Bibliografische Information der Deutschen Bibliothek
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Michael Meyen
Das Erbe sind wir .
Warum die DDR-Journalistik zu früh beerdigt wurde. Meine Geschichte
Köln: Halem, 2020
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© 2020 by Herbert von Halem Verlag, Köln
ISBN (Print) |
978-3-86962-570-6 |
ISBN (PDF) |
978-3-86962-571-3 |
ISBN (ePub) |
978-3-86962-576-8 |
Den Herbert von Halem Verlag erreichen Sie auch im
Internet unter http://www.halem-verlag.deE-Mail: info@halem-verlag.de
SATZ: Herbert von Halem Verlag
LEKTORAT: Julian Pitten
DRUCK: docupoint GmbH, Magdeburg
UMSCHLAGFOTO: Armin Kühne; @ Universitätsarchiv Leipzig
GESTALTUNG: Bruno Dias, Porto (Portugal)
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Michael Meyen
Warum die DDR-Journalistik zu früh beerdigt wurde.
Meine Geschichte
Für alle, die mir ihre Geschichte geschenkt haben.
Für Antje, meinen Bruder Andreas und meine Eltern Christa und Hans-Peter, ohne die es diese Geschichte nicht geben würde.
Für Juliane, Ferdinand und Josefine, die hoffentlich die Chance bekommen, ihre eigene Geschichte zu schreiben.
MICHAEL MEYEN, Prof. Dr., Jahrgang 1967, studierte an der Sektion Journalistik und hat dann in Leipzig alle akademischen Stationen durchlaufen: Diplom (1992), Promotion (1995), Habilitation (2001). Parallel arbeitete er als Journalist (MDR info, Leipziger Volkszeitung, Freie Presse ). Seit 2002 ist Meyen Professor am Institut für Kommunikationswissenschaft und Medienforschung der LMU München. Seine Forschungsschwerpunkte sind Medienrealitäten, Kommunikations- und Fachgeschichte sowie Journalismus.
1.WAS NACH REDAKTIONSSCHLUSS PASSIERT IST
2.WARUM DAS FASS NOCH EINMAL AUFGEMACHT WERDEN MUSS
3.WIE ICH GESCHICHTE SCHREIBEN WILL
4.WARUM DIE VERGANGENHEIT NICHT VERGEHT
Ein Podium, in dem alles drin ist – sogar die Ostsee-Zeitung
5.WIE ICH PARTEIJOURNALIST WERDEN WOLLTE
Ein sehr persönliches Kapitel, das von Rügen über einen T-34 in den Leipziger Herbst führt
6.WO BRIGITTE KLUMP STUDIERT HAT
Eine Reise in die 1950er-Jahre, vermittelt von Ingeborg Schmidt
7.WIE DIE LEIPZIGER JOURNALISTIK DER NABEL DER WELT WERDEN KONNTE
Eine kurze Geschichte der Kommunikationswissenschaft
8.WIE ILSE, NIKOLAI UND TILO ZU IHREM DIPLOM GEKOMMEN SIND
Drei Studentenleben, stellvertretend für mehr als 5000 andere
9.WAS EIN WESTDEUTSCHER PASTORENSOHN AUS DEM ›ROTEN KLOSTER‹ GEMACHT HAT
Ein Ost-West-Seminar, Studenten auf der Suche und ein Minister, der mit sich reden ließ
10.WAS DER ABRISS DER LEIPZIGER JOURNALISTIK MIT DER KRISE DER GEGENWART ZU TUN HAT
Eine Erbengeneration, die ihren größten Schatz nicht zeigen kann
PERSONENREGISTER
1.WAS NACH REDAKTIONSSCHLUSS PASSIERT IST
Ein Buch, das den Untertitel Meine Geschichte trägt, kann den Angriff nicht auslassen, der Ende Mai 2020 auf Twitter begann und nach einem tendenziösen Bericht in der Süddeutschen Zeitung unter anderem dazu führte, dass ich meine Position als Co-Sprecher des bayerischen Forschungsverbundes »Zukunft der Demokratie« aufgegeben und meinen Blog Medienrealität eingestellt habe. 1
Auf den ersten Blick hat dieser Angriff nichts mit diesem Buch zu tun. Ich schreibe hier über die Journalistenausbildung in der DDR – über ein Thema, das ich in die Fachgeschichte der Kommunikationswissenschaft einbette und als Beispiel sehe für den Umgang mit dem Erbe der DDR. Um das zuzuspitzen: Dieses Erbe wird ignoriert. Zu diesem Erbe gehören die Erfahrungen des Scheiterns, die Debatten, die dem Scheitern im langen 89er Herbst folgten, und die Ideen, die dort produziert wurden. Egal ob an runden Tischen, auf Vollversammlungen oder in den vielen kleinen Foren, die diese Zeit für alle unvergesslich machen: Es ging um die Fragen, die uns immer noch beschäftigen. Wie wollen wir zusammenleben? Wie schaffen wir es, dass alle mitsprechen können, wenn es um ihr eigenes Leben geht? 2Wie schaffen wir es vor allem, dass auch unsere Urenkel noch darüber streiten können? Was heute die Welt bedroht, in der sich viele gemütlich eingerichtet haben, stand schon vor 30 Jahren auf der Tagesordnung.
Die Antworten von damals sind verschluckt worden von einer Vereinigungsmaschine, die nur einen kleinen Teil der Ostdeutschen brauchte, um genauso weitermachen zu können wie vorher – die Opposition und die Reste der bürgerlichen Milieus, denen Uwe Tellkamp in seinem Roman Der Turm ein Denkmal gesetzt hat. 3Man muss nur diesen Roman lesen, um zu verstehen, warum Ärzten, Künstlern, Ingenieuren, Kirchenleuten der Übergang von einer staatlichen Werteordnung in die andere längst nicht so schwer fiel wie den Kommunisten oder den vielen Aufsteigern, die die DDR getragen haben 4und denen ich mich schon deshalb verbunden fühle, weil ich wahrscheinlich einer von ihnen geworden wäre.
Das Erbe sind wir : Dieser Titel meint nicht nur Menschen wie mich, sondern auch das, was wir einbringen können. Dieses Buch erzählt eine Geschichte, die ich selbst erlebt habe. Mit der Leipziger Sektion Journalistik ist ein Paradigma entsorgt worden, das Forschung und Berufspraxis verbunden hat und heute helfen könnte, die Redaktionen aus der Umklammerung der Politik zu befreien oder von den Zwängen einer kommerziellen Medienlogik, für die Aufmerksamkeit alles ist und alles andere nichts. Das ist kein Plädoyer für eine Rückkehr zur DDR oder gar zu den ideologischen Prämissen, die die Parteipresse genauso unglaubwürdig gemacht haben wie die TV-Nachrichtensendung Aktuelle Kamera . 5Der Journalismus war damals kein Journalismus, sondern politische PR. 6
Gerade die Gängelung durch die SED hat allerdings, das hoffe ich in diesem Buch zu zeigen, ein Journalismusideal gefüttert, das »Öffentlichkeit als gesellschaftlichen Auftrag« sieht. 7In Kurzform: erst das Handwerk, dann die Haltung. Alle Perspektiven und Interessen zu Wort kommen lassen, ohne die (Ab-)Wertung gleich mitzuliefern. Dieser journalistische Auftrag lässt sich leicht mit einem Demokratieverständnis verbinden, das alle als Freie und Gleiche anerkennt und den öffentlichen Debattenraum braucht, um den Frieden nach innen und nach außen zu sichern. Auch hier wieder in Kurzform: Öffentlichkeit ist der Ort, an dem Pluralität und Heterogenität in Einklang gebracht werden können. Öffentlichkeit ist das »Herzstück« der Demokratie, weil wir hier zu »argumentativen Anstrengungen« gezwungen sind, um unsere subjektiven Interessen zu objektivieren. 8
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