Greg Moody - Tödliche Tour

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Will Ross hat mit seiner Karriere als Radsportler bereits weitgehend abgeschlossen, als sein Agent ihn an ein Profi-Team vermittelt. Dessen Spitzenfahrer ist kurz zuvor mittels einer heftigen Expolsion in den Radsporthimmerl befördert worden.Ross hat zwar wenig Freunde im Team, das zu allem Unglück auch noch von seiner Ex-Frau gemanagt wird, aber er hat die beiden wichtigsten Dinge, die einen Radsportler ausmachen: Kampfgeist – und sein Fahrrad. Beides scheint allerdings eine anziehende Wirkung auf Expolsivstoffe zu haben …Dieser brillant geschriebene Krimi spielt virtuos mit den Versatzstücken amerikanischer Filmkultur von Marlowe bis Columbo. Ein guter Plot, Humor und perfekte Dramaturgie sind trotzdem nicht alles: Dieser Roman ist auch eine Liebeserklärung an den Radrennsport.Die Beschreibungen des einsamen Radlers, der gegen Wind, Steigung und Erschöpfung um seinen Tretrhythmus kämpft, sind ebenso stimmig wie die Hintergrundinformationen aus dem Profi-Alltag und die Darstellung der Vorgänge im Peloton.

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Greg Moody TÖDLICHE TOUR Übersetzung Sebastian Moll Delius Klasing EDITION - фото 1

Greg Moody

TÖDLICHE TOUR

Übersetzung:

Sebastian Moll

Delius Klasing

EDITION MOBY DICK

Gewidmet Becky, Devon und Brynn, deren Verständnis und Unterstützung (und die Fähigkeit, leise im Nebenzimmer zu spielen) dieses Buch erst möglich machten, sowie John Stenner.

Copyright © 1995 Greg Moody

Die Originalausgabe erschien unter dem Titel „Two Wheels“ beim Verlag VeloPress in Boulder/Colorado, USA.

1. Auflage 2010

ISBN 978-3-7688-8300-9

Die Rechte für die deutsche Ausgabe liegen beim Moby Dick Verlag, Kiel

Die Printausgabe dieses Werkes wurde mit der

ISBN 978-3-89595-148-0 herausgegeben.

Übersetzung: Sebastian Moll

Titelmotiv: Matt Brownson

Datenkonvertierung E-Book:

Kreutzfeldt digital, Hamburg

www.kreutzfeldt.de

Alle Rechte vorbehalten! Ohne ausdrückliche Erlaubnis des Verlages darf das Werk, auch Teile daraus, nicht vervielfältigt oder an Dritte weitergegeben werden.

www.delius-klasing.de

Inhalt

61 König der Landstraße

162 Willkommen in Sinnlos

353 Haven im Sinn

544 Der Ritt an der Wand

745 Ein Stück meines Herzens

916 Ich liebe meinen Schatz, mein Schatz liebt mich

997 Wider die Macht

1208 Die Dinge werden klarer

1319 J’accuse

15110 Die Rückkehr des Kojoten

17011 Auf nach Süden

18712 Am Boden zerstört

20013 Ein Wochenende auf dem Land

21914 Ein Wort: Plastiksprengstoff

23315 Morgenröte

24916 Flucht nach vorne

26717 Ein Sonntag in der Hölle

28418 Roubaix

29919 Zu spät zum Helden geworden

31220 Endspiel

1

König der Landstraße

Es ist schön, König zu sein, dachte er. Jean-Pierre Colgan stand an einem verregneten Januar-Sonntag am Fenster und ließ seinen Blick über ein atemberaubendes Paris schweifen. Paris war trotz des Regens atemberaubend, denn es gehörte ihm.

Alles was die Stadt zu bieten hatte – Frauen, Wein, die besten Tische in den besten Restaurants – konnte er sich einfach nehmen, denn er war mit nur 27 Jahren Weltmeister im Radfahren; er war französischer Meister und er war der erste Franzose seit fast einem Jahrzehnt, der eine echte Chance hatte, die Rundfahrt durch sein Land zu gewinnen; der erste Franzose seit 30 Jahren, der das Peloton, die Presse und die Fans fest im Griff hatte.

In seiner eigenen Vorstellung war er bereits eine Legende.

Wer war schon Fignon? Wer war schon Hinault? Wer war schon Leblanc? Wer waren sie schon, sie, und ihre schwachsinnigen Anhänger?

»Tifosi«, nannte er sie abfällig und lachte dabei.

Jean-Pierre Colgan hatte den italienischen Ausdruck immer gemocht. Er machte aus den schreienden zappelnden Fans am Straßenrand, gefangen in ihrer Heldenverehrung und ihrem Chauvinismus, einen Schwarm von Kakerlaken, die nur darauf warteten von seinem Heldentum zertreten zu werden.

Er war nicht einfach ein König der Landstraße. Er war der König der Landstraße und er war sich dessen voll und ganz bewußt. Es war seine Zeit auf der Bühne dieser Welt, seine Zeit im Rampenlicht, und er würde sie voll auskosten. Man machte den Gehweg frei für ihn, Kellner behandelten ihn ehrfürchtig und die Welt lag ihm zu Füßen – zumindest der Ausschnitt der Welt, in dem Teufelskerle auf zwei Rädern etwas bedeuteten.

Colgan rieb sich die Augen und erwischte sich dabei, wie er an Amerika dachte. Sein Ausflug nach Disney World war ein Desaster gewesen. Dort hatte ihn niemand erkannt. Keiner hatte um sein Autogramm gebeten. Goofy war mit einer Gruppe alter Damen aus Ohio so beschäftigt gewesen, dass er keine Zeit hatte, sich mit ihm fotografieren zu lassen. Und er hatte einen horrenden Eintrittspreis bezahlen müssen. Mon dieu! Er hatte schon seit Jahren nirgends mehr Eintritt bezahlt.

Er hatte verdammt noch mal Schlange stehen müssen. Er hatte am Space Mountain angestanden und sich dann nach der Hälfte der Fahrt übergeben. Das war nicht gerade der Stil eines Champions. Wäre er besser behandelt worden, dachte er, hätte er sein Mittagessen nicht an einen Mars aus Pappmaschee geklatscht.

Er hätte ins Euro-Disney fahren sollen.

Nein. Er würde keine n ihrer blöden Parks mehr besuchen. Soll Euro-Disney doch Pleite gehen. Er grinste. Seine amerikanischen Mannschaftskollegen begannen auf ihn abzufärben.

Sie waren miserable Fahrer, fand Colgan, aber sie kannten sich mit Geschäften aus und hatten keine Angst davor, den Bossen die Stirn zu bieten. Sie hatten die gesamte Branche aus dem Würgegriff der Team-Besitzer befreit. Seither wurde ein Champion auch wie ein Champion bezahlt – und konnte mit den richtigen Sponsorenverträgen sogar auf eine hübsche Rente hoffen.

Aber als Fahrer... pffft. LeMond ja, vielleicht Armstrong. Und eine Hand voll anderer. Hampsten. Aber so viele, die kaum mit dem Feld mithalten konnten.

Und die Fans erst. Einmal war Colgan in den USA gefahren, als er zwanzig war, irgendwo in Colorado. Das Rennen wurde von einer Brauerei gesponsort, eigentlich kein schlechter Wettkampf. Mangels ernsthafter Gegner war es für Colgan mehr ein Herbst-Training gewesen, aber es hatte niemand zugeschaut. Colgan hatte das Gefühl, dass selbst die »großen Massen« kleiner waren als die in Frankreich. Die Amerikaner begriffen es einfach nicht. Und sie würden es nie begreifen. Sie würden nie begreifen, welche Gefahr es bedeutete, welche Kraft man brauchte, welchen Stil und vor allem welches Verlangen, ein Champion zu sein. Nicht einmal ihre eigenen Champions begriffen das. Amerikanische Champions waren gepolsterte Fleischklöße. Wie viel Finesse braucht man schon dazu, sich auf einem mit Linien markierten Rasen ineinander zu verkeilen?

Amerikaner.

Colgan sah nach unten und erblickte seine Nachbarin Yvette auf ihrem Balkon. Sie schaute nach oben und ihre Blicke trafen sich. Ihrer schien zu fragen, warum er letzte Nacht verschwunden war; es hatte sich doch alles gut angelassen.

Er zuckte mit den Schultern. C’est la vie. Ich schlafe gerne in meinem eigenen Bett, Chéri.

Colgan drehte sich um und lief barfuß durch seine Küche, die größte Küche, die er je in einer Pariser Wohnung gesehen hatte. Aber, sagte er sich, der Wand, dem Sofa, niemand bestimmtem, dies ist ja auch nicht die Wohnung von irgendwem.

»Es ist schön, König zu sein.«

Er liebte große Küchen. Er liebte Lebensmittel. Jean-Pierre schnitt zwei Scheiben von einem frischen Laib Weißbrot ab und schob sie in seine neueste Errungenschaft: einen amerikanischen Toaster. Ausgesprochen hübsch. Voll verchromt und sehr Hightech. Jegliche Technologie, die je zum Toasten von Brot erfunden worden war, steckte darin. Und das war für ihn gerade gut genug.

Er schenkte sich noch eine Tasse Kaffee ein. Und noch ein Glas Saft. Dann setzte er sich mit der neuesten Ausgabe von L ’Equipe an den Küchentisch. Das Blatt wird vielleicht doch überschätzt, dachte er, als er die Sporttageszeitung überflog. Sein Name tauchte erstmals auf Seite drei auf. Irgendetwas lief hier falsch. Er würde mit Martin über sein Marketing sprechen müssen.

Marketing. Noch so eine amerikanische Erfindung. Sie müssten nur noch fahren können.

Das Gefühl, dass irgendetwas in der Wohnung, außerhalb seiner unmittelbaren Wahrnehmung, nicht stimmte, traf ihn nicht direkt. Es beschlich ihn so, wie eine leise tickende Uhr einen Traum stört. Nichts Plötzliches. Irgendetwas stimmte einfach nicht ganz.

Er lehnte sich zurück und schaute sich im Raum um. Irgendetwas. Nur wo? Wo?... Der Toaster, da, der Toaster. Eine dünne weiße Rauchschwade stieg aus dem Gerät. Colgan ließ seine Zeitung fallen und eilte hinüber zur Arbeitsplatte.

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