Günther Thömmes - Das Erbe des Bierzauberers

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Fünf weite Bierreisen durch das Heilige Römische Reich, vier ermordete Bierbrauer, drei mächtige Herzöge und zwei Habsburger-Kaiser liegen auf dem Weg zu einem Gesetz, das die Jahrhunderte überdauern sollte: das Reinheitsgebot für Bier.
Auf seiner Reise durch die wichtigsten Bierstädte des 15. Jahrhunderts ist der „Kaiserliche Bierkieser“ Georg den Geheimnissen seiner Zeit auf der Spur: Was bedeutet Kaiser Friedrichs mystisches Rätsel AEIOU? Gab es bereits im Mittelalter bewusstseinserweiternde Drogen? Und wer hat die Brauer aus vier verschiedenen Städten ermordet?
Ein epochaler Mittelalter-Krimi um Habsburger, Wittelsbacher und das liebe Bier.

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Günther Thömmes

Das Erbe des Bierzauberers

Historischer Kriminalroman

Impressum

Weitere Informationen rund ums Bier

und den ›Bierzauberer‹ gibt es unter

www.bierzauberer.info

E-mail: gthoemmes@bierzauberer.info

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Alle Rechte vorbehalten

6. Auflage 2020

Lektorat: Claudia Senghaas, Kirchardt

Herstellung: Katja Ernst

E-Book: Mirjam Hecht

Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart

unter Verwendung des Bildes »Die Kreuztragung Christi« (Detail)

von Hieronymus Bosch, Quelle: www.zeno.org

ISBN 978-3-8392-3422-8

Widmung

Für meine kleine Familie: Alexandra & Linus.

Danke, dass es Euch gibt!

Zitat

»Mögen andere Nationen sauren Wein trinken,

Du, glückliches Deutschland, trinke Bier!

Denn was die Traube den anderen,

gibt Dir das göttliche Korn!«

Trinkspruch, häufig irrtümlich dem Hause Habsburg zugesprochen

PROLOG: MATTHIAS – DER ERSTE BIERPOLIZIST

Sabotage Die beiden unrasierten dreckigen Männer saßen bereits seit Stunden - фото 1

Sabotage

Die beiden unrasierten, dreckigen Männer saßen bereits seit Stunden im Gestrüpp und warteten. Es war einer der ersten halbwegs warmen Tage des Jahres 1433. Der vergangene Winter in Thüringen war ungewöhnlich mild gewesen, der wenige Schnee schon lange geschmolzen. Ein Karren nach dem anderen war an ihnen vorbeigezogen, nun sahen sie von Weitem noch einige Pilger näher kommen. Es dämmerte langsam, spätestens bei Anbruch der Dunkelheit sollten die Wege normalerweise menschenleer sein.

Die Dornen der Zweige stachen, ihre Lage war alles andere als bequem. Von Stechmücken zerstochen – so nah am Wasser war eine förmliche Einladung für die kleinen Blutsauger nicht weiter nötig gewesen –, kratzten beide sich bereits die nackten Unterarme blutig. Sie waren mittlerweile hungrig und durstig, doch hatten nichts mitgebracht, um dem abzuhelfen.

Der Ältere und Kräftigere der beiden hielt sich noch ein letztes Mal den rechten Zeigefinger warnend vor den Mund, um seinen erheblich jüngeren Kumpanen, der im Allgemeinen für etwas blöde gehalten wurde, am Plappern zu hindern. Dem hingen die langen, verfilzten Haare über die buschigen Augenbrauen und behinderten seine Sicht, sodass er sie wie lästige Insekten beiseitewischte.

Schließlich war es so weit. Das lange Warten sollte sich endlich auszahlen.

Die beiden Männer kletterten aus dem Versteck hinaus, das vom Weg aus nicht einsehbar gewesen war, und gingen zu der Stelle, wo der kleine Bach in den größeren einmündete.

Der Mann, der offensichtlich der Anführer war, zeigte auf das kleine Flüsschen, das im Moment nur ein Rinnsal war.

»Da kommt immer der ganze Dreck aus dem Dorf, den Ställen und den Kloaken runter, wenn sie den Bach weiter oben aufstauen und umleiten. Morgen oder übermorgen wird es wieder geschehen. Los, an die Arbeit!«

Beide sammelten schnell einen großen Haufen Äste ein und legten sie geschickt über den größeren Bach, der sich kurz hinter der Einmündung verengte und dort leicht zu stauen war.

Mit einigen größeren Hölzern und Steinen wurde das Werk befestigt.

Beide standen vor ihrem Damm aus Ästen und schauten zufrieden drein.

Der Blödmann kicherte.

»Soll ich den Anfang machen und schon mal draufstrullen?«

Der andere Mann lachte. »Nein, das wäre ja nur der halbe Spaß.«

Er stellte sich drei Schritte vor den Damm, ließ die Hosen runter und schiss erst einmal kräftig in den Bach. Seine Notdurft wurde sofort vom Wasser weggeschwemmt und landete in den aufgestapelten Ästen.

Er zog sich die durchnässte, matschige Hose wieder hoch und grunzte vor Behagen, während er sie mit einem Hanfseil zuband.

»So weit, so gut. Es klappt anscheinend, wie wir uns das vorstellen. Los, lass uns verschwinden, bevor wir gesehen werden.«

Unauffällig, als könnten sie kein Wässerchen trüben, gingen die beiden ihres Weges.

Der Kräftigere, mittlerweile entspannt lächelnd, gab seinem debilen Kompagnon noch einen freundschaftlichen Stoß mit dem Ellenbogen in die Seite.

»Das war leicht verdientes Geld«, bemerkte er dazu.

Der Idiot grinste vor sich hin.

Vier Tage später

Es stank.

Es stank zum Himmel.

Es stank zum Gotterbarmen.

Sogar für mittelalterliche Verhältnisse.

Der groß gewachsene, kahlköpfige Brauherr Paul in seiner Arbeitskleidung – ledernes Wams mit leichtem Pelzbesatz, eine enge Leinenhose, die in hohen Lederstiefeln steckte, sowie eine barrettartige Kopfbedeckung – und der dicke Matthias, seines Zeichens Büttel des Fürsten Friedrich des Friedfertigen, des Landgrafen von Thüringen, standen am Ufer des aufgestauten Bachs, der normalerweise in die Unstrut abfloss, mittlerweile aber eher einem kleinen See glich.

Beide hatten das Gefühl, mitten in einer Kloake zu stehen.

»Wer hat das aufgestaut?«

Paul, ansonsten eher die Ruhe selbst, war außer sich vor Zorn.

»Sieht mir nach einer Biberburg aus«, entgegnete Matthias, sah auf zu dem mehr als einen Kopf größeren Brauer und hielt beide Hände vor dem gewaltigen Körperteil verschränkt, dem er seinen Beinamen ›der Dicke‹ verdankte und der in ein Wams gepackt war, welches es jederzeit zu sprengen drohte. In Pauls braunen Augen, die sein kahler Schädel umso größer erscheinen ließ, las er dagegen alles andere als Zustimmung zu dieser banalen Feststellung.

»Eine Biberburg aus Baumästen und aufgestauter Scheiße?« Pauls Stimme drehte vor Empörung ins Falsett. »Nein, das ist Menschenwerk. Die Biber wissen schon, was sie uns als Fastenspeise schuldig sind, und suhlen sich nicht in unserem Kot. Diesen Damm hat jemand mit Absicht errichtet, damit ich kein sauberes Wasser zum Bierbrauen habe.«

»Wieso bist du so sicher?«

Der Büttel blieb ruhig, konnte er doch Pauls Folgerung nicht unbedingt nachvollziehen.

Paul fuchtelte mit seinen langen Armen unbestimmt in der Luft herum.

»Ich kann es schwerlich beweisen, aber mein Gefühl hat mich noch selten getäuscht.«

Matthias versuchte vergeblich, Paul zu beruhigen.

»Wer auch immer Schuld hat an dieser Schweinerei, das Gerede bringt uns nicht weiter. Was willst du jetzt tun?«

Er dachte auch als Erster wieder praktisch.

»Das Bier für unsere Markttage kann ich natürlich vergessen«, erwiderte der wütende Braumeister.

»Und den Zehnten deines Herrn dafür auch«, setzte er gleich noch eins drauf. »Aber er trägt seinen Spitznamen ›Der Einfältige‹ ja nicht zu Unrecht, also wird er es wahrscheinlich gar nicht bemerken.«

Der Ordnungshüter schaute erst böse drein, als sein Herr beleidigt wurde, er war desgleichen jedoch schon gewohnt, und so trug er es mit Fassung.

»Das bedeutet also nichts anderes, als dass wir das Bier wieder einmal aus Nordhausen heranfahren müssen. Wir machen uns langsam zum Gespött des Landes. Seit 150 Jahren haben wir eine Bierbannmeile, um zu verhindern, dass jemand im Umkreis von einer Meile rund um Weißensee Bier verkauft oder ausschenkt, außer wenn es von dir stammt.«

Die Erwähnung der Bierbannmeile brachte Pauls Gestik wieder auf Touren, seine Arme rotierten wie Windmühlenflügel.

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