleißig und früh zur Arbeit gefahren.

Gefahren?

Ich hatte doch überhaupt noch kein Auto auf der Straße fahren gesehen. Merkwürdig!

Ich holte mein Fahrrad aus dem Keller, stieg seufzend aufs Rad und machte mich auf dem Weg zum nächsten Krankenhaus, das jedoch einige Kilometer entfernt war. Zum Glück zeigte sich der Mai in diesem Jahr von seiner besten Seite und die Sonne strahlte schon frühmorgens aufmunternd auf mich herunter, sodass man das Ganze unter einem sportlichen Aspekt betrachten konnte.

Ich fuhr eigentlich gerne Rad und wenn es nicht gerade wie aus Eimern schüttete, radelte ich oft zur Arbeit. Bei schönem Wetter unternahm ich ausgedehnte Radtouren, zurzeit leider meistens alleine, da mein bester Freund, Aaron, vor einem Jahr aus beruflichen Gründen nach Süddeutschland ziehen musste. Seine Eltern waren damals nicht besonders begeistert gewesen, dass er sich nicht in der Nähe einen Job als Informatiker gesucht hatte, aber letztendlich mussten sie sich damit abfinden. Genauso wie meine Eltern akzeptieren mussten, dass ich sie nicht in die USA begleiten wollte.

Aber Dank der heutigen Vielfalt der Kommunikationsmittel stand ich immer noch in regem Kontakt mit ihm. Das Gleiche galt natürlich auch für meine Eltern.

Ich beschloss, zur Sicherheit auf dem Bürgersteig zu fahren. Da sah ich, wie mir meine Nachbarin Anja tränenüberströmt entgegenkam.

Anja war erst vor einem halben Jahr in die Wohnung gegenüber eingezogen. Sie war schlank und hatte eine sportliche Figur. Ihre dunklen Haare umspielten ihr hübsches, wenn auch verweintes Gesicht. Ich schätzte sie auf Anfang zwanzig. Also ungefähr mein Alter, denn ich war fünfundzwanzig. Allerdings hatten wir bislang noch keine Gelegenheit gehabt, uns richtig kennen zu lernen. Sie hatte sich kurz nach ihrem Einzug vorgestellt, als wir uns im Treppenhaus zufällig begegneten. Wir hatten zwar beschlossen, uns mal auf ein Bierchen zu treffen, aber wie das so ist, es fehlte einfach die Zeit.

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