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Ich werde jetzt einen Kaffee machen. Einen für dich und einen für mich. Ich stehe auf, schiebe den Stuhl unter den Tisch, bis die Stuhllehne das blaue Tischtuch berührt, drehe mich zum Wandschrank, in dem die Blechdose mit dem gemahlenen Kaffee steht, öffne die Schranktüren, und mit der rechten Hand nehme ich die Kaffeedose und stelle sie hinter mir auf den Tisch. Ich gehe an dir vorbei, zwischen der Wand und deinem Stuhl, mache drei Schritte bis zur Kaffeemaschine, nehme den Kaffeeportionierer und gehe zum Spülbecken, ich nehme einen Kaffeelöffel und säubere den Portionierer, dann gehe ich zurück zum Tisch, gebe Kaffee in den sauberen Portionierer und bringe ihn an der Kaffeemaschine an. Das Kind wird auf den Knopf der Kaffeemaschine drücken wollen. Sie liebt es, Knöpfe zu drücken. Du bist ihr ein kleines Plastikpiano kaufen gegangen, mit mehreren Tasten, etwa zehn, glaube ich. Sie liebt es, auf die Tasten des Plastikpianos zu drücken. Du hältst sie im Arm, und sie drückt, eine Hand um deinen Hals gelegt, auf den Knopf der Kaffeemaschine. Sie sieht nur, wie ein kleines grünes Licht hinter dem Knopf aufleuchtet. Sie hört den Lärm der Kaffeemaschine und sieht die braune Flüssigkeit, die in die Tasse läuft. Sie wird etwas sagen, ihre eigenen Wörter.
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Das Wort «Gott» dürfte es auch nicht geben. Das Wort «Partei» ist ebenfalls überflüssig unter den Wörtern. Das Wort «Partei» dürfte es nicht geben. Dein Vater hat dir beigebracht, Partei außerhalb jeder Partei zu ergreifen. Er akzeptierte die Einheitspartei nicht, und er akzeptierte auch keine andere Partei. Er ergriff lediglich Partei. Du hast etwas gemeinsam mit ihm. Du ergreifst unaufhörlich Partei und analysierst jede Partei. Du möchtest verstehen, wie diese Parteien funktionieren. Du möchtest verstehen, wie die Einheitspartei vorgeht gegen andere Parteien, die nicht anerkannt sind. Es gibt andere Parteien, aber sie sind nicht legal. Die anderen Parteien sind Überreste der Parteien von vor dem Zweiten Weltkrieg. Es gibt Tausende von Leuten, die nicht der Einheitspartei angehören. Ich bin einer von denen, die unter der Einheitspartei gelitten haben. Du weißt das. Du weißt, dass die Einheitspartei uns zwei Häuser und alles Land, das uns dein Urgroßvater vermacht hatte, genommen hat. Du weißt, dass die Einheitspartei mir untersagt hat, meinen Beruf als Grundschullehrer in der Stadt auszuüben. Du weißt, dass ich mich von deiner Großmutter scheiden lassen musste, damit meine beiden Söhne, dein Vater und dein Onkel, auf die Universität gehen konnten. Du weißt, dass die Einheitspartei alle meine Jagdgewehre konfisziert hat. Du weißt, dass die Einheitspartei uns heute Brot gegen Marken ausgibt, und dass jede Person eine Brotmarke hat, auf dem jeden Tag das Pfund Brot, das man kauft und das man isst, angekreuzt wird. Du weißt, dass wir für das Begräbnis deines Vaters Extramarken beantragen mussten, für das Brot, das die Leute, die zur Beerdigung deines Vaters kamen, essen würden. In dem Haus, in dem ich mit meiner zweiten Frau, deiner Stiefgroßmutter, wohne, hat mich die Einheitspartei dazu gezwungen, drei Zimmer unterzuvermieten. Einmal, vor fünf Jahren, glaube ich, bist du mit deinem Vater zu uns gekommen, und ihr wart dreckig wie Schornsteinfeger. Dein Vater und du, ihr hattet auf einer seiner Baustellen Verstecken gespielt, und ihr seid zu uns gekommen, ohne euch zu waschen, und eure Kleider waren voller Farbe, Teer, Zement und Staub. Ihr habt euch bei uns gewaschen, ihr habt euch zu uns an den Tisch gesetzt, und wir haben auf die Gesundheit aller unserer Familienmitglieder getrunken und zu essen angefangen. Während dieses Essens habe ich deinem Vater meine Probleme mit meinen Untermietern anvertraut. Die Untermieter damals waren allesamt Mitglieder der Einheitspartei. Sie verachteten mich und nannten mich «Volksfeind!» und «Drecksbourgeois!» Ich hatte ihnen mehrfach gesagt, dass ich zwei Weltkriege mitgemacht hätte, und dies als Soldat, aber ich war ihnen nicht wert genug, normal behandelt zu werden. Ich habe beim Bürgermeisteramt eine Beschwerde eingereicht, und die, die auf meine Beschwerde geantwortet haben, meinten, ich solle meine Vergangenheit hinter mir lassen. Das alles habe ich deinem Vater erzählt. Du erinnerst dich daran: Er hat sein Glas auf dem Tisch abgestellt, ist aufgestanden, und du hast ihm folgen wollen. Er hat gesagt «bleib hier!», er ist zur Küche hinausgegangen, und eine halbe Stunde später sind die drei Mitglieder der Einheitspartei, alle drei Beamte eines Textilunternehmens, mit all ihren Möbeln und ihren Sachen auf der Straße gestanden. Sie haben die Polizei gerufen, und dein Vater hat mit den Polizeibeamten der Einheitspartei gesprochen. Er hat ihnen gesagt, dass Respekt etwas Essenzielles sei, und dass diese drei Mitglieder der Einheitspartei sich gegenüber den Leuten und dem Leben respektlos verhalten hätten und dieses Haus verlassen müssten. Dein Vater hat den Polizeibeamten gesagt, dass diese drei Mieter keinen Platz hätten in einem Haus, das sie nicht respektieren würden. Am nächsten Tag mussten dein Vater und ich auf dem Polizeiposten erscheinen, und wir haben uns vor dem Polizeichef des Viertels gerechtfertigt. Einige Tage später haben uns die Vertreter der Einheitspartei neue Mieter geschickt. Seit jener Geschichte habe ich nur noch respektvolle Mieter gehabt. Ich respektiere sie, und sie respektieren mich. Ich will nicht wissen, ob meine Mieter Mitglieder der Einheitspartei sind oder nicht. Dein Vater hat mir in meinen alten Tagen sehr geholfen. Mein Sohn ist für mich zu früh gestorben.
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Tick-Tack wird das Flaggschiff sein.
Du schaltest die Kaffeemaschine ab, indem du auf den Knopf drückst, auf den das Kind gedrückt hat. Ich gehe hinter euch durch, nehme die volle Tasse Kaffee und stelle sie auf den Tisch, nehme die Zuckerdose vom Fensterbrett, und mit einem Kaffeelöffel gebe ich Zucker hinein, eineinhalb Löffel in jede Tasse. Das Kind wird seine Hände nach der Kaffeetasse ausstrecken. Du wirst sagen, «nein, das ist heiß!, nein, mein Kleines!», und sie wird «nein! nein! nein! nein! nein!» sagen, wird mit dem Kopf die Geste des Neinsagens machen und den Kopf nach links und dann nach rechts drehen, mehrere Male, und immer wieder «nein! nein! nein! nein! nein!» sagen.
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Sie spielt mit dem Clown im Holzkistchen. Dieser Clown befindet sich in einem Holzquader, festgemacht an einer Feder. Wenn man den Haken löst, der den Holzdeckel am Rest des Kistchens befestigt, springt der Clown blitzschnell aus seinem Versteck, und die Kleine lacht. Sie will den Clown selber wieder ins Kistchen stecken, sie drückt ihn selber mit ihren Händen und Fingern hinein, schließt den Deckel und will den Haken befestigen, damit alles wieder geschlossen ist. Du zeigst ihr oft diesen Clown, auf dessen Kistchen die Namen von großen Städten geschrieben stehen: LONDON, NEW YORK, PARIS. Auf dem gleichen Kistchen stehen auch die Worte «FRAGIL» und «EXPORT» geschrieben. Der Clown hat ein blau-grünrot-weiß-rosa-farbenes Gewand, trägt einen Hut in der Form eines Kegels, und seine Lippen und seine Wangen und seine Nase sind rot geschminkt. Du sagst dem Kind: «Achtung!» In diesem Augenblick fixiert sie den Deckel des Kistchens des Clowns, und du wiederholst mehrmals hintereinander: «Achtung! Achtung! Achtung!», schiebst deinen rechten Zeigefinger zum Haken des Kistchens, und das Kind hört auf, den Deckel anzuschauen und nimmt den Haken ins Visier, folgt deinem Finger, der langsam diese Metallspitze wegschiebt, die, einmal vom Nagel gelöst, den Clown freilässt. Das Kind lacht jedes Mal, wenn du das machst.
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Der Kaffee ist gut. Die Tasse und die Untertasse sind mit blauen Blättern dekoriert. Sicher sieht das Kind diese Bemalungen, diese Farben, diese Formen. Der Henkel meiner Tasse ist beschädigt. Diese Tasse muss etwa fünfzehn Jahre alt sein, vielleicht mehr. Ich nehme die Tasse mit meiner rechten Hand am Henkel und führe sie zu meinem Mund. Ich rieche den Duft des Kaffees. Ich fühle die Wärme, die der Kaffee verströmt, bevor meine Lippen die Flüssigkeit berühren. Ich schaue dich an, ich lächle dir zu, das Kind ist bei dir, und sie drückt mit ihren nackten Füßen gegen die Tischkante.
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