Mit Bitterkeit dachte er daran, unter welch schwierigen Bedingungen und zu welch horrenden Preisen er einstmals von einem Sklaven van Groots ein paar Pfund solcher Nüsse erstanden hatte.
Andererseits bildeten die drei Schiffe da vorn einen starken Verband, der ausgezeichnet bewaffnet war. In offenem Kampf, das gestand sich auch Hassan ohne weiteres ein, konnte er niemals etwas erreichen. Aber wenn er...
Er sann lange nach. Leichtfertig durfte man an diese Sache nicht herangehen. Es stand zu viel auf dem Spiel. Er mußte in Zukunft der einzige Bezieher der hier wachsenden Muskatnüsse sein.
Er rechnete sich aus, daß er in kürzester Zeit Millionen damit verdienen konnte.
Am meisten wurmte ihn, daß Tunatatschi ihn offensichtlich hintergangen hatte. Ob er ihnen Rotang verkaufen sollte, hatte er scheinheilig gefragt. Rotang, als ob die Fremden je auf Rotang erpicht gewesen wären, nachdem sie die Muskatnüsse entdeckt hatten!
Wie wäre es, dachte Hassan, wenn man die Schiffe vernichten könnte und dazu auch gleich die Meute der Eingeborenen, wenn man den Spieß umdrehen würde? DieInsel würde ein herrliches Seeräubernest abgeben. Man sollte alle vernichten, die von ihr wußten, und riesige Muskatnußpflanzungen gründen. Zur Zeit der Reife fuhr man hierher, lud das Schiff voll, fuhr dann nach Süd- oder Nordamerika und konnte auf diese Weise das niederländische Monopol brechen, weitere Schiffe anschaffen und bald eine ganze Flotte zusammen haben. Zehn Jahre Arbeit, und er, Hassan, brauchte sich nicht mehr aktiv an seinem eigenen Unternehmen zu betätigen, sondern konnte irgendwo auf der Welt das beschauliche Dasein eines reichen Mannes führen.
Immer neue Bilder einer glänzenden Zukunft stiegen vor seinen Augen auf.
Er erwachte erst aus seinen Träumen, als Tunatatschi nahte.
Der König der Insel hatte ein finsteres Gesicht.
»Was bedrückt Euch?« fragte Hassan. »Seid Ihr nicht zufrieden mit den Geschäften?«
»Wenn wir heute nacht die Weißen überfallen, so schont das erste Schiff. Meine Tochter befindet sich dort. Sie ist einem Weißen verfallen. Ich will nicht, daß sie stirbt.«
»Ihr stellt Euch die Sache ziemlich einfach vor, wie?«
»Ihr seid ein tapferer Mann und werdet es schaffen. Betrachtet das Gelände. Wenn Ihr die Hälfte Eurer Kanonen zwischen diesen Hügeln hier aufstellt, dann könnt Ihr Tod und Verderben über sie bringen, bevor sie merken, woran sie sind.«
»Aber wie bringen wir die Geschütze heimlich in Stellung?«
»Meine Krieger haben Füße wie die Samtpfoten von Katzen. Niemand wird sie hören. Wir werden Euch helfen,
die großen Feuerrohre hierher zu schaffen. Bis Mitternacht könnt Ihr mit Euerm Schiff die Mündung des Flusses erreichen und mit einem Teil Eurer Mannschaft von dort aus angreifen.
Wenn das gelingt, können sie sich nicht bewegen und sitzen in einer Falle.«
Hassan nickte, sparte sich aber die Antwort. Den Plan des Häuptlings fand er gut. Er hatte sich bereits das gleiche ausgedacht.
12
»Und diesem verrückten Alten habt Ihr zweitausend gute Gulden für die Nüsse gezahlt«, lachte Marina schallend, als sich Tunatatschi entfernt hatte.
»Sie sind zweihunderttausend wert«, sagte Michel. Seine Stimme klang unwirsch.
»Wert oder nicht wert, dieser verschrumpelte Häuptling hat sicher keine Ahnung, wie teuer diese Nüsse gehandelt werden. Es ist ein Jammer, daß Ihr so mit dem Geld um Euch werft!«
»Laßt das meine Sorge sein«, erwiderte Michel scharf. »Es ist schließlich mein Geld.«
»Was Ihr getan habt, dient ja nur dazu, Euer eigenes Gewissen zu beruhigen. Wenn die Ernte zweihunderttausend Gulden wert ist, dann habt Ihr die Eingeborenen um hundertachtundneunzigtausend Gulden betrogen. Eure Bezahlung hat also lediglich den Wert von einer Farce.«
»Ich verbitte mir Eure Unterstellung«, rief Michel aufgebracht. »Kein noch so ehrlicher Kaufmann hätte mehrals ich gezahlt! Zweitausend Gulden sind für den Eingeborenenkönig viel Geld, wenn man bedenkt, daß er bisher die Ernte verkommen ließ.«
»Eben, deshalb wäre es gescheiter gewesen, Ihr hättet keinen Cent bezahlt. Kann es dem Häuptling nicht gleichgültig sein, ob wir die Nüsse mitnehmen oder ob sie verderben?«
»Laßt uns das Thema abbrechen«, sagte Michel. »Seht Ihr nicht, daß die Leute zuhören? Der Streit führt zu nichts.«
Aber Marina hatte Freude daran, den Pfeifer zu reizen. Seine Ruhe wurde ihr immer unerträglicher. Seit geraumer Zeit schien er sich gänzlich von ihr abgewandt zu haben. Sie war krank vor Sehnsucht nach ihm. Sie brachte es einfach nicht fertig, ihre Liebe zu ihm zu unterdrücken. Sie spürte eine große Befriedigung darüber, daß sie ihn mit ihrer Kritik von Zeit zu Zeit aus der Fassung bringen konnte, ließ dabei aber völlig außer acht, daß ihre Mannschaft, die alten Freunde, ja die Angehörigen der ganzen Flotte, den Respekt vor dem, dessen Hand bisher alles zusammengehalten hatte, verlor.
Wenn sich irgendwo zwei Seeleute oder ehemalige Piraten über seine Person unterhielten, so geschah das schon lange nicht mehr in dem leisen ehrfürchtigen Ton wie früher.
Fast jeder wußte, daß Marina den Pfeifer liebte. Und niemand verstand Michel, daß er diese Liebe ausschlug.
So kam es zu Zwiegesprächen, wie diesem:
»Hast du gehört, Pedro, wie sie es ihm wieder gegeben hat?«
»Ja, es ist zum Lachen! Der muß ja wirklich Fischblut in den Adern haben!«
»Por Dios, wir alle ließen uns für die Señorita zersägen, und er, der sie zur Frau nehmen könnte, spielt sich auf wie ein schmollender Knabe aus gutem Hause.«
»Dabei ist er doch auch nicht mehr als wir: ein Pirat, der studiert hat.«
»Und jetzt schmeißt er diesen Wilden auch noch die Goldstücke in den Rachen.«
»Er ist nicht mehr ganz bei sich! Ich würde mir sehr überlegen, ob ich heute noch wie früher so unbedingt seine Befehle befolgen würde.«
»Die Señorita soll den Oberbefehl übernehmen. Vielleicht könnten wir dann bald wieder wie vernünftige Piraten leben.«
»Hast recht, ich habe dieses Dasein, das nicht heiß und nicht kalt ist, auch bald satt. Ich glaube, der einzige, der noch auf seiner Seite steht, ist der alte Porquez.«
So oder so ähnlich waren die Unterhaltungen der Mannschaft.
Michel ahnte nicht, was da an Abfälligkeiten über ihn gesagt wurde. Und jeder hütete sich wohlweislich, in Gegenwart des Pfeifers selbst oder seiner Freunde solche Äußerungen zu tun.
13
Als die Sonne hinter dem Horizont verschwand und die ersten Sterne ihr Licht versprühten, wurde es auf der Insel lebhaft. Von der Ostseite und von dem See her huschten dunkle Gestalten durch das Mondlicht.
Schweigend trugen Tunatatschis Krieger die schwerenKanonen, deren sechzehn Stück von Hassans Schiff abmontiert worden waren.
Bei den Arabern ging es nicht so lautlos zu. Immer wieder stieg ein Fluch zum nächtlichen Himmel, wenn irgend etwas nicht gleich beim erstenmal gelingen wollte. Doch die meisten vermochten einen heftigen Ausbruch noch rechtzeitig zu unterdrücken.
Jeder war sich bewußt, daß der Feind in der Nähe war.
Die Männer der Flottille waren mit dem Verladen der getrockneten Nüsse doch nicht rechtzeitig vor Einbruch der Dunkelheit fertig geworden.
Michel hatte die Arbeit unterbrechen lassen, um sie am nächsten Vormittag zu Ende zu führen.
In einer Besprechung mit den Kapitänen hatte man sich geeinigt, sofort danach auszulaufen.
In dieser Nacht schlief allerdings nur ein Teil der Männer an Land. Viele waren des Schlummers unter freiem Himmel schon wieder überdrüssig. Sie hatten es vorgezogen, in ihre Kojen zu kriechen. —
Mitternacht mochte vorbei sein, als plötzlich Blitze aufzuckten und von See her Kanonendonner erklang. Noch ehe die Schläfer richtig wach waren, krachten die ersten Kugeln in die Takelage der »Mapeika«, die der Mündung am nächsten lag. Aber schon die nächste Salve ließ das Takelwerk auf der »Trueno« und der »Dimanche« splittern.
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