Daniel Rechtschaffen
Die achtsame Schule
Achtsamkeit als Weg zu mehr Wohlbefinden
für Lehrer und Schüler
Mit einem Vorwort von Jon Kabat-Zinn
Aus dem Englischen von Maria Harpner
© 2014 by Daniel J. Rechtschaffen
Vorwort © 2014 by Jon Kabat-Zinn
© 2016 der deutschen Ausgabe: Arbor Verlag GmbH, Freiburg
Die Originalausgabe erschien unter dem Titel:
The Way of Mindful Education, Cultivating Well-Being in Teachers and Students
Alle Rechte vorbehalten
E-Book 2018
Titelbild: © 2016 aloha_17/istockphoto.com
Umschlagrückseite: © 2016 stocksnapper/istockphoto.comIllustrationen im Innenteil: S. 186, 218 und 249: © 2016 MarinaMariya/istockphoto.com, S.206: © 2016 HelgaMariah/istockphoto.com, S.292: © 2016 asmakar/istockphoto.com.
Lektorat: Georg Grässlin
Hergestellt von mediengenossen.deE-Book-Herstellung und Auslieferung: Brockhaus Commission, Kornwestheim, www.brocom.de
www.arbor-verlag.de
ISBN E-Book: 978-3-86781-221-4
Wichtiger Hinweis
Die Ratschläge zur Selbstbehandlung in diesem Buch sind vom Autor sowie dem Verlag sorgfältig geprüft worden. Dennoch kann eine Garantie nicht übernommen werden. Bei ernsthafteren oder länger anhaltenden Beschwerden sollten Sie auf jeden Fall einen Arzt, Psychotherapeuten, Psychologen oder Heilpraktiker Ihres Vertrauens zu Rate ziehen. Eine Haftung des Autors oder des Verlages für Personen-, Sach- und Vermögensschäden ist ausgeschlossen.
Ich widme dieses Buch meiner Mutter und meinem Vater,
Stephan Rechtschaffen und Elizabeth Lesser,
für Eure bedingungslose Liebe als Eltern,
Eure Weisheit als Menschen und die Ehre,
Euch heute als meine Freunde bezeichnen zu dürfen.
Inhalt
Vorwort von Jon Kabat-Zinn
Einleitung
Teil I Warum Achtsamkeit in der Schule wichtig ist
Der Weg der Achtsamkeit
Die achtsame Revolution des Erziehungssystems
Die Geschichte der achtsamen Erziehung
Die verschiedenen Ansätze
Die Wissenschaft der Achtsamkeit
Die Ursprünge der Achtsamkeit
Teil II Beginne bei Dir selbst
Gut für sich selbst sorgen
Das Wie, Wo und Wann der Achtsamkeit
Körpergewahrsein kultivieren
Aufmerksamkeit kultivieren
Herzlichkeit kultivieren
Verbundenheit kultivieren
Emotionale Intelligenz kultivieren
Achtsame Kommunikation kultivieren
Achtsamkeit in unserer modernen Welt
Teil III Das achtsame Klassenzimmer
Was einen achtsamen Lehrer ausmacht
Wesentliche Bestandteile eines achtsamen Klassenzimmers
Kulturelle Vielfalt und Integration bearbeiten
Stress und Traumata bearbeiten
Mit unterschiedlichen Altersgruppen arbeiten
Teil IV Ein Achtsamkeits-Curriculum
Schüler mit Achtsamkeit bekannt machen
Der Aufbau einer Achtsamkeitslektion
Achtsamkeitsbasiertes Curriculum
Körpergewahrseins-Lektionen
Die Sprache des Körpers
Achtsamkeit spielen
Achtsame Bewegung
Achtsames Essen
Aufmerksamkeitslektionen
Der Atemanker
Achtsames Hören
Achtsames Sehen
Gedankenstrom
Übungen zur Herzensöffnung
Liebevolle Sätze
Die Wurzeln unserer Emotionen
Destruktive Emotionen
Dankbarkeit hervorbringen
Verbundenheitslektionen
Achtsame Kommunikation
Die Welt der Natur
Ablenkung einüben
Achtsames Engagement in der Welt
Integration
Persönliche Praxis
Integrationsübungen
Herzenswärme aussenden
Beispielprogramme
Ressourcen
Danksagung
Quellenangaben
Literaturhinweise
Vorwort
von Jon Kabat-Zinn
Meine erste Erfahrung mit der Arbeit Daniel Rechtschaffens hatte ich, als ich einer Stunde beiwohnte, die er in einer Mittelschule im Oakland Unified School District hielt. Er arbeite damals für eine Initiative mit Namen Mindful Schools . Diese Schule galt als eine der schwierigeren in der Gegend. Als ich hereinkam, ein wenig zu spät, herrschte in der Klasse mit fünfundzwanzig Schülern bereits vollkommene Ruhe. Die Atmosphäre war gelassen und aufmerksam. Fast alle Schüler saßen aufrecht auf ihren Stühlen, ohne steif oder starr zu wirken. Die Schüler schienen sich wohl zu fühlen und auch ich fühlte mich in dieser Ruhe und Stille sofort zu Hause. Ich konnte kaum glauben, dass Mittelschüler dazu in der Lage waren. Der Klassenlehrer saß hinten und Daniel saß auf einem Stuhl vor der Klasse. Er hielt eine Messingschale in der Hand. Während ich mich hinten im Raum setzte, sah ich, wie langsam Hände nach oben gingen, zuerst nur einige wenige, dann immer mehr, alles in Stille. Was war das? Was geschah hier? Was konnte ich hier beobachten? Ich hatte so etwas nie zuvor gesehen.
Nun, es stellte sich heraus, dass die Anweisung zu dieser Übung lautete, dass die Schüler die Hand heben sollten, wenn sie den Klang der Glocke nicht mehr wahrnehmen konnten. Daniel hatte die Schale mit einem Schlegel angeschlagen, kurz bevor ich in die Klasse gekommen war. Offenbar schien es selbst Mittelschüler unglaublich aufmerksam zu machen, auf die Abwesenheit von etwas zu achten.
Am selben Tag besuchte ich eine Grundschule im selben Bezirk und sah eine andere Lehrerin von Mindful Schools, die dieselbe Übung mit einer ersten Klasse machte, wieder stand sie vorne und der Klassenlehrer saß hinten in der Klasse. Nachdem sie die Kinder aufgefordert hatte „ihren achtsamen Körper aufzuwecken“ – woraufhin alle Kinder sich aufrecht hinsetzten und sehr ruhig wurden – und ohne irgend etwas anderes zu sagen, schlug sie die Messingschale an, genau wie Daniel es getan hatte. Wieder hallte der Klang durch den Raum und während er langsam verschwand, sah ich, wie kleine Hände in die Luft gestreckt wurden, eine nach der anderen, alles in vollkommener Stille. Je länger es dauerte, desto mehr Hände gingen nach oben.
Die Klassenlehrerin erzählte mir später, dass viele der Kinder in dieser Klasse ernste Aufmerksamkeitsprobleme hatten. Sie staunte, wie still es oft während der Achtsamkeitsübungen im Raum wurde. Diese Fähigkeit, so stellte sie fest, übertrug sich mit der Zeit auf andere Momente des Tages, die Klasse kam leichter zur Ruhe, da sie schon wussten, wie sich das anfühlte, und das machte es ihr einfacher, den geplanten Lernstoff zu unterrichten. 1
Lehrer stehen heute unter starkem Druck, sich immer mehr nach außen zu orientieren und die Erfüllung von Bildungsstandards und die Vorbereitung auf standardisierte Tests in den Vordergrund zu stellen. Das Schwergewicht unseres Bildungssystems liegt in fast erdrückendem Maße auf der Vermittlung von Informationen, natürlich mit dem lobenswerten Ziel, der nächsten Generation ein größeres Wissen und mehr Verständnis mitzugeben und somit gebildete und maximal kreative Arbeitskräfte für unsere zukünftige Welt hervorzubringen. Nur dass dieser Ansatz an sich leider mit starken Mängeln behaftet ist und falschen Voraussetzungen folgt, denn mit Ausnahme einer Minderheit von Schülern, für die er durchaus passend sein mag, lässt er die Mehrzahl der Kinder gestresst, befremdet und unendlich gelangweilt zurück – und sogar dem Lernen immer ablehnender gegenüberstehend. Man könnte sagen, dass die vorherrschende Tendenz in unserem Bildungssystem zu einer Krise der öffentlichen Gesundheit beiträgt, denn die Gesundheit der nächsten Generation hängt maßgeblich von Fähigkeiten und Kompetenzen ab, für die sich die Schule bis vor kurzem überhaupt nicht zuständig fühlte.
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