Die Herren von Telkor
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Die Trollhöhle
Impressum:
Die Herren von Telkor - Die Trollhöhle
Daniel Sigmanek
Copyright: © 2013 Daniel Sigmanek
Umschlaggestaltung: © 2013 Daniel Sigmanek
DieTrollhoehle@web.de
www.sigmanek.de
published by: epubli GmbH, Berlin
www.epubli.de
ISBN 978-3-8442-6789-1
Danksagung
Mein besonderer Dank gilt meinem Vater, der mich fortwährend zum Weiterschreiben animierte und nicht unerheblich an der Korrektur der endgültigen Version beteiligt war.
Es regnete. Schon seit Stunden ergossen sich riesige Wassermassen über die niedrigen Häuser und Straßen und verwandelten den vormals trockenen Boden zusehends in Schlamm. Mächtige, dunkelgraue Wolken verdeckten den Himmel und vereitelten jegliche Versuche der warmen Sonnenstrahlen, sich bis zur Erde vorzutasten. So war es trotz des erst wenig vorangeschrittenen Tages bereits sehr dunkel und allem Anschein nach würde bald ein heftiges Gewitter aufziehen.
Tado störte all dies nicht. Er ging ruhig, aber dennoch schnell durch die verlassenen, unbefestigten Straßen, denn kein Mensch und kein Tier wagten sich bei diesem Wetter hinaus. Er hielt sich dicht an den Häuserwänden, sodass die wenig hervorstehenden Holzdächer ihn wenigstens ein kleines bisschen vor den Wassermassen schützten. Leider funktionierte dieser Plan nicht sehr gut, und so stand er schließlich völlig durchnässt vor einem breiten, etwas höheren Gebäude. Hier arbeiteten die Botschafter. Sie überbrachten Nachrichten oder wertvolle Objekte von einer Stadt zur anderen, sie waren eine Elitegruppe, vom Erfolg ihrer Aufträge konnte die Entscheidung über Krieg oder Frieden abhängen.
Lange hatte Tado auf diesen Tag gewartet. Schon als er noch sehr klein war, hatte er sich gewünscht, später einmal Botschafter zu werden. Nun hatte er endlich das nötige Alter erreicht, um sich der Aufnahmeprüfung zu unterziehen. Mit einem Gefühl von Freude und Angst betrat er das große Gebäude, in dessen Innern eine angenehme Wärme herrschte. Durch das wenige Licht, das von draußen herein schien, wirkte die Halle, in der er sich nun befand, unfreundlich und unbewohnt. Ein älterer Mann führte ihn eine Treppe hinauf. Vermutlich wurde er schon erwartet. Sie betraten einen kleinen Raum, der nahezu gänzlich von einem Tisch und drei Stühlen ausgefüllt wurde. Auf einem dieser Stühle saß jemand, den Tado nur allzu gut kannte und dessen Anwesenheit ihn mit Unbehagen erfüllte: Haktir.
Haktir war ein Jahr älter als er und daher schon seit einiger Zeit Botschafter. Innerhalb weniger Monate war es ihm gelungen, so weit aufzusteigen, dass er nun nicht mehr selbst Aufträge erfüllen musste, sondern diese lediglich verteilte. Und genau das stellte das Problem dar. Tado und er verstanden sich nicht sehr gut, genauer gesagt verband sie eine abgrundtiefe Feindschaft.
„Du bist vier Minuten zu spät“, schleuderte ihn Haktir an den Kopf, noch bevor er den Raum überhaupt betreten hatte. Er saß auf einem der Stühle, die Füße lagen auf der Tischplatte. Missbilligend sah er Tado an.
„Du bist durchnässt“, stellte er schließlich fest. Der alte Mann, der ihn hierher geleitet hatte, bedeutete dem Neuankömmling, sich zu setzen, und nahm indes seinerseits Platz.
„Ja, immerhin regnet es draußen“, antwortete Tado, bemerkte jedoch wenig später, dass seine Aussage völlig überflüssig war, da sich auf der gegenüberliegenden Seite der Tür ein großes Fenster befand, durch das man den Wassertropfen zusehen konnte, wie sie auf den Straßen eine Pfütze nach der anderen bildeten.
„Ich weiß“, entgegnete Haktir. „Darum habe ich den Termin für dieses Gespräch doch auch genau für heute festgelegt.“
Tado ertrug geduldig die Sticheleien seines Gegenübers. Er befand sich zurzeit in der niedrigeren Position, und er wollte auf keinen Fall Gefahr laufen, durch seine Aufnahmeprüfung zu fallen, noch bevor diese überhaupt begonnen hatte.
„Da ich nicht sonderlich erpicht auf deine Gesellschaft bin, lass uns das ganze abkürzen“, fuhr Haktir fort. In Tado machte sich ein Gefühl der Aufgeregtheit breit.
„Deine Aufnahmeprüfung besteht aus einem simplen Auftrag. Wenn du diesen erfolgreich beendest, wirst du zum Botschafter erklärt.“
Er atmete innerlich erleichtert auf. Ehrlich gesagt hatte er Schlimmeres erwartet.
„Was für ein Auftrag ist das?“, fragte Tado, wurde jedoch, noch bevor er zu Ende gesprochen hatte, von Haktir unterbrochen: „Es geht um eine kleine Schatulle. Sie wurde vor einiger Zeit gestohlen, als Trolle unser Dorf überfielen. Sie brachten sie tief in die Trollhöhle im Norden und bewahrten sie dort zusammen mit anderen Schätzen auf. Gerüchten zufolge geriet ihre Schatzkammer irgendwann in Vergessenheit, aus einem bis heute ungeklärten Grund. Die Schatulle muss also noch dort sein. Wenn du sie heil zurückbringst, hast du deinen Auftrag beendet. In der Zwischenzeit soll sich dort übrigens eine Person, die sich Lord des Feuers nennt, eingerichtet haben. Du gehst ihr besser aus dem Weg.“
„Und was befindet sich in dieser Schatulle?“, wollte Tado wissen.
„Das hat dich nicht zu interessieren. Ich gebe dir hundert Tage. Die Zeit läuft ab morgen. Wenn du es bis dahin nicht geschafft hast, wirst du niemals Botschafter werden.“
Erfüllt von Euphorie und Tatendrang vergaß Tado, weitere Fragen zu stellen, beispielsweise wusste er nicht einmal, wo genau sich die Trollhöhle befand. Stattdessen gab ihm Haktir eine Zeichnung der zu suchenden Schatulle und bedeutete ihm unmissverständlich, den Raum zu verlassen.
Als die Tür sich wieder schloss, erhob zum ersten Mal der alte Mann die Stimme und richtete sie an Haktir: „Was ist das für ein merkwürdiger Auftrag? Der letzte Angriff der Trolle ist weit über zwanzig Jahre her, damals lebtest du noch gar nicht. Wie kannst du davon wissen?“
„Du hast recht. Der letzte Angriff liegt weit zurück. Ich habe in einem Buch darüber gelesen, und auch über die verschwundene Schatulle“, entgegnete Haktir.
„Aber dieser Auftrag ist viel zu gefährlich für einen Anfänger. Du weißt doch, dass es keine Ausbildung für einen Botschafter gibt.“
„Ja. Wer bei seinem ersten Auftrag erfolgreich ist, wird angenommen, wer versagt, wird aussortiert. Tados Auftrag ist nicht schwieriger als all die anderen.“
Der alte Mann ließ es nicht dabei bewenden: „Aber es gibt Gerüchte, dass die Trollhöhle von einer finsteren Macht beherrscht wird, der nichts und niemand gewachsen sein soll. Es wird sein sicherer Tod sein, wenn du ihn gehen lässt.“
„Wie es scheint, kann ich dir nichts vormachen“, meinte Haktir, nicht sonderlich überrascht. „Selbstverständlich weiß ich von den Gerüchten, ebenso wie ich weiß, dass sie wahr sind. Die Macht geht von dem Lord des Feuers aus. Tado wird von diesem Auftrag nicht mehr wiederkehren.“
„Aber warum schickst du ihn in den Tod?“
„Die Gründe dafür kannst du nicht verstehen, alter Mann. Doch früher oder später werden wir alle sterben. Die Macht ist nicht mehr aufzuhalten. Dennoch soll er der erste sein, der ihr zum Opfer fällt.“ Haktir sprach diese Worte mit einem ausdruckslosen Gesicht. Etwas schien ihn zu betrüben.
„Das kann ich nicht zulassen“, meinte der alte Mann entschlossen und wollte zur Tür gehen.
„Bei meinem ersten Auftrag vor einem Jahr lernte ich eine Gruppe Waldmenschen kennen“, sagte Haktir, den Blick aufs Fenster gerichtet. Der alte Mann hielt inne. „Sie lehrten mich, einen begangenen Mord zu verschleiern. Wenn du also den Versuch unternehmen solltest, ihn irgendwie zu warnen, dann seid ihr beide schon morgen nur noch zwei leblose Hüllen, verscharrt unter den Wurzeln eines alten Baumes in der Nähe der südlichen Sümpfe.“
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