»Werf Er die Pistole weg!« rief Michel lachend.
»Er Frechling, Er!«
Michel kümmerte sich nicht mehr um ihn.
»Nun sagt, Eberstein, wollt Ihr dieses Geschäft mit mir machen? Ich zahle gut für die Freiheit meines Vetters. Und - Ihr seid doch käuflich.«
»Nein! Nein! Nein!« schrie Rudolf bebend vor Wut.
Der Alte im Türrahmen hatte aufgehorcht. Sprach dieser schreckliche Pfeifer von Geschäften?
»Wenn ich recht verstanden habe«, mischte er sich ein, »wolltet Ihr ein Geschäft mit meinem Sohn besprechen?«
»Ganz recht«, erwiderte Michel. »Aber er will nicht.«
Der Alte kam ins Zimmer hinein, wandte sich dem Tisch zu und legte die Pistole dort hin. Dann drehte er sich um und ging hinüber zu den Bücherregalen.
»Ihr seht, daß ich jetzt unbewaffnet bin. Laßt meinen Sohn los. Wir sprechen in Ruhe über Euern Vorschlag.«
Michel tat, was der Alte wünschte, war aber mit einem Satz an dem Tisch, auf dem die Pistole lag. Er ergriff sie und steckte sie zu sich. In Gesellschaft dieser Burschen war man nie vor einer Hinterhältigkeit sicher.
»So«, meinte er dann, »jetzt können wir verhandeln.«
»Macht Euern Vorschlag«, sagte der Alte trocken.
»Viertausend Dukaten für die Freiheit meines Vetters und Euer Wort, daß Ihr meine Familie nie wieder belästigen werdet.«
»Hihihi«, kicherte der Alte, »ein guter Vorschlag. Das läßt sich hören. Scheint Euch ja mächtig gut zu gehen, wenn Ihr mit den Dukaten so herumwerfen könnt.«
»Nehmt Ihr an oder nehmt Ihr nicht an«, fragte Michel ungeduldig.
»Und was ist, wenn wir ablehnen?« fragte der Alte.
Michels Miene sah fast heiter aus.
Er wippte auf den Zehenspitzen und verschränkte die Arme über der Brust.
»Dann werde ich die andere Summe zahlen, wie ich es Euerm Sohn schon versprochen habe.
Eine Ohrfeige hat er. Das macht noch neununddreißig. Für je hundert Dukaten eine. Entschließt Euch schnell. Ich habe keine Zeit, die halbe Nacht in Eurer Gesellschaft zu verbringen.«
»Legt tausend Dukaten drauf«, sagte der Alte mit lauerndem Ausdruck im Gesicht.
»Viertausend und keinen Heller mehr. Werdet nicht obendrein noch unverschämt.«
»Hm, hm — gut, ich nehme an.«
Da stapfte der junge Eberstein heftig mit dem Fuß auf.
»Dieses Geschäft ist meine Sache, Papa. Wie kannst du diesem Kerl die Freiheit seines Vetters verkaufen, da du doch auch nicht das kleinste Bißchen für ihn tun kannst?«
»Oh, ich kann vieles, mein Junge. Das müßtest du im Lauf der Zeit gemerkt haben. Und ich glaube, Herr Baum traut mir mehr zu als dir.«
Michel war verblüfft über diese Offenheit. Dieser alte Kerl schien ein echtes Stück Gaunerehrgeiz zu besitzen. Es hatte den Anschein, als sei er noch stolz auf seine schiefen Manipulationen. Und er hatte recht. Es war wirklich so, daß Michel ihm weit mehr traute als seinem Sprößling. So nickte er denn.
»Gut, gebt die viertausend Dukaten her. Morgen nachmittag könnt Ihr Euch Euern Vetter abholen.«
»Ihr müßt mich doch für sehr naiv halten«, entgegneteMichel nicht unfreundlich. »Wer garantiert mir dafür, daß Ihr es Euch bis morgen nicht anders überlegt?«
»Ich«, sagte der Alte.
»Wer seid Ihr? Kein Hund, der Euch kennt, würde ein Stück Brot von Euch nehmen.«
»Herr!«
»Spielt Euch nicht auf. Wir machen ein Gaunergeschäft. Und Ihr seid ein Gauner.«
»Meine Ehre«, schrie Eberstein, »verbietet mir, daß ...«
»Halt den Schnabel«, fuhr ihm der Vater über den Mund. Dann wandte er sich an Michel. »Ich hielt Euch bisher für einen klugen Menschen. Ihr müßt doch ein-sehen, daß ein wegen Insubordination angeklagter Offizier nicht von heute auf morgen aus dem Gefängnis entlassen werden kann. Schließlich muß man ja die Formalitäten wahren. Alles, was wir tun können, ist, unseren Einfluß aufzubieten, damit die richtenden Offiziere den Premierleutnant freisprechen.
Und ich bin der festen Überzeugung, daß wir diesen Einfluß haben. Ihr seht, ich spiele mit offenen Karten. Wenn Ihr bezahlt, so tue ich mein Möglichstes.«
»Euer Möglichstes nützt mir nichts. Und außerdem dauert mir das zu lange.«
»Drei Tage?« fragte der Alte geschäftig.
Michel überlegte.
Was der alte Eberstein vorgebracht hatte, war stichhaltig.
»Ich gehe noch weiter«, fiel der Alte wieder ein, »mein Sohn wird die Anklage gegen den Premierleutnant Baum zurückziehen. Das ist das einfachste Mittel.«
»Niemals !« rief Rudolf aus.
Sein Vater sah ihn strafend an. Und der sonst so großmaulige Bursche wurde unter diesem Blick weich wie Wachs. Er wandte sich ab und meinte:
»Meinetwegen.«
»Gut«, sagte Michel, »ich bin einverstanden.«
»Und das Geld?«
»Erhaltet Ihr, wenn Ihr mir meinen Vetter übergebt.«
»Hm, Ihr könnt viel erzählen. Zahlt wenigstens die Hälfte an.«
»Gut. Auch darauf soll es mir nicht ankommen.« Er zog einen Beutel unter dem Überwurf hervor, den er umhatte, und warf ihn auf den Tisch. »Das sind zweitausend.«
Die Augen des alten Grafen funkelten gierig.
»Habt Ihr Euch auch nicht verzählt?«
»Hört, alter Gauner, ich gehöre nicht zu Euerm Schlag. Ich mache ein Geschäft und zahle bar und richtig. Aber wehe Euch, wenn mein Vetter nicht in drei Tagen frei ist.«
»Ihr könnt Euch darauf verlassen. Meint Ihr, ich gebe zweitausend Dukaten so ohne weiteres auf?«
»Eben«, sagte Michel, »der Macht des Geldes vertraue ich, mehr jedenfalls als Euch. — Auf Wiedersehen.«
Er ging rückwärts zur Tür. Bevor er sie öffnete, nahm er noch einmal das Wort:
»Noch etwas, meine Herren: es wird euch ja wohl möglich sein, mir einen Besuch bei Richard zu ermöglichen, nicht wahr?«
»Sicher«, nickte der Alte.
»Gut, dann vereinbaren wir die Zeit für morgen nachmittag um vier Uhr. Ich werde in der Nähe des Arrestlokals sein. Ihr sollt mir eine halbe Stunde Sprechzeit verschaffen.«
»Du hast gehört, Rudolf, was er will. Tue das. Morgen nachmittag um vier Uhr also.«Der Alte trat zu dem Tisch, auf dem der Beutel lag, nahm diesen hoch und schüttelte den Inhalt auf die Tischplatte. Die funkelnden Goldstücke kullerten lustig durcheinander. Ohne Rudolf zu beachten, machte sich der Alte ans Zählen. Später, als er etwa die Hälfte der Geldstücke aufgestapelt hatte, meinte er:
»Eine der schönsten Beschäftigungen, die es gibt.«
Rudolf ließ sich in einen Sessel fallen und starrte vor sich hin. Für ihn gab es keinen Zweifel, daß der Vater sein Gaunerwort einlösen würde. Ihm selbst jedoch stand der Sinn nicht danach.
Haß und Rache brannten in ihm mit unauslöschlicher Glut. Er wollte den Pfeifer treffen, und er mußte ihn treffen. Da fiel ihm die Sprechzeit ein, die Michel Baum für morgen beantragt hatte.
Seine Augen blitzten auf. Aber nur für eine Sekunde; dann nahmen sie ihre frühere Gleichgültigkeit wieder an. Er wollte gern auf die zweitausend restlichen Dukaten verzichten, wenn er Michel Baum die größte Schlappe seines Lebens beibringen konnte. Er erhob sich.
»Gute Nacht, Papa.«
51
Bereits am ersten Verhandlungstag hatte Richard Baum gemerkt, daß ihm das Militärgericht nicht freundlich gesonnen war. Er hatte sich den Kopf zergrübelt, um eine plausible Erklärung für seine Handlungsweise zu finden. Aber es war ihm nichts eingefallen; denn von der Wahrheit durfte er keinen Gebrauch machen. Natürlich hätte er einen anderen Zivilisten erfinden können, der zufällig zu dem schändlichen Handeln Ebersteins hinzugekommen war. Aber dann würde auch die Rolle, die er selbst gespielt hatte, zur Sprache kommen. Er mußte an Rachel denken, an das, was er dem alten Hirschfelder mit der Haussuchung angetan hatte, daran, daß er zumindest dazu beigetragen hatte, den alten Juwelier durch einen Herzschlag ins Jenseits zu befördern. Der Fluch der bösen Tat lastete schwer auf seinem Gewissen.
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